23. November 2015 von flohhusten
Über Farbenblindheit und Prostitutionsverbot
Ganz offensichtlich bin ich (noch) nicht ausreichend und zum vollständigen Wohlgefallen “konvertiert”.
Ich habe den Wechsel von der “freiwilligen Sexarbeiterin” zur “Anhängerin des Feminismus” – (besser: von Frau Schwarzer) nicht abgeschlossen.
Von “pro-Sexarbeit” zu “Prostitution verbieten per Gesetz” nicht vollzogen.
Und das werde ich auch nicht.
Ich hatte auf einer Seite, welche sich mit dem “Zusammenhang sexueller Gewalt und Prostitution” befaßt, um Verlinkung meines Blogs gebeten. Aber offensichtlich ist meine Meinung nicht deutlich genug zielorientiert im Sinne des Feminismus. Eine Verlinkung scheint nicht erwünscht.
Aber unsere Gesellschaft; unser Zusammenleben ist nicht nur schwarz-weiß.
Es gibt nicht dieses “nur gut” oder “nur schlecht”.
Jeder Mensch ist ebenso individuell wie sein Empfinden oder seine Bedürfnisse.
Keiner kann, darf und will DIN-genormt sein und sich einfügen in eine Schablone, welche andere Menschen – selbstverständlich “wohlmeinend” – aufzuzwängen versuchen.
– ganz nebenbei: auch das wäre Mißbrauch.
– Ja, ich bin Opfer von sexueller, körperlicher und emotionaler Mißhandlung und Gewalt in der Kindheit.
– Ja, dieser Umstand ermöglichte es meinem ersten Ehemann, mich letztlich durch emotionale Erpressung und Gewalt in die Prostitution zu manipulieren.
– Ja, mein Anfang in der Sexarbeit war hin und wieder auch mit Gewalt, bzw. übergriffigem Verhalten von Freiern gespickt. Was letztlich an meiner Unerfahrenheit lag und auch daran, dass man mir ab-erzogen hatte, nein zu sagen.
– Ja, ich wäre sicherlich lieber “etwas anderes geworden”
und
wenn ich früher und sinnvollere Hilfe bekommen hätte
wenn Menschen genauer hingesehen hätten
Menschen besser zugehört hätten
Menschen nicht so feige gewesen wären
Menschen das Richtige getan hätten
– dann wäre ich nicht in meinem familiären Mißbrauch verblieben, bis ich 16 war.
Dann wäre ich auch nicht in ein Mädchenheim gekommen, welches Stadtplaner ausgerechnet an der Straße des örtlichen Babystrichs eingerichtet hatten.
Und dann hätte das Jugendamt auch nicht – entgegen ihrer eigenen Warnungen!!! – zugestimmt, dass ich bereits mit 17 Jahren zu jenem Mann ziehe, der mich dann endgültig in die Prostitution beförderte.
Selbst bei meiner Scheidung ging es nicht darum, den Faktor “Gewalt in der Ehe” zu klären oder herauszufinden, ob auch an meinem Kind Mißbrauch stattgefunden hatte.
Oder um eine Bestrafung dieser Gewalt.
Es ging um eine möglichst unkomplizierte und schnelle Möglichkeit, dieses Problem; dieses Thema vom Tisch zu bekommen – ohne gezwungen zu sein, genau hin zu sehen.
Diese Themen wurden kurzerhand ausgeblendet und weg gewischt.
Hilfe kam – bei einem erst garnicht existenten Thema – somit nicht zur Sprache.
Diese Vorgeschichte wäre durch ein Prostitutions-Verbot dennoch passiert.
Kein Gesetz – ja, es hätte ausreichend davon damals bereits gegeben – fand Anwendung; wurde geprüft; hatte genutzt.
So war mein Leben ab meinem 4. Geburtstag von Erwachsenen-Sexualität überflutet.
Ich hatte Kontakt zum Erotik-Gewerbe seit meinem 16. Lebensjahr.
Kontakt zum Jugendamt
Zu Hilfsorganisationen
Zu Psychologen
Zur Rentenkasse
Dem Arbeitsamt
Der Kirche
…
Abgesehen von ganz wenigen, einzelnen Menschen, war die Unterstützung meist so kurzfristig, knapp und finanzsparend wie möglich; vielmehr schlicht “nicht vorhanden”.
Damit befassen; sich einlassen; verstehen; begreifen und effektiv zu helfen, um gravierende, positive und dauerhafte Verbesserungen zu erreichen – das scheint weder bei Mitarbeitern von Hilfestellen, noch in deren Budget, noch von Gesetz wegen von Interesse zu sein.
Der Mensch; der Hilfebrauchende, wird mit geringstmöglichem Aufwand abgespeißt und abgeschoben. Und kann gucken, wie er es alleine schafft.
Letztlich waren es meine Freier und Gäste, welche mir all das gaben und vermittelten, was Gesetze und Hilfsstellen mir verweigerten.
– trotz völlig anderslautender Aushängeschilder und Vorgaben.
Drauf geschissen…..
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Alleine durch die Sexarbeit; die Prostitution, war es mir möglich, finanziell gesichert zu sein, wenn auch – aufgrund meines Gesundheitsbewußtseins – gewiß nicht in übergroßem Maß. Aber es war mir möglich, meine Schulden zu bezahlen und mein Kind groß zu ziehen.
Durch die Sexarbeit hatte ich eine Art soziales Umfeld – Freunde gab es in meinem Leben keine.
Durch die Sexarbeit hatte ich Menschen um mich, welche mir meine Grenzen bemerkbar; fühlbar; sichtbar machten – teilweise in guten, wertvollen Gesprächen und achtsamem Umgang.
Teilweise aber auch dadurch, dass sie mich an eben jene Grenzen brachten; sie mich fühlen ließen; mich bemerken ließen, dass ich etwas ganz sicher nicht möchte.
Letztere zwangen mich auch durch ihr übergriffiges Verhalten zu lernen, nein zu sagen. Mich zu wehren. Mich zu formulieren und zu artikulieren.
Die Sexarbeit zeigte mir viele Facetten des Lebens; des “Normal-seins”. Sie machte mich offen, tolerant, verständnisvoll, geduldig, mitfühlend.
Meine Gäste zeigten mir das Fühlen – welches mir durch meine Gewalterfahrungen früh abhanden gekommen war.
Die Zartheit; Verletzlichkeit; Bedürftigkeit einer Seele; Warmherzigkeit
Einsamkeit; Traurigkeit; Ausgegrenztheit; Unverstandenheit; die Ignoranz und Intoleranz unserer Gesellschaft.
Auch die Unersättlichkeit, die Gier, den Hunger nach Macht, des “sich-über-andere-erheben-Wollens”, die Maßlosigkeit, den Egoismus, die Härte, die Dummheit und die Unverfrorenheit.
Ich lernte mich selbst kennen und zu unterscheiden, was ich in meinem Leben möchte – und was nicht.
Ich lernte meine Begabungen kennen – wie Kreativität, das Schreiben, das Zuhören, das mich-einfühlen-Können u.a.
Ich kann gut organisieren, ich bin zuverlässig, pünktlich, ehrlich, authentisch, vertrauenswürdig, warmherzig, freundlich.
– aber auch ganz heftig ekelhaft, widerlich, brutal, deutlich, laut, hasserfüllt, rücksichtslos…. sobald mir ein Mensch ebenfalls diese, seine Gefühle entgegen bringt.
– all das habe ich erst durch meine Tätigkeit gelernt.
Der “Wert” der Sexarbeit definiert sich für mich persönlich also nicht am Umsatz, sondern daran, was ich durch diese Tätigkeit; all die Begegnungen mit Menschen und deren Abgründen für mich, mein Leben und meine Seele hieraus an Erkenntnissen gewonnen habe.
Und die Erkenntnisse sind unbezahlbar.
Ich wünschte, auch andere Menschen können dies von ihrer Arbeit behaupten und deren Essenz bereichert sie nicht (nur) auf dem Konto, sondern vor allem im Herzen.
Und nun bin ich gerade durch die Sexarbeit, der Sexarbeit entwachsen.
Ich habe so vieles dadurch gelernt, dass in meinem Leben nun neue Themen anstehen und ich wieder ausgeliefert bin an “die Gesellschaft”; all ihre Gesetze und weitere Hilfe dieser Helferstellen.
Gutmenschen widern mich an.
Diese Menschen, die nicht helfen um zu helfen, sondern nur
um selbst als selbstlose, großherzige Helden dazustehen.
Weil sie unersättlich sind nach dem Beifall der Gesellschaft.
Und es “gut-meinen” – aber nicht gut sind.
“Die Gesellschaft”; unsere Gesetze, haben mich vollkommen im Stich gelassen.
Sie griffen nicht.
Sie halfen nicht.
Sie nutzen nicht.
Und nun denken da ein paar Menschen, wenn es nun neue Gesetze; mehr Gesetze, andere Gesetze gibt – dann wird alles gut?!
Ein Prostitutionsverbot sei die Lösung all unserer Probleme?!
Wie soll das funktionieren?
Waren es nicht ausgerechnet und gerade Gesetze, die schon mein gesamtes Leben nicht genutzt hatten???
Und auch im Leben anderer Menschen nichts nutzen?!
Sind es nicht gerade die Gesetze, welche eine Art von Ruhekissen; von Stillstand und Fremdverantwortung erschaffen, um sich aus der Selbstverantwortung zu schleichen?
Sich zu verpissen, wenn es unbequem wird und alles abzuschieben auf andere?
Auf “Gesetze” zu verweisen und zu sagen “Ich bin nicht zuständig”???
Wenn Menschen damit beginnen würden, sich wieder mehr an die eigene Nase zu fassen…
Sich selbst zu fragen, was sie denn tun könnten, damit eine Sache gut wird
In sich hineinzufühlen und sich zu fragen, wie es ihnen denn selbst ginge, in solcher Lage
Was sie sich in dieser Lage wohl selbst wünschen würden
Was sie wohl brauchen würden
Und sie würden sich fragen, was sie denn nun, aktuell, tun könnten um die Situation des anderen deutlich zu verbessern
Wenn Menschen sich fragen würden, ob sie all jenes, das sie an sich raffen (ob Geld, Waren, Gefühle, u.a.) wirklich brauchen
Ob es ihnen wahrhaftig nutzt, um ein besseres Leben zu führen
Ob diese große Menge hierfür wirklich notwendig ist
Ob sie nicht vielmehr etwas ganz anderes brauchen
Ob sie denn fähig sind, wirklich zu fühlen
Ob ihr Herz denn wahrhaft lebendig ist; erfüllt; liebend; zufrieden
Oder ob sie lediglich wie gierige Geldfreß-Maschinen stumpfsinnig, blind, unersättlich, egoistisch und völlig hirn- und herzlos durchs Leben torkeln wie Zombies – und mit den falschen Mitteln diese Sehnsucht; dieses Brüllen im Herzen zu stillen versuchen.
Wir brauchen in Deutschland nicht noch mehr Gesetze.
Wir brauchen mehr Liebe im Herzen
mehr Menschen mit Freude und Liebe an und in ihrem Beruf
mehr An-erkennung gegenüber der Farbenvielfalt unserer Gesellschaft
mehr Wertschätzung gegenüber der Individualität und deren Förderung
mehr Freude am Leben
mehr Miteinander
mehr Verbundenheit
mehr Empathie
mehr Mitgefühl
mehr Verständnis
Es ist längst widerlegt, dass man in einer Ellenbogen-Gesellschaft weiter käme.
Ellenbogen und Egoismus sind “out”.
Verbote und Androhungen schüren Wut und Widerstand.
Gefühle fehlen; Mut fehlt; Energie und Antrieb
– Gesetze haben wir genug.
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Über Farbenblindheit und Prostitutionsverbot
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Über Farbenblindheit und Prostitutionsverbot
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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Fakten und Infos über Prostitution
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