"A Stripper's Closet" gegen Stigmatisierung in der Sexarbeit

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deernhh
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"A Stripper's Closet" gegen Stigmatisierung in der Sexarbeit

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Performance "A Stripper's Closet" (Foto: geiler.scheiss.)
Debatte um käuflichen Sex

„A Stripper's Closet” in Heilbronn: Auf der Bühne gegen Stigmatisierung kämpfen

Stand
23.4.2024, 16:30 Uhr
Steffen König

Deutschland sei zum Bordell Europas geworden, meinte unlängst CSU-Politikerin Dorothee Bär. Sie fordern, den Kauf sexueller Handlungen unter Strafe zu stellen. Die Macher*innen von „A Stripper's Closet” halten dagegen: Sexarbeit ist für sie ein Beruf wie jeder andere auch. In der Debatte fordern sie mehr Sachlichkeit. Aktuell stehen sie in Heilbronn auf der Bühne.

Performance "A Stripper's Closet"
Sexarbeit als Performance auf dem Theaterschiff Heilbronn
5 Min

„Es wird oft über uns gesprochen”
Es gibt unzählige Klischees über Menschen, die für Geld ihre Körper verkaufen. Dabei sind ihre Charaktere und Biografien genauso mannigfaltig wie in jedem anderen Berufsfeld auch. Doch dem ältesten Gewerbe der Welt haftet bis heute der Nimbus des Verwerflichen und Sündhaften an.

Die Betroffenen fühlen sich dadurch missverstanden und sind frustriert, dass ihre Perspektive beim politischen Diskurs häufig außen vor bleibt. Viele der ins Feld geführten Argumente gehen an ihrer Lebenswirklichkeit vorbei.

Es wird oft über uns gesprochen. Das Ziel unserer Show ist es, unsere eigenen Geschichten zu erzählen, um zu entstigmatisieren.

Alice La Douce, Performance-Künstlerin und ehemalige Sexarbeiterin

In Heilbronn stehen bei der Performance „A Stripper's Closet” drei dieser Betroffenen auf der Bühne des Theaterschiffs. Kennengelernt haben sie sich über das Berlin Strippers Collective. Die Bühne nutzen sie als Plattform für ihre Kunst und für ihre Perspektive zum viel diskutierten Umgang mit Sexarbeitenden in unserer Gesellschaft.

„A Stripper's Closet” in Heilbronn
Die drei Künstler*innen präsentieren in ihrem Stück „A Stripper's Closet” eine vielschichtige Mischung aus Langeweile, Glück, Lust, Community und der Kunst, die Miete zu bezahlen. Sie präsentieren Geschichten, die zum Lachen und Nachdenken einladen. Dabei liefern ihre gelebten Erfahrungen Einblicke in eine Branche, die oft verurteilt und selten verstanden wird.

Premiere am 12. April 2024 im Theaterschiff Heilbronn (Neckarstraße 31, 74072 Heilbronn). Weitere Aufführungen bis 13. Juli 2024.

Freiheit der Sexarbeit ist eine Frage körperlicher Selbstbestimmung

Für River Roux ist die Debatte um Sexarbeit eng verbunden mit der Debatte um die körperliche Selbstbestimmung von Frauen und Männern. Sie findet, dass Sexarbeit nicht als legitimer Beruf wahrgenommen und gesellschaftlich akzeptiert wird, weil „die körperliche Selbstbestimmung von Frauen nicht anerkannt wird. Dass uns nicht zugesprochen wird, selbst zu entscheiden, was wir mit unseren Körpern wann, wofür und mit wem tun.”

Performance "A Stripper's Closet" (Foto: geiler.scheiss.)
Striptease trifft Kabarett: Die Performer*innen bieten in ihrer Aufführung einen Blick hinter die Kulissen der Sexarbeit.
Ginge es nach River Roux, sollte sich das schleunigst ändern. Es gehe den Performer*innen vor allem darum, dass ihre Perspektive bei der Frage nach dem gesellschaftlichen Umgang mit Sexarbeit gehört wird.

„Wir bringen die Leute dazu, unser Leben besser zu verstehen, in all seiner Komplexität”, sagt auch Performance-Künstlerin Mia Onacid, „die meisten unserer Themen sind letztlich gar nicht so fremd und anders als die Anliegen anderer Beschäftigter.” „Damit”, ergänzt River Roux, „setzen wir der Dehumanisierung, die in den Medien passiert, etwas entgegen.”

Entkrimininalisierung keine Meinungsfrage, sondern eine Notwendigkeit
Am meisten mache es ihr zu schaffen, dass die Diskussion schon im Kern falsch geführt werde, erklärt River Roux. Das Thema müsse abseits von Meinungsbeiträgen behandelt werden. Im Vordergrund dürfe eben nicht die Frage stehen, ob man Sexarbeit moralisch gut oder schlecht findet. Für die Entscheidungsfindung sei ausschließlich die Auswertung von Fakten relevant.

Diese zeigen eins ganz klar, sagt River Roux: „Dass die vollständige Dekriminalisierung zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen, gesundheitlichen und sozialen Situation von Sexarbeiter*innen führt. Und daher ist das keine Meinungsfrage, sondern eine Notwendigkeit.”

Performance "A Stripper's Closet" (Foto: geiler.scheiss.)
Für Performerin River Roux (rechts) ist die vollständige Entkriminialisierung von Sexarbeit eine Notwendigkeit. Mit ihren Auftritten will sie der Entmenschlichung von Sexarbeiterinnen etwas entgegensetzen.
Die Interpretation der Studien ist aber, wie so oft, von der politischen Agenda der Interpretierenden geprägt. Dass Zwangsprostitution, Menschenhandel und prekäre Sexarbeit gezielt bekämpften werden müssen, sei dabei selbstverständlich. Aber die drei Performerinnen wollen nicht länger als Opfer gesehen werden, sondern als selbstbestimmte Berufstätige.

Sexarbeit: Ein Beruf wie jeder andere?
Der politische Diskurs wird nach Meinung der Betroffenen über die Köpfe der Sexarbeitenden hinweg geführt, aber gleichzeitig auf ihrem Rücken ausgetragen. Das könne sich erst ändern, wenn Sexarbeit als legitime Erwerbstätigkeit anerkannt werde.

Diese Vorschläge für eine Reform der Gesetzeslage stehen im Raum
Die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen ist in Deutschland seit 2001 grundsätzlich straffrei, abgesehen von wenigen Ausnahmefällen. Außerdem wurde 2016 das Prostituiertenschutzgesetz erlassen. Es sieht neben Beratungsgesprächen eine Meldepflicht für Sexarbeiterinnen, Kondompflicht und verschärfte Regeln für Bordellbetreibende vor.



Folgende Gesetzesreformen werden aktuell diskutiert:

Nordisches Modell: Käuflicher Sex muss verboten werden
Politiker*innen fordern, die geltenden Gesetze durch das „Nordische Modell“ abzulösen. Der Kauf von Sex würde dadurch kriminalisiert werden, bestraft werden sollen allerdings die Kunden und nicht die Prostituierten, die Sex anbieten.

Dadurch sollen die Sicherheit und Gesundheit der Sexarbeiter*innen verbessert werden. Das Modell sieht auch Unterstützung beim Ausstieg aus der Prostitution vor. Das Ziel des Vorschlags ist es, die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen zu reduzieren und durch die Einschränkung der Sexarbeit den Menschenhandel einzudämmen.

Sexarbeit kann freiwillig sein und muss auch so behandelt werden
Dem halten Kritiker*innen entgegen, dass das Nordische Modell die sexuelle Selbstbestimmung sowohl der Sexarbeiter*innen als auch der Kund*innen einschränke. Außerdem befürchten sie, dass die Kriminalisierung der Freier dazu führen könnte, dass Sexarbeiterinnen gefährlichere Arbeitsbedingungen akzeptieren, um unentdeckt zu bleiben.

Das Nordische Modell würde, so eine weitere Sorge, die Stigmatisierung und Diskriminierung gegenüber Sexarbeiter*innen sogar noch verstärken statt ihre Rechte zu schützen.



Nur dann können auch die gleichen sinnvollen Regelungen zum Schutz vor arbeitsbedingten Sicherheits- und Gesundheitsgefährdungen etabliert werden, wie sie in anderen Branchen üblich sind. Das sei im Rahmen der aktuellen Gesetzeslage schlicht nicht gegeben.

Die Frage nach einer angemessenen gesetzlichen Regelung von Sexarbeit ist komplex. Ein objektiver Diskurs häufig durch subjektive moralische Überzeugungen verwässert. Es würde allen Beteiligten gut zu Gesicht stehen, die Betroffenen bei der Suche nach einer sinnvollen Gesetzesgestaltung stärker einzubeziehen.

https://www.swr.de/swrkultur/buehne/a-s ... n-100.html




A Stripper‘s Closet
Do., 27.06.2024 | 20 - 22:10 Uhr
Sexarbeiter*innen sind überall. Sie sind unter uns, doch bemüht, unerkannt zu bleiben. "A Stripper’s Closet" ist eine Ausnahme: Ein Abend voller Geschichten und Striptease.

Die fünf Performer*innen erzählen in ihrem neuen Stück von Langeweile, Glück, Lust, Community und der Kunst, die Miete zu bezahlen. Sie teilen die kleinen Lügen mit dir, die um 5 Uhr morgens zwischen Erfolg und Misserfolg entscheiden. Die fünf ehemaligen und aktuellen Mitglieder des Berlin Stripper‘s Collective weben ein Netz aus Geschichten, Situationen und Überraschungen, die zum Lachen und Reflektieren einladen. Ihre gelebten Erfahrungen bieten Einblick in ein Geschäft, das oft verurteilt und selten verstanden wird.

Alice La Douce, Disco Bitch, Icy Ivy, Mia Onacid und River Roux sind das Team des Stücks "Merry Stripmas – It Only Takes One", das von der Volksbühne Berlin produziert wurde und im Dezember bereits am Theaterschiff Heilbronn gastierte. Sie gestalten Performances, die ausschließlich von Sexarbeiter*innen geschrieben, inszeniert und produziert wurden. Damit holen sie sich ihre eigenen Geschichten zurück.

Von & Mit: Alice La Douce, Disco Bitch, Icy Ivy, Mia Onacid und River Roux
Performance auf Deutsch und Englisch.
Dauer: 140 Minuten (eine Pause)

Theatervorhang
a strippers closet, © River Roux
Preise und Tickets
Preis: 23,00 Euro

Kartenvorverkauf
Tourist-Information Heilbronn
Kaiserstraße 17
74072 Heilbronn
Tel. 07131 56-2270
Fax 07131 56-3349
info(at)heilbronn-marketing.de

Öffnungszeiten
Montag bis Freitag 10 - 18 Uhr
Samstag 10 - 16 Uhr

TICKETS BUCHEN

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Veranstaltungsort
Theaterschiff Heilbronn
Obere Neckarstraße 31
74072 Heilbronn-Innenstadt
Tel. 07131 627579
www.theaterschiff-heilbronn.com

https://www.heilbronn.de/tourismus/vera ... 2ae1ec51ec