Zwangsarbeit und Menschenhandel

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
Benutzeravatar
fraences
Admina
Admina
Beiträge: 7441
Registriert: 07.09.2009, 04:52
Wohnort: Frankfurt a. Main Hessen
Ich bin: Keine Angabe

Zwangsarbeit und Menschenhandel

Beitrag von fraences »

Berlin (28.4.11): Anlässlich des Tags der Arbeit fordert das Deutsche Institut für Menschenrechte den deutschen Gesetzgeber auf, die Rechte der Betroffenen von schwerer Arbeitsausbeutung und Menschenhandel zu stärken.

"Deutschland hat sich in internationalen Menschenrechtsverträgen verpflichtet, die Opfer von Menschenhandel bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen. Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass auch heute noch Menschen in Deutschland unter sklavereiähnlichen Bedingungen arbeiten", erklärte Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte.

Wer in Deutschland arbeite, gleich ob in einem legalen oder illegalen Beschäftigungsverhältnis, habe einen rechtlichen Anspruch auf Lohn für geleistete Arbeit und Schadenersatz für erlittene Verletzungen. Auch heute arbeiteten immer noch viele Menschen in Deutschland unter prekären Arbeitsbedingungen, beispielsweise in der Pflege, der Landwirtschaft, auf dem Bau oder in der Prostitution. "Zum Teil würden sie dabei in ihren fundamentalen Rechten verletzt und massiv wirtschaftlich ausgebeutet", so Rudolf.


Aktuell sind rund 7 % der arbeitenden Bevölkerung trotz Arbeit arm und rund 7,3 Millionen Menschen arbeiten in so genannten Minijobs, wie der Tage auf Glocalist Berichtet (s.h. Bericht > bit.ly/fgP6CW ).

Heike Rabe, Koordinatorin des Projekts "Zwangsarbeit heute: Betroffene von Menschenhandel stärken", sagte: "Migrantinnen und Migranten, die in Deutschland arbeiten, müssen unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus besser über ihre Rechte informiert werden. Betroffenen von
Menschenhandel und schwerer Arbeitsausbeutung sollte gesetzlich ein Aufenthaltsrecht zur Durchsetzung von Lohn- und Entschädigungsansprüchen eingeräumt werden."

Das Projekt "Zwangsarbeit heute: Betroffene von Menschenhandel stärken" unterstützt seit 2009 Betroffene dabei, ihre Entschädigungs- und Lohnansprüche vor Gericht durchzusetzen. Es wird in Kooperation mit der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" durchgeführt.
http://glocalist.com/news/kategorie/ver ... henhandel/
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
Fakten und Infos über Prostitution

ehemaliger_User
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 2968
Registriert: 27.04.2008, 15:25
Ich bin: Keine Angabe

SPON: Menschenhandel

Beitrag von ehemaliger_User »

Hier gibts mehrere Artikel zum Thema:

Spiegel Online
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

Benutzeravatar
Lycisca
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 1242
Registriert: 17.03.2007, 15:18
Wohnort: Umgebung Wien
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von Lycisca »

In Schweden wird nunmehr mit den Gesetzen gegen Menschenhandel gegen Arbeitsausbeutung in der Landwirtschaft ermittelt - in den Medien kommt auch in diesem Zusammenhang Prostitution vor (was offenbar erst der Auslöser zum Enschreiten der Polizei war).

Link: http://diepresse.com/home/panorama/welt ... Beerenwald

Schweden: Ausbeutung im Beerenwald
HANNES GAMILLSCHEG (Die Presse) vom 04.09.2011, 18:27

Schamlos werden Saisonarbeiter in den Weiten der Provinz Hälsingland als Arbeitskräfte ausgepresst. Seit Pflücker aus Asien Mindestlöhne erhalten müssen, gehören Osteuropäer zu den Opfern des Menschenhandels.

Kopenhagen. „Fünf Euro für Schlafen, fünf Euro für Essen und noch zehn Euro sind alles, was ich verdiene.“ Resignierend streckt Clipei Lucian seine leeren Hände aus: „Hier kann ich nicht bleiben.“ So wie dem 40-jährigen Rumänen geht es in diesen Wochen vielen seiner Landsleute in den schwedischen Wäldern.

Von gewissenlosen Menschenhändlern wurden sie mit lukrativen Versprechen zum Beerenpflücken in den Norden gelockt. Doch dort stehen sie trotz harter Arbeit ohne Geld da. Jetzt will die Polizei den Drahtziehern mit einem Pilotprozess das Handwerk legen. Vorerst sitzen vier Bulgaren in Untersuchungshaft, die im Verdacht stehen, die Reisen nach Schweden organisiert zu haben.

Das Schicksal der Beerensammler erregt die Schweden seit Jahren, nur dass die Opfer bisher aus Thailand und Vietnam kamen: Hunderte Asiaten hatten in ihrer Heimat große Schulden gemacht, um sich die Tickets leisten zu können – in der sicheren Erwartung, in ein paar Wochen in den schwedischen Wäldern mehr zu verdienen als daheim im ganzen Jahr.

Dann arbeiteten sie sich mit gebücktem Rücken durch die Stauden und pflückten und pflückten. Doch wenn es ans Abrechnen ging, bekamen sie weniger, als sie den Aufkäufern für Verpflegung und Unterkunft zahlen mussten. Und wenn sie heimreisten, waren sie ärmer als davor.

So setzten die Gewerkschaften im Vorjahr durch, dass den überseeischen Pflückern ein schwedischer Mindestlohn garantiert werden müsse. Das wäre für diese ein Traumeinkommen gewesen.

Doch der Beerenbranche ist das zu teuer. So heuert sie diesmal statt der Asiaten Arbeitskräfte aus Osteuropa an, denn das Abkommen gilt nur für Pflücker von „außerhalb der EU“. Für Bulgaren, Rumänen und Balten gilt die EU-Freizügigkeit. Die Vermittler zahlen nach ihren schlechten Tarifen. Wenn sie überhaupt zahlen. Rund hundert Rumänen reisten wieder heim, als sie sahen, dass sie für einen Lohn von 50 Euro 70 Kilogramm Beeren pflücken müssten, was selbst für erfahrene Sammler mehrere Tage dauert.

In den Weiten der Provinz Hälsingland sucht die Polizei nun Zeltlager auf, um weitere Opfer des Menschenhandels zu finden. Die Bulgaren, die sie trafen, erzählten die gleiche Geschichte wie in den vergangenen Jahren die Thailänder: In ihrer Heimat wurden sie von Werbern rekrutiert, die mit gratis Wohnen und Essen und gutem Lohn lockten. Als sie nach Schweden kamen, nahmen ihnen die Mittelsmänner die Pässe ab und schickten sie in den Wald.

Für Unterkunft und Verpflegung mussten sie zahlen, der Lohn war miserabel, teilweise bekamen sie für geleistete Arbeit gar nichts, weil die Drahtzieher verschwunden waren. Jetzt wohnen ganze Familien im Zelt oder nur unter einer Plane, waschen sich mit Regenwasser, benützen den Wald als Toilette und leben von Sandwichbrot und Dosen. Die schwedischen Beerenfirmen sagen, sie seien nicht zuständig: Die Arbeitsbedingungen seien Sache der Leiharbeitsfirmen, die das Personal stellen.

„Nicht menschenwürdig“ nennt Polizeichef Sune Nordh die Behandlung der Beerenpflücker. „Es ist wichtig, dass die, die dahinterstecken, die strafrechtlichen Konsequenzen zu spüren bekommen.“ Er kennt Fälle, in denen die Sammler misshandelt oder in die Kriminalität und Prostitution gezwungen wurden, wenn sie nicht genug Beeren fanden.

Jetzt bietet die Polizei den Ausgebeuteten Beistand an und setzt auf ihre Zeugenaussagen. „Es wäre das erste Mal, dass jemand in Schweden im Zusammenhang mit Saisonarbeitern wegen Menschenhandels verurteilt würde“, erklärt Staatsanwältin Christina Vogt.

Benutzeravatar
Jason
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 631
Registriert: 13.07.2007, 22:59
Wohnort: zu Hause
Ich bin: Keine Angabe

Milliardenprofit mit Menschenhandel

Beitrag von Jason »

In Deutschland leben rund 880 000 Sklavenarbeiter. Verbrecher setzen sie unter Druck und sollen mit ihnen Milliarden Euro Profit machen. 270 000 von ihnen werden laut EU-Bericht sexuell ausgebeutet. Alarmierende Zahlen gibt es auch zu Korruption und Waffenhandel.

Rund 3600 internationale Verbrecher-Organisationen sind in der Europäischen Union aktiv - das berichtet das Nachrichtenmagazin "Spiegel" und beruft sich auf einen Sonderausschuss des EU-Parlaments. Demnach richten diese Organisationen jährlich einen volkswirtschaftlichen Schaden in dreistelliger Milliardenhöhe an.

Geschätzt 880 000 Sklavenarbeiter arbeiteten in der EU unter der Knute von Verbrechern, heißt es in dem Bericht laut dem Magazin weiter. Rund 270 000 von ihnen würden sexuell ausgebeutet. Diese Zahl stammt ursprünglich aus einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von 2012. Die ILO versteht unter Zwangsarbeit jede Form von Arbeit, die Menschen unter Androhung von Strafe unfreiwillig leisten.

Profit mit Menschenhandel: 25 Milliarden Euro pro Jahr
Mitte September hatte ein Sonderausschuss des EU-Parlaments, der organisiertes Verbrechen, Geldwäsche und Korruption in Europa untersucht hat, den sogenannten "CRIM"-Bericht verabschiedet. Das EU-Parlament will am 23. Oktober über ihn abstimmen.

Allein mit Menschenhandel machten Verbrecherbanden einen Profit von rund 25 Milliarden Euro pro Jahr, heißt es laut "Spiegel" in dem Papier des Europaabgeordneten Salvatore Iacolino. Der Schaden durch Cyber-Kriminalität summiert sich demnach auf 290 Milliarden Euro. 18 bis 26 Milliarden Euro bringe der illegale Handel mit Körperorganen und mit Wildtieren. Dem Papier zufolge sind zudem zehn Millionen illegale Waffen in Europa im Umlauf, "die eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit der Bürger sowie für die Strafverfolgung darstellen".

20 Millionen Fälle von Korruption
Eine "ernsthafte Bedrohung" gehe auch von der grassierenden Korruption aus. Allein im öffentlichen Sektor habe man 20 Millionen Fälle registriert. Der Gesamtschaden laut EU-Kommission: 120 Milliarden Euro im Jahr. Mit dem Bericht fordern die Abgeordneten von Polizei und Justiz der EU-Staaten eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit, wie der "Spiegel" weiter schreibt. Europäische Steueroasen müssten verschwinden, der Kauf von Wählerstimmen solle überall zum Strafdelikt werden. Wer wegen Geldwäsche oder Korruption verurteilt wurde, dürfe mindestens fünf Jahre lang keine öffentlichen Aufträge erhalten.
Zudem plädiert der Ausschuss für einen europaweiten gesetzlichen Schutz von Whistleblowern: Wer Missstände in Behörden oder Unternehmen aufdecke, dürfe nicht als Straftäter verfolgt werden.

ps/dpa

Quelle: http://www.focus.de/politik/ausland/mil ... 28012.html

Anm. Es ist wieder mal Typisch wie der FOCUS einen Bericht verzerrt. In der Überschrift ist von 880 000 Sklavenarbeitern in D die Rede, einen Absatz weiter ist es schon EU-weit. Und als Aufmacher muß natürlich wieder das Sexgewerbe herhalten.
> ich lernte Frauen zu lieben und zu hassen, aber nie sie zu verstehen <

Klaus Fricke
Nicht mehr aktiv
Beiträge: 1121
Registriert: 05.11.2010, 16:16
Wohnort: Bremen / Sougia - Kreta
Ich bin: Keine Angabe

RE: Zwangsarbeit und Menschenhandel

Beitrag von Klaus Fricke »

Bezug und Primärquelle:
http://www.weser-kurier.de/startseite_a ... 36846.html
Weser Kurier vom 03.06.2015, Onlineausgabe
Weitere Quellen:
http://menschenhandelheute.net/2015/06/ ... einreisen/




Ausländische Arbeitnehmer häufig Opfer
EU-Bericht prangert Ausbeutung in Europa an



Hungerlohn, Pass einkassiert, von der Außenwelt abgeschnitten: Schwere Ausbeutung von Arbeitskräften ist nach einem EU-Bericht in einigen Wirtschaftszweigen weit verbreitet. Die EU-Grundrechteagentur (FRA) stützt sich bei dieser Einschätzung unter anderem auf rund 600 Gespräche mit Gewerkschaftern, Polizisten oder Mitarbeitern von Aufsichtsbehörden. "Ausländische Arbeitnehmer haben in der EU ein ernsthaftes Risiko, ein Opfer von Arbeitsausbeutung zu werden", sagte Blanca Tapia von der FRA.

Jeder fünfte Gesprächspartner traf demnach mindestens zweimal pro Woche auf einen solchen Fall, heißt es in der am Dienstag in Brüssel veröffentlichten Untersuchung. Zum Teil verdienten die Betroffenen nur einen Euro pro Stunde oder weniger, arbeiteten an sechs bis sieben Wochentagen und hätten keinen Vertrag.

Eine klare Definition ist indes schwierig. "Das Projekt hat sich nur mit jenen Formen der Arbeitsausbeutung befasst, die strafrechtlich verfolgt werden können", sagte Albin Dearing von der FRA. Dabei sei die rechtliche Situation unter den EU-Ländern aber unterschiedlich. In Polen beispielsweise gelten landwirtschaftliche Betriebe laut seiner Kollegin Tapia als Privatgrundstücke, relevante Kontrollen seien schwierig. "Sie können die Bedingungen für die Hühner kontrollieren, aber nicht für die Arbeiter", beklagte Tapia.

Deutschland gehört laut Bericht zu gerade einmal vier Staaten innerhalb der Europäischen Union, die EU-Bürgern den gleichen Schutz gewähren wie Nicht-EU-Bürgern. Allerdings sei hierzulande unklar, welche Behörde gegen Arbeitsausbeutung vorgehen müsse, bemängelte Dearing. "Es fühlt sich keiner richtig zuständig." Die Verhältnisse in der Baubranche geben in Deutschland den Befragten zufolge am häufigsten Anlass zur Sorge. Die Einbindung von Subunternehmern erhöhe das Risiko, betonte Dearing.

Insgesamt sahen die Teilnehmer der Untersuchung im Bereich Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei das höchste Risiko für Ausbeutung, gefolgt von der Baubranche, dem Hotel- und Gaststättengewerbe, der Beschäftigung im Haushalt und in der verarbeitenden Industrie.
Hvhbg. K.F.

K O M M E N T A R



MENSCHENHANDEL IN DIE ARBEITSAUSBEUTUNG? - JA BITTE!
EINE BREMER BILANZ



In Bremen, so müsste man meinen, wenn man der Antwort des Senates ( www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/ ... _58c1d.pdf ) auf die Anfrage von DieLinke! zu den „Bremer Strategien gegen den Menschenhandel in die Arbeitsausbeutung“ folgt, müsste alles in Ordnung sein mit dem Kampf gegen diese. Im Gegensatz zum Menschenhandel in die sexuelle Ausbeutung, für den erhebliche öffentliche Ressourcen für die evangelische Kirche Bremen, bzw. deren Diakonie, bzw. deren Innere Mission und deren Beratungsstelle für Betroffene von Menschenhandel und Zwangsprostitution (BBMeZ) zur Verfügung gestellt werden, ist es, wohl weil bislang - EU Feststellungen widersprechend- kein Handlungsbedarf wahrgenommen wurde, noch nicht geklärt:

"Ob ein eigener Runder Tisch für den Bereich Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft eingesetzt werden soll ... Zur Klärung dieser Frage ist eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des bestehenden Runden Tisches eingesetzt worden." (s. o.g. Drs. 18/1786, S. 8, v. 17.3.15).

Bei dem bestehenden Runden Tisch, der jetzt den Teufel austreiben soll, könnte es sich allerdings um den Beelzebub handeln, auch wenn er unter Leitung der evangelischen Kirche, Diakonie, Innere Mission, BBMeZ steht. Der Kreis von bis zu 25 Fachleuten, arbeitet nämlich unter der irreführenden Überschrift Runder Tisch Menschenhandel, beschäftigte sich aber bislang ausschliesslich mit dem, was gerne mit erotischen und sexuellen Dienstleistungen gleichgesetzt wird, indem es Zwangsprostitution genannt wird, bei dem es strafrechtlich und eigentlich aber um den Menschenhandel in die sexuelle Ausbeutung geht.

Diese Orientierung verwundert nicht, wenn klar ist, dass die öffentlichen Ressourcen, die vorgeblich der Bekämpfung des gesamten Menschenhandels in Bremen gewidmet werden, zu einem wesentlichen Teil an die Bremer Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution vergeben werden, die tatsächlich lediglich Beratung für weibliche Opfer von dem zur Verfügung stellt, was juristisch inkorrekt und Sexarbeit stigmatisierend, von der evangelischen Kirche Bremen, der Diakonie, der Inneren Mission, der BBMeZ und von sogenannten anderen Fachleuten gerne als Zwangsprostitution bezeichnet wird, obwohl es mit Prostitution, die immer eine freiwillige Dienstleistung gegen Entgeld, eine verfassungsrechtlich anerkannte Berufstätigkeit ist, nichts zu tun hat und der juristisch korrekt Begriff Menschenhandel in die sexuelle Ausbeutung zu lauten hat.


ETIKETTENSCHWINDEL

Ein doppelter Etikettenschwindel, den 25 Fachleute, die evangelische Kirche, der Senat und die Bürgerschaft Bremen bis dato betrieben haben. Unter der erotische und sexuelle Dienstleistungen diffamierenden Überschrift Zwangsprostitution (Eitketttenschwindel 1) und der irreführenden Überschrift Menschenhandel, die tatsächlich nur den Aspekt der sexuellen und nicht den der Arbeitsausbeutung umfasste (Ettikettenschwindel 2) wurde dass, was die EU laut obigen Artikel zum Ausmaß von (schwerer) Arbeitsausbeutung festhält, in Bremen -aus öffentlichen Mitteln gefördert- unter den Tisch gekehrt. Wir wissen «Sex sells better», wenn es darum geht, klamme Kirchenkassen zu füllen, linientreues Personal mit einem Einkommen zu versorgen und sich selbst nicht nur als Samariter*innen gefallener Frauen, sondern als die Inkarnation des Guten und Gerechten zu profilieren, während die Mitgliederbasis und die Kirchensteuereinnahmen schrumpfen. Ein interessanter Ansatz vielleicht, diesen Gedanken im Sinne der Sexismuskritik gegen christliche Institutionen fortzusetzen.

Was soll man nun von den 25 Fachleuten halten, die den doppelten Ettikettenschwindel über mehr als ein Jahrzehnt betrieben, gedeckt, ignoriert oder nicht bemerkt haben? Kleinlaut dazu die Diakonie und die Polizei Bremen:

",Das Thema rückt gerade erst ins öffentliche Bewusstsein‘, sagt Fachfrau Nicola Dreke von der Diakonie. Das bestätigt auch die Polizei: ,,Verfahren wegen Menschenhandels in Verbindung mit Arbeitsausbeutung wurden in Bremen und Bremerhaven bislang noch nicht eingeleitet‘, sagt Kriminalkommissar Weisner." (Weser Kurier vom 24.09.2013, S. 7, Menschenhandel nimmt zu, von Antje Stürmann).

NaJa, wenn die Einleitung des Kampfes gegen auch diese Form des Menschenhandels von dem wichtigsten Fachgremium Bremens, vom Bremer Senat und der Bremer Bürgerschaft bis zu diesem Zeitpunkt nicht in Erwägung gezogen worden ist, und das Kaninchen nur auf die Zwangsprostitution gestarrt hat, dann wundert es nicht, dass die sicher nicht wenigen vor allem die männlichen «Arbeits-Stricher» dem Menschenhandel in die Arbeitsausbeutung, in Ignoranz der Problematik -macht nichts, sind nur Männer- „unbemerkt“ übereignet wurden.

Ein Beitrag zu dieser Gender-Blindheit, der zumeist sich "gleichstellungspolitisch", "femministisch" gebenden sogennanten Fachkräfte, könnte in der programmatischen Festlegung der evangelischen Kirche, Diakonie, Inneren Mission, BBMeZ liegen, nur weibliche Betroffene von Menschenhandel, und die auch nur wenn sie betroffene von sexueller Ausbeutung waren und die im wesentlichen nur, wenn sie von der Polizei an die BBMeZ überführt wurden, liegen.

«Sex sells better», das hatten wir schon und mit der tückischen Schlange Zwangsprostitution kann dem Kaninchen Wählerschaft vielleicht auch die Zustimmung zur Parole "Mit unserer Liberalität sind wir auf dem Holzweg" (Senator Mäurer, WK v. 26.11.2013, Problem Zwangsprostitution") entlockt werden. Das Thema Kampf gegen die Arbeitsausbeutung hingegen, könnte Wählerstimmen bei denen kosten, die zur Wahl gehen, den Besserverdienenden.

Und nur noch nebenbei sei erwähnt, die oben genannte BBMeZ, als die damals leitende des Runden Tisches Menschenhandel Bremen, wurde von uns in zwei Mails (16. und 21.01.2013) zum Thema Verengung der politischen Aktivitäten auf den Kampf lediglich gegen den Menschenhandel in die sexuelle Ausbeutung hingewiesen. Wir schrieben:

"Im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Menschenhandels vertreten wir Positionen, die sich nicht ausschliesslich auf den Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung beziehen. ... Die Engführung des Themas auf den Bereich der Opfer in der Sexarbeit und der Verbesserung polizeilicher Zugriffsrechte erscheint uns eher als diskriminierender Ansatz gegenüber der Sexarbeit."


ARMUTSZEUGNIS

Der neue Senat sollte die Vernachlässigung der Rechte von Menschen, die in Bremen (schwerer) Arbeitsausbeutung unterliegen, wie sie bisher Amtspraxis und Praxis des 25 köpfigen Fachkräfteteams des Runden Tisches Menschenhandel war, beenden. Die sogenannten Fachkräfte, die sich soweit mir bekannt, seit 2002, am sogenannten Runden Tisch Menschenhandel versammelt haben, sollten mit sich und ihrer Fachkompetenz in sich gehen und am besten dort bleiben. Der Senat, die Bürgerschaft und die sich gegenseitig Referenzen ausstellenden sogenannten Fachkräfte, sie haben sich über mehr als zehn Jahre das Armutszeugnis «Menschenhandel in die Arbeitsausbeutung? - Ja Bitte!» ausgestellt.

Darüber täuscht auch das Strohfeuer des Projektes «Only an informed Person is a protected one - Wer informiert ist, ist gechützt» (Herausgeber: AIDRom, Halmeu Street Nr. 12, 021118, Sector 2, Bukarest, Rumänien, Europäische Kommission, General Home Affairs, 2011), das, aus EU Mitteln finanziert, auch in Bremen durchgeführt wurde, nicht hinweg. Es hat institutionell, obwohl auch unter dem Dach der Diakonie Bremens platziert, nichts bewirkt. Eine Tatsache, die das Aussmaß der ressentimentgeladenen und ideologiegetragenen Engführung der Menschenhandelsdebatte in dem, was Bremer Eliten zu nennen ist, erschreckend aufscheinen läßt. (Nachtrag: siehe auch p.s. unten)

Klaus Fricke
für SIB-SWinfBremen@gmx.de

p.s.
"Um rumänischen Sexarbeitenden zu ermöglichen, informierte, also geschützte Personen in eigener Sache zu sein, gehört es zum Konzept des
Haus9 ... Übersetzungen zur Verfügung zu stellen. Ein Konzept, dem amtlicherseits in Bremen nicht gefolgt wird. Mit dem Hinweis auf fehlende Sprachkompetenz, wird zwar von Gefährdung aufgrund mangelnder Informiertheit gesprochen, die Gefährdung also richtig diagnostiziert, aber zugleich in diesem amtlichen Wissen, durch Unterlassung von Übersetzung, diese Gefährdung amtlich (re-)produziert."
Quelle: http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 529#147529

Klaus Fricke
Nicht mehr aktiv
Beiträge: 1121
Registriert: 05.11.2010, 16:16
Wohnort: Bremen / Sougia - Kreta
Ich bin: Keine Angabe

RE: Zwangsarbeit und Menschenhandel

Beitrag von Klaus Fricke »



Das Thema Arbeitsausbeutung erhält in Bremen derzeit Aufmerksamkeit. Dies mag auch einen Zusammenhang mit der Verbringung in den Sozialhilfebezug zewcks Ausbeutung haben, die in Bremerhaven wohl 1.000 Betroffene umfasst .

Ein weiterer Artikel zur Thematik findet sich heute im Weser-Kurier

Quelle: http://www.weser-kurier.de/region_artik ... 59925.html



Kritik von Kirchen und Gewerkschaft
Ausbeutung in der Fleischbranche nimmt kein Ende

Silke Looden 18.09.2016 1 Kommentar

Vor einem Jahr hat sich die Fleischbranche verpflichtet, die Situation der Arbeiter in den Schlacht- und Zerlegebetrieben zu verbessern. Zum Besseren geändert hat sich wenig

„Es hat sich nichts geändert“, sagt Prälat Peter Kossen, Vertreter der katholischen Kirche im Oldenburger Land. Der Kirchenmann beklagt nach wie vor eine massive Ausbeutung von Arbeitern aus Osteuropa. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Ernährungsindustrie in Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt, E. Michael Andritzky indes betont, die Branche habe ihre Versprechen gehalten.

„Alles Lippenbekenntnisse“, sagt Kossen. Es gebe zu viele Schlupflöcher, den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde zu umgehen. Dies bestätigt Arbeitsrechtler Johannes Brinkhus aus Bakum (Landkreis Vechta). Er engagiert sich beim „Netzwerk für Menschenwürde in der Arbeitswelt“. Jeden Freitag kommen im Schnitt 20 Betroffene aus der Fleischbranche zu ihm. Der Anwalt berichtet von unbezahlten Überstunden, von Abzügen für die Reinigung der Berufskleidung oder das Ausleihen von Werkzeugen (Messergeld), von Mietwucher in den Unterkünften. Wenn alles nicht helfe, werde einfach die Bandgeschwindigkeit erhöht, so Brinkhus. Häufig mündeten die Beratungen in Arbeitsgerichtsverfahren, manchmal reiche auch ein Schreiben an den Arbeitgeber. „Diese Menschen haben keine Lobby“, erklärt Brinkhus sein unentgeltliches Engagement.

Nach Gewerkschaftsangaben ist die Quote der Fremdarbeiter in der Branche nach wie vor hoch. Der Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) für die Region Oldenburg/Ostfriesland, Matthias Brümmer, berichtet von Fremdarbeiterquoten zwischen 60 bei Vion und 90 Prozent bei Weidemark in Sögel. Lediglich bei Wiesenhof in Lohne habe sich das Verhältnis von Fremdarbeitern zur Stammbelegschaft durch den Großbrand umgekehrt, weil es für Werkvertragsarbeitnehmer schlicht keine Arbeit mehr gab. Danish Crown erklärt, dass die Firma den Anteil der Stammbelegschaft von derzeit 30 Prozent im Schlachthof in Essen/Oldenburg gern erhöhen würde, aber keine geeigneten Bewerber finde. Sprecher Jens Hansen: „Es gibt nicht viele Deutsche, die in einem Schlachthof arbeiten wollen.“ Wiesenhof und Heidemark erklären, dass sich die Quote um vier beziehungsweise fünf bis zehn erhöht habe. Wie hoch der Anteil der Fremdarbeiter tatsächlich ist, sagen sie nicht.

„Die Ausnahme ist zur Regel geworden.
Leiharbeit wird aus Profitgier missbraucht.“

Ludger Heuer, Sprecher des bischöflichen Offizialats in Vechta

Der Sprecher des bischöflichen Offizialats in Vechta, Ludger Heuer, geht es vor allem um den Missbrauch der Leiharbeit: „Leiharbeit wurde eingeführt, um Produktionsspitzen abzufangen. Normal wäre also ein Anteil von 20 Prozent. Tatsächlich aber ist die Stammbelegschaft auf 20 Prozent geschrumpft. Die Ausnahme ist zur Regel geworden. Leiharbeit wird aus Profitgier missbraucht.“

E. Michael Andritzky vom Verband der Ernährungsindustrie dementiert: „20 Prozent Stammbelegschaft. Das geht an der Realität vorbei.“ Genaue Zahlen aber will auch er nicht nennen: „Wir haben nie eine feste Quote versprochen.“

Entscheidend sei doch, dass alle 80.000 Beschäftigten in der Fleischbranche den Mindestlohn erhalten, egal ob Festangestellte oder Beschäftigte von Subunternehmern, meint die Hauptgeschäftsführerin der Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss (ANG), Valerie Holsboer.Sie betont, dass der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei Ausbeinern, Zerlegern, Kopf- und Lohnschlachtern im vergangenen Jahr um 70 Prozent gestiegen sei – und Entsendungen von ausländischen Arbeitern gebe es gar nicht mehr.

Gewerkschafter Brümmer hat eine andere Beobachtung gemacht: „Aus Leiharbeitern werden Werkvertragsarbeitnehmer.“ Werkverträge wiederum fallen nicht unter die Lohn-, sondern unter die Sachkosten. Firmen mit einem hohen Energieverbrauch profitieren davon, weil sie von der Umlage für Erneuerbare Energien befreit werden, und Fleischfirmen haben allein schon wegen der Kühlung hohe Energiekosten. Brümmer: „Die Rechnung zahlen wir am Ende alle.“

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will den Missbrauch von Leiharbeit per Gesetz eindämmen. Künftig sollen Leiharbeiter nach neun Monaten gleichen Lohn erhalten wie die Stammbelegschaft und maximal für 18 Monate beschäftigt werden. „Das Gesetz geht an der Realität vorbei“, sagt die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Landkreis Vechta, Audra Brinkhus-Saltys. Die meisten Wanderarbeiter würden ohnehin nur für ein halbes Jahr beschäftigt und dann an das nächste Unternehmen weiter vermittelt.

Die NGG fordert denn auch, den Anteil von Leiharbeitern auf fünf Prozent zu begrenzen. Für Valerie Holsboer ist eine solche Quote unrealistisch: „Wir finden nicht genug deutsche Arbeiter.“ Das Argument kann Matthias Brümmer nicht nachvollziehen: „Wir haben Freizügigkeit in Europa. Warum werden Rumänen nicht regulär eingestellt?“

Werkvertrags- und Leiharbeiter, so Prälat Kossen, seien der Willkür und Gier krimineller Subunternehmer schutzlos ausgeliefert. „Unternehmen, die diese Ausbeutung zulassen, machen sich mitschuldig“, betont der Kirchenmann und lenkt den Blick auf die teils unwürdige Wohnsituation der Arbeiter. Diese zahlten nicht selten ein Kopfgeld von 250 Euro im Monat für eine Unterkunft in einem Mehrbettzimmer. Kirche und Gewerkschaften fordern die Kommunen auf, mehr und vor allem unangekündigt zu kontrollieren sowie Verstöße hart zu sanktionieren. Den Landkreisen aber, die teils eigene Vorschriften für die Unterbringung von Wanderarbeitern erlassen haben, fehle es häufig an Personal, weiß die Kirchenvertretung. Eine der größten Unterkünfte im Oldenburger Münsterland ist der ehemalige Fliegerhorst Ahlhorn. Betreiber Obstbauer Ulrich Osterloh aus Visbek (Landkreis Vechta) bringt dort seine Erntehelfer unter, vermietet aber auch an Arbeiter aus der Fleischbranche. Mieter zahlen inklusive Verpflegung 9,80 Euro am Tag.

Details über die Umsetzung der Selbstverpflichtung in der Fleischbranche wollen die Arbeitgeber am 28. September beim zweiten Fleischgipfel in Berlin bekanntgeben. Bis zu dem Treffen mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wurde Stillschweigen vereinbart.