„Prostitution aus der Illegalität holen“

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fraences
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„Prostitution aus der Illegalität holen“

Beitrag von fraences »

INTERVIEW: Der ehemalige Kriminalbeamte und Rotlichtexperte Heiner Minzel aus Dortmund zu Gast beim „Runden Tisch“ der Diakonie
„Prostitution aus der Illegalität holen“



Zwölf- und 13-jährige Mädchen, die in sogenannten "Ekelwohnungen" - oft sogar von ihren eigenen Vätern oder Brüdern- gezwungen werden, Freier zu empfangen. Frauen, die Vergewaltigungen und Schläge über sich ergehen lassen mussten: Menschenhandel und der Kampf gegen alle Straftaten rund um das Rotlichtmilieu waren über 30 Jahre lang das zentrale Aufgabenfeld des ehemaligen Kripochefs Heiner Minzel. Heute gilt der Polizist im Ruhestand bundesweit als gefragter Experte auf diesem Gebiet. Jetzt war der Dortmunder zu Gast beim "Runden Tisch Prostitution", tauschte mit Mannheimer Kollegen Erfahrungen aus und besichtigte die Räume der geplanten Beratungsstelle "Amalie" in der Draisstraße 1.


Herr Minzel, ist die Mannheimer Rotlichtszene mit der Dortmunder zu vergleichen?
Heiner  Minzel: Entsprechend der Größe der Städte ist die bei uns natürlich größer. Hier gibt es rund 300 bis 500 Prostituierte, in Dortmund 600 bis 800. Aber die Strukturen sind gut vergleichbar.
Heiner Minzel war 39 Jahre lang Polizist, davon 34 in Dortmund im Bereich Rotlichtkriminalität und Menschenhandel.
Die letzten 15 Jahre war der heute 64-Jährige Leiter des Kriminalkommissariats KK 12, das auf Rotlichtkriminalität spezialisiert ist.
Minzel hat das "Dortmunder Modell" entwickelt bei dem seit 1995 an einem "Runden Tisch Prostitution" Polizei, Stadt und die Beratungsstelle "Kober" eng kooperieren. Das Modellprojekt hat bereits in Essen, Marburg, Köln und jüngst in Zürich Nachahmer gefunden. mai
Sie haben viele Jahre eng und erfolgreich mit "Kober", der Dortmunder Anlaufstelle für Prostituierte, zusammengearbeitet. Klappte das immer so ganz reibungslos?
Minzel: Von wegen. Da gab es jede Menge gegenseitige Vorurteile. Die "Sozialtussis" auf der einen, die "Bullen" auf der anderen Seite. Aber wir haben uns bestens zusammengerauft, gelernt, über den Tellerrand zu schauen. Das war aber auch der Verdienst des Runden Tischs der Diakonie, den die Anlaufstelle ins Leben gerufen hat. Ähnlich wie in Mannheim. Es war eine extrem effektive Zusammenarbeit zwischen den "Kober"-Leuten, uns und der Staatsanwaltschaft.
Was kann solch eine Anlaufstelle dabei leisten, welche Rolle kommt ihr zu?
Minzel: Eine ganz entscheidende. Die Sozialarbeiter können das Vertrauen der Frauen gewinnen. Denn die Berater unterliegen nicht wie wir dem Strafverfolgungszwang. Sie müssen nicht alles sofort an die Polizei weiterleiten, können aber die Opfer eventuell dazu bewegen, Anzeige zu erstatten. Schließlich haben die Mädchen Angst vor Bestrafung seitens ihrer Zuhälter. Auch wenn das oft ein langer Prozess ist, bis sie zu uns kommen. Aber wenn nur eine vergewaltigte Frau, auch nach zwei Monaten noch, den Täter anzeigt, dann ist das ein großer Erfolg.
Ist der messbar?
Minzel: Die Zahl der Anzeigen stieg allein 2004 und 2005 von 0 auf 400 Fälle an. Das war eindeutig der Verdienst von "Kober" und unseren gemischten Streifenteams.
Gemischt? Was heißt das?
Minzel: Eine Polizistin, ein Kollege. Das hat sich bewährt, da fassen viele Frauen schneller Vertrauen. Und die kurzen Dienstwege durch die hervorragenden Kontakte vom Runden Tisch waren sehr hilfreich.
Wie lief das konkret ab?
Minzel: Wenn wir über "Kober" oder von Prostituierten den Tipp bekamen, dass Minderjährige in einer "Ekelwohnung" zugehalten wurden, dann war das für mich nur ein Anruf bei der Staatsanwältin, oft mitten in der Nacht. Und schon ist sie mit uns dorthin, sofort. Und hat die Verhaftung der Täter angeordnet.
Die Anlaufstelle "La Strada" in Stuttgart arbeitet in bestem Einvernehmen mit den Nachbarn, feiert sogar mit ihnen Feste. Gab es in den 25 Jahren "Kober" Probleme?
Minzel: Nein. Das läuft ja ganz unauffällig ab. Schließlich kommen die Frauen zu einer Beratung, treten seriös und anständig gekleidet auf.
Ist die Beratungsstelle auch für Mannheim sinnvoll?
Minzel: Ich kann mich nur absolut und uneingeschränkt dafür aussprechen und dringend dazu raten.

http://www.morgenweb.de/mannheim/mannhe ... n-1.928659
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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