«Der Strassenstrich ist Chefsache» Kommentare
Friedrich Koch, der Polizeidirektor der Stadt Essen, wehrt sich gegen den Vorwurf, der dortige Strichplatz werde von Zuhältern beherrscht. Dem Zürcher Versuch gibt er gute Chancen.
Friedrich Koch: Der Polizeidirektor der deutschen Stadt Essen hat die Stadtpolizei bei der Planung des Zürcher Strichplatzes beraten.
Herr Koch, Zürcher Frauen-Hilfswerke behaupten, der Strichplatz von Essen werde von Zuhältern kontrolliert.
Ich habe diese Äusserung in Ihrer Online-Ausgabe gelesen. Sie hat mir Zornesfalten ins Gesicht gezeichnet. Die Meinung ist komplett falsch. Seit der Eröffnung des Kirmesplatzes vor zweieinhalb Jahren konnten wir deutlich mehr Verfahren gegen Zuhälter und Menschenhändler einleiten als zuvor.
Warum?
Wir waren von Beginn weg vor Ort, erst in zivil, um das Geschehen zu analysieren. Parallel dazu haben wir ein Vertrauensverhältnis zu NGOs und Prostituierten aufgebaut. Ich sitze zweimal die Woche mit Vertreterinnen beider Gruppen zusammen. Razzien nützen gegen Menschenhandel wenig. Diesen kann man erst bekämpfen, wenn es Zeuginnen gibt, die aussagen. Und das tun sie nur, wenn sie keine Angst vor Streifenwagen haben, sondern die Polizei als gut und schützend wahrnehmen.
Wie ist Ihnen das gelungen?
In Ausbildungen haben Prostituierte unseren Polizisten ihre Biografie erzählt. So lernen die Beamten, dass die Frauen keine Verbrecherinnen sind und eine respektsvolle Behandlung verdienen. Unter den Frauen hat sich dieser Umgang herumgesprochen. Aber trotz allem Verständnis: Bei Vergehen greifen wir hart durch.
Zum Beispiel?
In Essen gilt die ganze Stadt ausserhalb des Kirmesplatzes als Sperrbezirk, wo Strassenprostitution verboten ist. Wenn wir hier eine Prostituierte am Arbeiten erwischen, verteilen wir nicht nur eine Busse, sondern sperren sie ein. Für mindestens 12 Stunden.
Die Befürchtung der Frauenrechts-Organisationen lautet, dass man mit Strichplätzen den Zuhältern einen «Tummelplatz» zur Verfügung stellt. Wie kann die Polizei Zuhälter fernhalten?
Zuhälterei und Menschenhandel sind schwierig zu ahnden, wenn Prostitution legal ist. Doch dank der Strichplätze konzentriert sich das Verbrechen auf relativ kleinem Raum. In der Stadt können sich Zuhälter leicht verstecken, auf dem überschaubaren Kirmesplatz fallen sie schneller auf. Zwar tarnen sie sich auch hier oft als normale Freier, durch unsere Zusammenarbeit mit den NGOs und den Prostituierten erhalten wir aber Tipps à la «Kontrolliert mal dieses Auto». So behalten wir die Lage im Griff.
Dortmund musste den Strichplatz schliessen, weil die Kriminalität die ganze Nachbarschaft beeinträchtigte. Wie wollen Sie dieses Szenario in Essen verhindern?
In Dortmund hat die Polizei zu lange tatenlos zugeschaut. So konnte ein beinahe rechtsfreier Raum entstehen, der sich zum Schluss jeglicher Kontrolle entzog. Einen Strichplatz muss man permanent überwachen und begleiten. Was voraussetzt, dass die Polizei über genügend Ermittlungskapazitäten verfügt. Und alle Beteiligten bestens zusammenarbeiten.
Was war die Reaktion der Nachbarn des Strichplatzes?
Die Bedenken waren gross am Anfang. Ich habe dann mehrmals persönlich informiert und den Anwohnern versprochen, dass sie sich jederzeit bei mir melden können. Heikle Projekte wie ein Strichplatz brauchen ein Gesicht, in Essen ist das meines. Mittlerweile hat sich der Betrieb eingependelt, das Gebiet ist blickdicht eingezäunt. Die Nachbarn bekommen nichts davon mit.
Wie beurteilen Sie die Zürcher Versuchsanordnung?
Woran es in Zürich mangelt, ist ein explizites Prostitutionsverbot ausserhalb der Strichzonen, ein Verbot, das die Polizei mit Strafen durchsetzen kann. Nur so lässt sich das Gewerbe wirklich einschränken. Das habe ich meinen Zürcher Kollegen auch gesagt. Dem Projekt fehlt meines Wissens auch ein persönliches Aushängeschild. Der Strassenstrich ist Chefsache. Einer muss dafür geradestehen.
Also schlechte Prognosen?
Überhaupt nicht. Die polizeilichen Voraussetzungen sind in Zürich optimal. Und die Zusammenarbeit mit den NGOs ist gut angelaufen.
Der Kirmesplatz in Essen liegt zentral, der geplante Strichplatz in Altstetten befindet sich am Stadtrand. Ist das ein Nachteil?
Kaum. Die Freier kommen teilweise von weit her, um sich ihre Wünsche zu erfüllen. Da machen zwei Kilometer mehr keinen Unterschied.
Wie ist Ihr Fazit nach zweieinhalb Jahren Kirmesplatz?
Sehr positiv. Am Anfang war ich skeptisch, ob wir genug Personal dafür aufbringen können. Aber die Polizei wird ja nicht fürs Rumsitzen bezahlt. Der Kirmesplatz hat die Situation der Frauen verbessert und das Sicherheitsgefühl in der ganzen Stadt erhöht.
http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/sta ... y/24956269
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Re: Der Strassenstrich ist Chefsache.
Beachtenswerte Aussagen eines Polizeidirektors! Razzien nützen gegen Menschenhandel wenig. Diesen kann man erst bekämpfen, wenn es Zeuginnen gibt, die aussagen. Und das tun sie nur, wenn sie keine Angst vor Streifenwagen haben, sondern die Polizei als gut und schützend wahrnehmen.
Gibt es hier angemeldete SDL, die zum Strassenstrich Essen aus ihrer Sicht berichten können?
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