Ist eine Zusammenarbeit unter Sexworkern machbar?

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Tommy
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Ist eine Zusammenarbeit unter Sexworkern machbar?

Beitrag von Tommy »

Ich habe das Topic hier geteilt, weil es nicht ganz zu "Feedback" paßte und sicher noch eine Interessante Diskussion werden kann.

Alles Gute,
Elisabeth (admin)
ms9 hat geschrieben:...Liegt aber vielleicht auch gar nicht am Forum, sondern schlicht daran, dass in Eurem Biz der Konkurrenzkampf stärker als die Solidarität ist.
Hi ms9,

Mit dieser Vermutung liegst Du, glaube ich, ziemlich richtig.
Nicht wenige Vertreterinnen der Branche haben vermutlich nicht das geringste Interesse an jeglicher Verbesserung der Lebens- und Arbeitsumstände des Mitbewerbs.
Im Gegenteil:
Je rutschiger das Parkett, auf dem sich die Konkurrenz abstrudelt, insbesondere die Migrantinnen und Illegalen, umso besser!
Aus der Sicht der Eingeborenen und Alteingesessenen ist dies durchaus verständlich, zumal die Brötchen im Sexbusiness heute nicht mehr ganz so locker verdient werden, wie noch vor einigen Jahren - und demgegenüber der Konkurrenzdruck infolge breiteren Angebots unvergleichlich grösser ist.
Das Hemd ist einem nun mal näher als der Rock, ich kann das gut nachvollziehen - und als unmittelbar Betroffene würde ich wahrscheinlich nicht anders denken!

Andererseits hegt so manche Branchenangehörige zweifelsohne gewisse Ressentiments gegen die eine oder andere Anwesende hier.
"Na, wenn die auch hier schreibt, dann können's mich vergessen", höre ich bestimmte Ladies unken.
Das ist leider so, und an derlei branchenüblichen Animositäten und Voreingenommenheiten ist leider kaum was zu ändern.
Macht aber nix, denn von dieser Clique wäre soundso kein konstruktiver Beitrag zu erwarten...

LG, Tommy

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ms9
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Re: Farben, Berichte, Forumsteilnahme

Beitrag von ms9 »

Tommy hat geschrieben:...Nicht wenige Vertreterinnen der Branche haben vermutlich nicht das geringste Interesse ....
Nachdem was ich so in einigen Foren mitbekommen haben scheint ja auch das Verhältnis der Anbieter (besonders im Escort-Segment) nicht gerade auf Kooperation angelegt (das ist jetzt sehr vornehm formuliert). Ein paar Kooperationen die ich in der lezten Zeit beobachten konnte sind meist nach wenigen Monaten mehr oder weniger lautstark zerbrochen.

Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Agenturbetreiber den regen Meinungstausch zwischen den Mädchen unterschiedlicher Agenturen auch nicht gerne sehen (z.B. wegen der Abwerbegefahr, Angst vor einer Art "Gewerkschaftsbildung", etc.). Es gibt sogar einen Agenturbetreiber der eine Prämie für erfolgreiche Abwerbungen durch Kunden ausgelobt hat.

Scheint mir schon etwas Besonderes in diesem Biz zu sein, weil sich da halt viel ausserhalb der Legalität oder zumindest in einer Grauzone abspielt. Im Moment zumindest ist der Kunde "der lachende Dritte".

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Lovara
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Beitrag von Lovara »

@ms9:

selbst auf die gefahr hin gesteinigt zu werden.
aber auf längere sicht gesehen, wäre eine "gewerkschaftsbildung" und der damit verbundene "kollektivertrag" wünschenswert.
erstens würden die schwarzen schaffe ausgemertzt und zweitens gäbe es endlich eine einheitliche richtung, somit gäbe es endlich eine richtige entwicklung in die legalität.
lg LOVARA
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ms9
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Gewerkschaftsbildung

Beitrag von ms9 »

Lovara hat geschrieben:...eine "gewerkschaftsbildung" und der damit verbundene "kollektivertrag" ....
Ich nehme an, dass sich heute kein Teil der Gewerkschaftsorganisation für zuständig hält, weil in den meisten Fällen rechtlich keine "unselbständie Erwerbstätkeit" vorliegt.

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Elisabeth
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Beitrag von Elisabeth »

Eine öffentliche Gewerkschaft wird nicht funktionieren, solange die meisten SW den Job aus Angst vor Problemen im späteren Leben nicht anmelden bzw. versteuern, mal von der Selbstständigkeits-Problematik abgesehen.
Wie sieht das in Deutschland mit ver.di aus? Diese Gewerkschaft hat sich der Sexarbeiter "angenommen". Über die Mitgliedszahlen habe ich keine Infos und auch nicht darüber, ob nur Angstellte dabei sein dürfen.
Und dann hätten Kunden und "Arbeitgeber" im Business kurzfristig betrachtet (und weiter denken nur die allerwenigsten) nur Nachteile von so einem oder einem vergleichbaren Zusammenschluss, nämlich Preisabsprachen, das Ende von gesundheitsgefährdenden Ohne-Services, weniger Macht über die Frauen.

Also, wenn wir mal soweit sind, dass die Vernunft über das Konkurrenzdenken siegt, wie könnte man eine Gewerkschaft dann realisieren?

Achja, das Konkurrenzdenken ist Kunden und Arbeitgebern halt auch nur Recht.

Alles Liebe,
Elisabeth
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Elisabeth
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Beitrag von Elisabeth »

http://www.iusw.org/ - internationale gewerkschaft der sexworker
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Heinrich
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Ist eine Zusammenarbeit unter Sexworkern machbar?

Beitrag von Heinrich »

Hallo Gemeinde,

wie Elisabeth zutreffend anmerkt, gibt es in Deutschland inzwischen eine Gewerkschaft für Sexworker. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di vertritt angestellte Sexworker. Auf der Website von ver.di gibt es dazu auch schon ein eigenes Portal: Arbeitsplatz Prostitution (http://www.arbeitsplatz-prostitution.de/). Soweit ich weiß, hat ver.di noch nicht viele Mitglieder gewinnen können. Die Ursache wird darin vermutet, dass viele Sexworker freiberuflich tätig sind.

Für Selbstständige gibt es inzwischen in Deutschland den Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen e.V. (http://www.busd.de/). Dieser Verband nimmt sowohl Arbeitgeber (z. B. Bordell- und Agenturbetreiber) wie auch freiberuflich tätige „Einzelkämpferinnen“ (oder „Einzelkämpfer“) auf. Hier sehe ich aber ein großes Problem: Da viele Sexworker freiberuflich mit Clubs oder Agenturen zusammenarbeiten, deutet sich hier ein Interessenkonflikt innerhalb des Verbandes an. Sauberer wäre es, wenn es für die Freiberufler/innen einen eigenen Verband gäbe.

Ob es in Österreich Aktivitäten zur Bildung von Gewerkschaften und Verbänden gibt, ist mir nicht bekannt. Falls bei den Sexworkern in Österreich das Bedürfnis besteht sich zu organisieren, ist die Gründung einer Gewerkschaft oder eines Verbandes eine Kleinigkeit. Es muss sich dazu lediglich eine Gruppe von Sexworkern zusammenfinden (z. B. über dieses Forum). Die Gründung einer Gewerkschaft oder eines Verbandes kann man nicht verbieten oder unterbinden. Es gibt momentan in vielen Ländern solche Initiativen. Gerade kürzlich habe ich gelesen, in Venezuela werde eine Gewerkschaft für Sexworker gegründet.

Liebe Grüße
Heinrich

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ex-oberelfe
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Bildung einer Union oder Gewerkschaft in Österreich

Beitrag von ex-oberelfe »

Also ich denke, dieses Ziel ist gar nicht mehr so weit weg, wie es zur Zeit noch scheint.
Es gibt mittlerweile in 6 Ländern Europas schon eine Sexworker-Gewerkschaft und es ist nur mehr eine Frage der Zeit, bis es bei uns auch so weit ist.
Es gibt einige Organisationen, die sich jetzt schon für eine derartige Gewerkschaft einsetzen und ich kann euch gerne darüber in den nächsten Wochen mehr berichten.
Liebe Grüße
Die Oberelfe :-)
<i>::: Jasmin war SexarbeiterIn, später BetreiberIn und bis Ende 2010 für das Sexworker Forum mit besonderen Engagement in der Öffentlichkeitsarbeit tätig :::</i>