ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Josef_K.
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Beitrag von Josef_K. »

Hmm ... bisher war ich davon ausgegangen, dass die Bundesregierung beim AGG noch deutlich über die EU-Vorgaben hinausgegangen ist. So wird jedenfalls immer behauptet ... :017

Ich laufe halt noch „rund", so dass sich bisher keine Berührungspunkte ergeben haben. Glücklicherweise lernt der Mensch nie aus - sensibilisiert bin ich jetzt jedenfalls.

J.K.
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Josef_K.
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Josef_K. »

Bisher war ich aufgrund der veröffentlichten Entscheidungen stets davon ausgegangen, dass der weit überwiegende Teil der Gerichte die Ausübung der Prostitution insgesamt nicht mehr als sittenwidrig ansieht.

Jetzt habe ich den Fall von annainga unter Zugrundelegung der Sittenwidrigkeit einmal durchgespielt und komme dabei jedenfalls zu einem anderen Ergebnis als Sentenza:

Soweit Sentenza hier vehement vertritt, dass eine Forderung gem. §1 ProstG zugunsten der Prostituierten selbst bei Annahme von Sittenwidrigkeit entsteht, mache ich das sogar mit - so steht es geschrieben.

Gehen wir also davon aus, diese Forderung sei entstanden - dinglich. Um diese Forderung gegen einen Dritten (den Freier) durchsetzen zu können, bedarf es aber einer schuldrechtlichen Vereinbarung, die den Freier zur Zahlung verpflichtet. Geht man von Sittenwidrigkeit aus, ist jedenfalls diese Vereinbarung nichtig gem. §138 Abs. 1 BGB.

In der Folge existiert zwar eine Forderung im dinglichen Sinne - wegen Nichtigkeit der schuldrechtlichen Komponente (der Erfüllungsanspruch aus einem Vertrag setzt nun einmal beides voraus) gibt es keinen zur Zahlung verpflichteten.

Von daher wäre bei Annahme von Sittenwidrigkeit in der Tat kein Zahlungsanspruch gegen der Freier begründet.

Die "Rosinenpickerei", die Sentenza hier vollzieht, nämlich dass das ProstG ausschließlich Prostituierte begünstigt, ist so nicht umsetzbar. Ist etwas aus der Sicht des Bürgers (und darauf kommt es eigentlich an) sittenwidrig, ist das unteilbar. Derselbe Vorgang (Sex gegen Geld zwischen zwei Menschen) kann nicht gleichzeitig sowohl sittenwidrig als auch nicht sittenwidrig sein, wie Sentenza das gern hätte.

Das ist jedenfalls meine (bescheidene) Sichtweise. Stuft man Prostitution weiterhin als sittenwidrig ein, ist das Gesetz aus praktischer Sicht nahezu wertlos. Und das wird der Gesetzgeber wohl kaum beabsichtigt haben. Das ganze Gesetz macht m.E. nur dann Sinn, wenn man die Prostitution vom Stigma der Sittenwidrigkeit befreit.

J.K.
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annainga
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von annainga »

das ist ja zum glück oft anders - meistens wird die sittenwidrigkeit als gesetzlich beseitigt angesehen. und die tendenz, dass sittenwidrigkeit verneint wird, ist vorhanden.

der "idealtypische" fall "sexdienstleistung findet statt, kunde bejaht das, kunde zahlt nicht" wird meines wissens nach immer mit der bejahung des anspruches der sw behandelt.

mein fall weicht von diesem ab, aber als begründung wurde angeführt, dass prostitution nach wie vor sittenwidrig ist und deswegen kein anspruch entstanden ist.

aber was @aoife ja bereits gesagt hat, nämlich die konsequente umsetzung auch in anderen bereichen (baurecht, sperrgebietsverordnung) findet (hoffentlich noch) nicht statt.

Fünf Jahre nach Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes wehrt sich der Freistaat immer noch gegen dessen Umsetzung. «Wir halten das Gewerbe Prostitution für sittenwidrig. Deswegen gibt es in Bayern für Prostituierte und Prostituiertenbetriebe keine Gewerbescheine», sagt ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums auf ddp-Anfrage.

http://www.pr-inside.com/de/prostitutio ... r38232.htm

es gibt in deutschland ein nord-süd-gefälle:

die nördlichen bundesländer sind eher prostitutionsfreundlich, je südlicher du kommst, umso prostitutionsfeindlicher werden die bundesländer. bayern, sachsen und baden-württemberg sind besonders restriktiv wogegen in nordrhein-westfalen und niedersachsen vieles geduldet wird. rechtssicherheit gibt es nirgendwo.

lieben gruß, annainga

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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Auch im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Sperrbezirken (abgelehnte Verfassungsbeschwerde) läßt sich die geringe Ausstrahlwirkung des ProstG nachlesen:


viewtopic.php?p=57340#57340

BVerfG, 1 BvR 224/07 vom 28.4.2009
http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 22407.html

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Josef_K.
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Josef_K. »

Das vermag ich aus der Entscheidung des BVerfG in dieser Konsequenz nicht herauszulesen.

Im Einzelnen:

Das BVerfG führt aus:
"Wie bereits das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, ist der im Rahmen der Beratungen zum Prostitutionsgesetz gemachte Vorschlag, Art. 297 EGStGB ersatzlos zu streichen [...] nicht Gesetz geworden."

Im Weiteren:
"Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber bewusst von einer Änderung des Art. 297 EGStGB Abstand genommen hat, ergibt sich kein rechtsstaatswidriger Widerspruch zum Prostitutionsgesetz."

Fazit:
Der Gesetzgeber hatte bei Schaffung des ProstG ganz bewusst entschieden, Art. 297 EGStGB beizubehalten und damit eine Koexistenz beider Vorschriften ausdrücklich gewollt.

Eine Eingabe, dass beide Vorschriften nicht miteinander vereinbar sind, muss daher zum Scheitern verurteilt sein. Das müsste selbst dem juristischen Laien einleuchten.

Auch eine Revolutionierung in der Gesetzgebung, wonach sog. „Blankettvorschriften“ (die in sehr vielen Rechtsgebieten existieren) mit Erlass des ProstG plötzlich gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des GG verstoßen, kann ich dem ProstG nicht entnehmen. Dazu benötigte man schon sehr viel Phantasie. Und die ist bei Gesetzgebern höchst selten anzutreffen.

Und auch den PAUSCHAL bemängelten Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung kann ich nicht nachvollziehen. Wäre er berechtigt, müssten gleichzeitig alle Gewerbeordnungen außer Kraft treten. Gewisse Eingriffe in die Berufsausübung gibt es bei (fast) jedem Gewerbe. Wer hier argumentiert, derartiges sei nicht zulässig, vertut nurmehr seine Zeit - und die des Gerichts.

Auch die übrigen Einwendungen hätte der Beschwerdeführer sich sparen können, hätte er vorher seinen Denkapparat in Betrieb genommen.

Die fatale Folge:
Den einzig erfolgversprechenden Weg hat er übersehen - oder gar nicht erst erkannt.

Hierzu das BVerfG:
"Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG durch eine Sperrbezirksverordnung entscheidet sich danach nicht in erster Linie bei der Beurteilung der Ermächtigungsgrundlage, sondern beim konkreten Erlass der Verordnung, der vom Beschwerdeführer hier jedoch nicht substantiiert angegriffen wird."

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Das Verfassungsgericht beschränkt sich also nicht einmal nur darauf, dem Beschwerdeführer sein „Ding“ berechtigterweise um die Ohren zu werfen, sondern zeigt zudem noch den Weg auf, den ein Anspruchsteller beschreiten muss, um die Rechtmäßigkeit einer erlassenen Sperrgebietsverordnung überprüfen zu lassen.

So böse kann es das BVerfG mit den SW dann doch nicht meinen. :002

J.K.
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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von ehemaliger_User »

Aoife hat geschrieben: Wie in unserem Schattenbericht zu UN'CESCR10 beschrieben beruhen die Probleme mit dem ProstG darauf, dass es auf Länder- Kommunen- und Behördenebene konsequent mißachtet wird.
Ist das aber nicht ein Indiz, dass es sich um ein "Schattengesetz" handelt? Weil der Wille zur Umsetzung fehlt und ständig andere Gesetze herangezogen werden um die Absicht des ProstG zu unterlaufen?
Aoife hat geschrieben:Übrigens wichtig zu wissen, dass der Professorentitel in Deutschland (wie es in Österreich ist weiß ich nicht) keine wissenschaftliche, sondern eine politische Qualifikation darstellt.
Das stimmt nicht. Es ist ein kompliziertes und langwieriges Verfahren nach in der Regel internationaler Ausschreibung, und mehreren Probevorlesungen und des Nachweises der Publikation wissenschaftlicher Arbeiten (mal die Prof e.H. ausgenommen). § 48 Absatz 3: Die Professoren werden vom Vorstandsvorsitzenden der Hochschule im Einvernehmen mit dem Wissenschaftsministerium berufen

Landesrecht BW: LHG

Annaingas Verfahrensausgang ist der Hammer. Leider kein Einzelfall - auch wenn es nicht um sexuelle Dienstleistungen sondern um pure Abzocke geht. Und dann wundern sich die Politiker, wenn plötzlich 100.000 Menschen auf die Strasse gehen (wie in Stgt).

Gibt es da wirklich keinerlei Rechtsmittel mehr, wenn eine Richterin das Gesetz offensichtlich beugt?

Die Richterin hätte Recht, wenn ich als Kunde bei Vorauskasse auf Vertragserfüllung bestehe. Ich denke, Annaingas Menschwürde wurde von der Richterin mit Füssen getreten. Kann da eine Beschwerde beim EuGHMR sinnvoll sein?
Zuletzt geändert von ehemaliger_User am 20.10.2010, 20:38, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Aoife »

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ehemaliger_User hat geschrieben:
Aoife hat geschrieben:Das stimmt nicht. Es ist ein kompliziertes und langwieriges Verfahren nach in der Regel internationaler Ausschreibung, und mehreren Probevorlesungen und des Nachweises der Publikation wissenschaftlicher Arbeiten (mal die Prof e.H. ausgenommen). § 48 Absatz 3: Die Professoren werden vom Vorstandsvorsitzenden der Hochschule im Einvernehmen mit dem Wissenschaftsministerium berufen

Landesrecht BW: LHG
Kann es sein, dass auch dieses länderspezifisch geregelt ist?
Ich habe meine Information von einem Professor an einer rheinland-pfälzischen Hochschule und habe ohne weiteres Gesetzesstudium angenommen, dass das deutschlandweit so sei ...

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Beitrag von Ariane »

Naja, man sollte zwischen wissenschaftlicher Qualifikation und politischen Verfahren unterscheiden, dann wird ein Schuh draus, also das mit der "politischen Qualifikation". Die meist langwierigen Auswahlprozeduren bzgl. geeigneter Kandidaten ist doch häufig von politischen Interessen geleitet, auch innerhalb der Auswahlkommission selbst UND des landesspezifischen Ministeriums, was bedeutet, daß nicht immer der fachlich und aus Studierendensicht geeigneteste Kandidat berufen wird. Manchmal auch das Gegenteil. Ich habe dies einige Male verfolgen dürfen (als Studentenvertreter und im Mittelbau) und hinter die Kulissen geblickt. Auch Profs haben mir gegenüber aus dem Nähkästlein geplaudert, für die ich tätig war. So wurde bspw. eine C4 Stelle in NRW über viele, viele Jahre nicht besetzt, weil der letztmalige Stelleninhaber bei bestimmten Kandidaten regelmässig intervenierte und seine Macht ausspielte, seine Hausmacht (obwohl er nicht mehr vor Ort war) sowie die Macht im Landesministerium. Irgendwann wurde die Stelle "umgewidmet" und der Spuk war vorbei. Dies ist nur ein Fall.
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Josef_K.
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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Josef_K. »

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ehemaliger_User hat geschrieben:
Aoife hat geschrieben: Gibt es da wirklich keinerlei Rechtsmittel mehr, wenn eine Richterin das Gesetz offensichtlich beugt? ...
Sie hat das Recht nicht gebeugt - sie hat lediglich von ihrer richterlichen Unanhängigkeit Gebrauch gemacht.

Selbst der Richter, der eine völlig unhaltbare oder nach dem Wortlaut des Gesetzes unvertretbare Rechtsauffassung vertritt und eine Entscheidung fällt, die erkennbar gegen geltendes Recht verstößt, macht sich allein dadurch noch nicht der Rechtsbeugung strafbar. Das wird selbstverständlich noch durch die richterleiche Unabhängigkeit (die gelegentlich schon mal "Richterlicher Persilschein" oder "Rechtsbegungsprivileg" genannt wird) gedeckt, wenn der Richter seine Entscheidung für rechtmäßig hält. Insoweit ist keinem Richter beizukommen

An anderer Stellen hatte wir mal den Begriff "Rechtssicherheit" erörtert. Weil aber mit einer Verurteilung des Richters auch die Rechtskraft seiner Entscheidung durchbrochen würde, wäre durch solche Verurteilungen die Rechtssicherheit gerichtlicher Entscheidungen bedroht. Und weil das hohe Gut der Rechtssicherheit weit gewichtiger ist als das Recht des Individuums auf eine Entscheidung nach Recht und Gesetz, ist eine falsche Rechtsanwendung allein nicht geeignet, den Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllen.

Höchstrichterliche Entscheidungen (was sonst :002 ) besagen, dass der Richter über den bloßen Wortlaut des Gesetzes hinaus weitere ("hinzugedachte") Tatmerkmale erfüllen muss, um sich strafbar zu machen. So fordert die Rechtssprechung statt eines Verstoßes gegen geltendes Recht einen "elementaren Verstoß gegen die Rechtsordnung". Das ist etwas ganz anderes - und hier hängt man die Latte relativ hoch. Man verlangt "Einzelexzesse" mit "Willkürcharakter".

Zudem verlangt die Rechtsprechung über den Wortlaut des Gesetzes hinaus, dass der Täter (Richter) "sich bewusst und in schwerer Weise von Recht und Gesetz entfernt". Das ist etwa der Fall, wenn ein Richter (ggf. aus wirtschaftlichem Interesse) dem Opfer vorsätzlich einen Schaden zufügen will.

Weil es solche Richter nicht gibt, ist die Vorschrift des §339 StGB ein reiner Papiertiger geworden. So etwas ist eine Schaufenstervorschrift.

Nun gut ... jetzt will ich Euch nicht länger langweilen. Obwohl ich das Thema nur grob angerissen habe, hat das schon fast wieder Aufsatzumfang. Mal eben was erläutern ist im juristischen Bereich nur schwer möglich - und wenn es ausführlich wäre, würde das wohl niemand mehr lesen. :001

Ich denke aber, dass ich die Grundzüge der Problematik halbwegs verständlich darstellen konnte. Wer nämlich nur die Vorschrift des §339 StGB selbst liest, landet zwangsläufig auf dem Holzweg. Es ist also bei weitem nicht nur das ProstG, dessen Vorschriften durch die rechtsprechende Gewalt "gebogen" (und nicht gebeugt :002 ) werden.

J.K.
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Beitrag von nina777 »

6.11.2010

Länder-Innenminister fordern schärfere Regulierung der Prostitution

Die Innenminister der Bundesländer wollen den Bund zu einer Verschärfung seines 2002 in Kraft getretenen Prostitutionsgesetzes drängen. Die Innenministerkonferenz betrachte "mit Sorge, dass neben der klassischen Prostitution ein Trend zu ,Flatrate- Clubs’ und Gang-Bang-Veranstaltungen festzustellen" sei, heißt es in einer Beschlussvorlage für die Innenministerkonferenz, die Ende kommender Woche stattfindet.

Zudem seien in der "Straßenprostitution vermehrt osteuropäische Frauen vertreten", die dem Gewerbe in "schlechtem gesundheitlichen Zustand" nachgingen. Hinzu komme eine deutliche Zunahme der Fälle von Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung. Es gebe keine belastbaren Hinweise, dass das Gesetz von 2002 einen "kriminalitätsmindernden Effekt" gehabt habe, heißt es in einem Positionspapier aus Bremen.

Die Innenminister wollen dem jetzt vor allem durch "Erlaubnispflichten für alle Formen von Prostitutionsstätten" entgegenwirken – so wollen sie beispielsweise verhindern, dass schon einmal verurteilte Menschenhändler Bordelle betreiben. Daneben fordern sie bundeseinheitliche Zugangs- und Kontrollmöglichkeiten für Orte, an denen der Prostitution nachgegangen wird, und ein flächendeckendes Angebot an Ausstiegshilfen für Prostituierte, so der Spiegel in einer Vorabmeldung für sein am Montag erscheinendes Magazin.

http://www.xtranews.de/2010/11/06/laend ... stitution/





Die Beschlüse:

1. Die IMK nimmt den Bericht "Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes auf die Bekämpfung des Menschenhandels" (Stand: 20.10.10) (freigegeben) zur Kenntnis.

2. Sie stellt fest, dass es sich beim Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung um ein Kontrolldelikt mit hohem Dunkelfeld handelt und die aktuell zur Verfügung stehenden Statistiken lediglich die Aktivitäten der Strafverfolgungsbehörden widerspiegeln können. Bis zum Jahr 2003 bewegten sich die Feststellungszahlen auf einem relativ konstanten Niveau, danach ist eine deutliche Zunahme dieser Delikte zu verzeichnen.

3. Die IMK betrachtet mit Sorge, dass neben der klassischen Prostitution ein Trend hin zu "Flat-Rate-Clubs" und "Gang-Bang-Veranstaltungen" festzustellen ist und im Bereich der Straßenprostitution vermehrt osteuropäische Frauen vertreten sind, die häufig ohne Einhaltung von hygienischen Mindeststandards und bei schlechtem gesundheitlichen Zustand der Prostitution nachgehen.

4. Sie erkennt, dass die nicht konzessionierten und damit kaum speziellen behördlichen Bestimmungen unterliegenden Prostitutionsstätten den Anforderungen an einen Mindeststandard oftmals nicht gerecht werden und nicht zuletzt das Fehlen einer behördlichen Erlaubnispflicht sowie ausreichender Kontrollbefugnisse der Aufsichtsbehörden für die Prostitutionsstätten eine behördliche Kontrolle und das Erkennen von Straftaten erschweren.

5. Die IMK sieht hinsichtlich der Einführung von Erlaubnispflichten für alle Formen von Prostitutionsstätten sowie die Vermittlung von Prostitutionsdienstleistungen, der Anzeigepflicht der Prostitutionstätigkeit in Prostitutionsstätten, der Möglichkeiten zur Schaffung von Abgrenzungskriterien zwischen einem Beschäftigungsverhältnis und derdirigistischen Zuhälterei, der Evaluierung des § 232 StGB und dessen Strafrahmen, der Einführung bundeseinheitlicher Zugangs- und Kontrollmöglichkeiten für Prostitutionsstätten, der Regulierung der Werbung für Prostitution und der Schaffung eines flächendeckenden Angebotes für Ausstiegshilfen für Prostituierte Handlungsbedarf.

6. Die IMK bittet den Bund, eine Initiative zur Schaffung eines Gesetzes zur Regulierung der Prostitution auf den Weg zu bringen, die die genannten Problemstellungen berücksichtigt.

7. Sie bittet ihren Vorsitzenden, die Vorsitzenden der WMK und GFMK über ihren Beschluss zu informieren.

Quelle:
http://uegd.de/index.php?option=com_con ... mid=100001

[nachgetragen Marc]
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Hamburgs Innensenator will Reglementierung

Beitrag von nina777 »

IM BILD-INTERVIEW KÜNDIGT HEINO VAHLDIECK HÄRTERES VORGEHEN GEGEN ROTLICHT-MILIEU AN

Innensenator will Puff-Lizenz


City – Innensenator Heino Vahldieck (55,CDU) hat seine 15 Länderkollegen ab Donnerstag in die Hansestadt eingeladen. Gesprächsstoff gibt es genug bei der Innenministerkonferenz. BILD sprach mit Senator Vahldieck über seine Pläne.

http://www.bild.de/BILD/regional/hambur ... izenz.html
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Innenministerkonferenz Bremen

Beitrag von Aoife »

Anbei das aktuelle Positionspapier der IMK aus Bremen.

Wer sich die Mühe macht es durchzuarbeiten, wird aller Wahrscheinlichkeit zu dem Schluß kommen, dass es unwahrscheinlich ist, dass die Innenminister dumm genug sind ihre eigene Argumentation wirklich zu glauben. Es entsteht vielmehr der Eindruck, dass Desinformiertheit und mangelndes Betroffensein eines Großteils der Bevölkerung zu neuen Menschenrechtsvergehen an Minderheiten mißbraucht werden sollen.

Sollte jemand sich fragen, wieso die IMK mit der Statistik polizeilicher Ermittlungen argumentiert. und nicht wie es in einem Rechtsstaat zu verlangen wäre mit der Verurteilungsstatistik, so gibt es nur eine Antwort: Weil die Statistik der Verurteilungen einen durchschlagenden Erfolg des ProstG beweist, und somit zur Begründung der von den Innenministern geforderten Nach"besserungen" nicht in Frage kommt.

Tatsächlich hat seit Einführung des ProstG die Zahl der Verurteilungen bezüglich "Rotlicht-Kriminalität" deutlich stärker nachgelassen als die Zahl der Ermittlungen. Somit zeigt sich, dass die wichtigste Wirksamkeitsbremse beim ProstG die mangelnde Bereitschaft der Polizeien ist, die geänderte Rechtslage zur Kenntnis zu nehmen und zu respektieren.

In dieser Situation verweigern die Innenminister der Länder ihrer Verpflichtung nachzukommen, als Dienstherr die Polizeien zu rechtskonformem Verhalten aufzufordern/zu zwingen, und betreiben stattdessen eine Politik, die das rechtswidrige Polizeiverhalten wieder rechtmäßig machen soll.

In meinen Augen ist das ein höchst gefährliches politisches Klima, und es wird IMHO auch für Nicht-Prostituierte höchste Zeit zu überlegen, ob jedem einzelnen seine Menschenrechte so wichtig sind, dass er sich mit uns solidarisieren könnte auch ohne selbst diesem Beruf nachzugehen. Bleibt diese politische Entwicklung jetzt unwidersprochen, so können schon bald so viele Menschen ihrer grundlegenden Rechte beraubt sein, dass eine friedliche Lösung unrealistisch wird.

Liebe Grüße, Aoife
Dateianhänge
Regulierung der Prostitutionsausübung, Positionspapier Bremen.pdf
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UEGD Zahlendarstellung

Beitrag von Aoife »

          Bild
Aoife hat geschrieben:Sollte jemand sich fragen, wieso die IMK mit der Statistik polizeilicher Ermittlungen argumentiert. und nicht wie es in einem Rechtsstaat zu verlangen wäre mit der Verurteilungsstatistik,
Sowohl die Rohdaten als auch statistisch aufbereitete Darstellungen finden sich in unten angehängtem .pdf.

Neben den schon ausgeführten innenpolitischen Konsequenzen bliebe noch darauf hinzuweisen, dass der Versuch der deutschen Länderinnenminister ihren Polizeien das Jagdrevier "Rotlichtkriminalität" zurückzuerobern auch auf internationaler Ebene ein Verbrechen gegen die Menschenrechte darstellt:

Durch dieses sachlich unhaltbare Schlechtreden des deutschen ProstG können andere Länder dazu bewegt werden, dem vorbildlichen deutschen Weg nicht (oder nicht sofort) zu folgen, so dass auch grundlegende Rechte ausländischer SW beschnitten bleiben, weil die vermeintlichen Fachleute aus Deutschland Unwahrheiten verbreiten.

Liebe Grüße, Aoife
Dateianhänge
2009_prostitution_bundeslagebild_kriminalitaet.pdf
(594.09 KiB) 481-mal heruntergeladen
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Re: Prostitution Bundeslagebild Kriminalität

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Das ist ja ein sehr angenehm klar aufbereitetes Zahlenwerk vom UEGD. :eusa_clap





Hier weitere Anmerkungen zum BKA Menschenhandelsbericht 2009:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=81150#81150

Auch können wir auf positive Erfahrungen in anderen Ländern verweisen z.B. die Evaluationen von 2008 aus Neuseeland, wo Prostitution 2003 grundsätzlich entkriminalisiert wurde:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=37403#37403

...





.
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 05.12.2010, 08:56, insgesamt 3-mal geändert.

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Re: Prostitution Bundeslagebild Kriminalität

Beitrag von Aoife »

          Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben:Das ist ja ein sehr angenehm klar aufbereitetes Zahlenwerk vom UEGD.
Ja. Danke an Holger für die Datei!

[/url]
Marc of Frankfurt hat geschrieben:Auch können wir auf positive Erfahrungen in anderen Ländern verweisen z.B. die Evaluationen von 2008 aus Neuseeland, ...
Dass Entkriminalisierung de facto der einzig vernünftige Weg ist steht außer Frage.

Wichtiger als immer weitere Belege hierfür, die dann schlichtweg verleugnet werden, wäre eine Taktik zu entwickeln, wie wir erfolgreich mit den "offizielen Desinformationen" der IMK umgehen können.

Beim Ansprechen der dahinterstehenden Motive nehme ich ja kein Blatt vor den Mund, und die Bundesjustizministerin hat uns (Nina und mir) schriftlich zugesichert, dass eine Reform des ProstGs nicht ansteht. Aber genügt das bei dieser geradezu wahnsinnig anmutenden Propagandaschlacht der Länderinnenminister und ihrer Untergebenen?

Liebe Grüße, Aoife
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Entwurf einer SW Gegenposition

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Zum obigen Papier der Innenministerkonferenz (IMK) Bremen 2010:


Ich habe vieles bekanntes ok gefunden. Aber erstaunlich ist, wie aus entlastenden Beobachtungen, dennoch entgegengesetzte Schlüsse gezogen werden können (Betriebsblindheit?).


Angebliches Kontrolldelikt

"Nur ca. 37 % der Taten wuden durch polizeiliche Kontrollmaßnahmen zur Anzeige kamen. Immerhin 43 %
der Taten wurden durch die Opfer
und 20 % durch Dritte (Freier u.a.) angezeigt" [Seite 7].


Angeblich regelungsnotwendiges und regelungszugängliches Problem

"Hiernach hat sich das Bild gegenüber dem Vorjahr ... der in Deutschland festgestellten Fälle von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung insgesamt nicht wesentlich verändert" [Seite 5].

Ebenso wie Täter und Tatverdächtige streng zu unterscheiden sind, wird man wohl in Zukunft auch von Opferverdächtigen sprechen müssen [siehe UEGD] und als stehenden Begriff neu einführen müssen.

"Die Zahl der deutschen Opfer, die mit rund 25 % erneut den größten Anteil ausmachten, ist leicht gesunken" [Seite 6].

Alles beruht vermutlich auf der Unterstellung und Propagandalüge vom "kriminogenen Umfeld" [Seite 10]. Letzlich aufgrund des Prostitutionstabus einer hegemonialen Morallehre, die eine Vermählung von Sexualität und existenzsicherndes Geldverdienen fundamental ablehnt. Dabei ist vermutlich Grenze und Umfang zwischen legal/illegal in Sexarbeit und Rotlicht nicht sehr anders als bei Wirtschaftskriminalität, Politikversagen oder Militäreinsatz...

Zum Grundproblem der Prostitutionskontrolle
(Kann private Intimsphäre menschenrechtlich akzeptabel staatlich reglementiert werden?):
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=7328#7328
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=59597#59597





Zu den einzelnen Forderungen der IMK 2010 in Bremen


Neues oder erweitertes ProstG d.h. bundesgesetzliche Regelung sui generis (wegen der Geschlechtseinzigartigkeit;-). [Seite 10ff.]
  • aa Erlaubnispflicht für Bordelle

    Betriebe sind je nach Größe und Ausgestaltung wie öffentliche Thermen, Gaststätten, Beherbergungsbetriebe, Agenturen oder Zimmervermietungen zu behandeln. Anzeigeflicht sollte für alle gelten.

    Gewerberecht Prostitution ist abzulehnen.
  • bb Anzeigepflicht der Prostitutionsausübung

    Da das zentrale Problem der Prostitutionsausübung die Überwindung und das Management des Prostitutionsstigmas darstellen, ist zu befürchten, dass nebenberufliche, einheimische (Gelegenheits-)Sexworker dies nicht akzeptieren werden können. Sie werden den amtlich registrierten (Vollerwerbs-)Sexworkern also dann noch ungleichere Konkurrenz machen.

    Zu zahlende Ordnungsgelder wg. Prostitution führen vielfach zu einem sich weiteren Verfangensein in negativen Verhältnissen der Prostitutionsausübung, die das Gesetz vorgibt vermeiden zu wollen.

    (Anzeigepflichtig sollten nur staatlich ausgebildete und mit einem staatlichen Diplom anerkannte Sexworker und Sexualassistenten sein, die ein besonderes akademisches Niederlassungs- und Freiberuflichkeistsprivileg vergleichbar den Ärzten oder Rechtsanwälten geniessen und in Zukunft in eigenen Kammern organisiert sein werden.)
  • cc Vermutung der abhängigen Beschäftigung in Prostitutionsstätten

    Das bewirkt eine Einpreisung der sozialen Arbeitskosten in die Kostenrechnung des Betreibers. Frage ist ob das der Prostitutionsmarkt hergibt und wie in eine Übergangszeit auszugestalten ist? Vermutlich werden damit bestehende gute Arbeitsplätze mit fairen Wirtschaftern behindert, weil kostensparende illegale Strukturen z.B. via Internet und in Hinterzimmern durch Regulierungsdruck attraktiv gemacht werden.
  • dd Weitere Betreiberpflichten: Sorgfaltspflichten

    Was soll der Betreiber alles überwachen können? Volljährigkeit, Echtheit von intl. Ausweisdokumenten, Steuerehrlichkeit der MieterInnen...?

    Was soll ein arbeitsteiliger Prostitutionsorganisator alles übernehmen und regeln dürfen, ohne dabei weisungsgebend oder ausbeutend werden zu dürfen aufrund des Zuhältereiverdiktes?

    Derartige Auflagen bringt einen Wirtschafter in eine zusätzliche polizeiliche Verpflichtung und Machtposition gegenüber den Sexarbeitern die nicht unproblematisch ist. Vgl. auch die fiskalischen Hoheitsaufgaben des Steuereinzugs durch den Vermieter und Bordellbetreiber beim nach wie vor ungesetzlichen Düsseldofer Vorsteuer Sonderbesteuerungsverfahren für Prostituierte.

    Es sollte geprüft werden ob nicht Self-Regulatory-Boards (SRB) wie in Indien Kontrollfunktion angemessener übernehmen können.
  • ee Arbeitsvertragsrecht

    Diesen Prüfungsauftrag nehmen wie vorgeschlagen die Selbsthilfeorganisationen der Prostituierten gerne an. Aber es gibt sie noch garnicht. Ist das den Innenministern entgangen? Bisher gibt es nur Sozialberatungsstellen für Prostituierte, wo Sexworker bei der professionellen Mitarbeit systematisch ausgeschlossen sin (Besoldnungsvorschriften) und daher strukturell benachteiligt sind (vgl. Sexworker Selbstermächtigungs Strategie (S³) - Affirmative Action Policy).

    Selbsthilfeorganisationen und die Interessenselbstvertretung auf Augenhöhe und mit Stimmrecht... muß erst noch oder wieder aufgebaut werden. Dieses Sexworker Forum ist der Vorläufer.
  • ff Jugendschutz

    Anwesenheitsverbot für Minderjährige in Prostitutionsstätten klingt gut und selbstverständlich.

    Dann ist aber auch die Versorgung mit Kinderbetreuungsangeboten gemäß den speziellen zeitlichen und sonstigen Bedürfnissen für Sexworker in jedem Rotlichtbezirk kommunal sicherzustellen.
  • gg Bundeszentralregister (BZRG)

    Sexworker und Betreiber dürfen nicht aufgrund Berufsstatus und Branchenzugehörigkeit zur gläsernen Person werden, deren Daten und Akten von allen sich zuständig erklärenden Behördenmitarbeitern Deutschlandweit ausgelesen werden können.

    Vergehen wegen kriminalisierender Sondergesetze z.B. aus der Zeit vor dem ProstG dürfen nicht per se zu Berufsverbot führen.
  • hh Strafbarkeit von Freiern

    Das was die Sicherheitsbehörden nur mit großer Not und oftmals nach jahrelangen Prozessverfahren beurteilen, darf nicht den Freiern zugeschoben werden.

    Freier sind vielfach Helfer und Nachrichtgeber für Prostituierte in Notlagen. Freier sind prostitutionsimmanent zunächst die Partner von Sexworkern. Das ist anzuerkennen, auszubauen und zu schützen. Öffentliche Diskriminierungen sind abzubauen. Aufklärungskampangen sind zu fördern (Vgl. Sexischer). Die Freierselbstorganisation ist zu fördern und zu verbessern (Foren). Vertreter von Kundenorganisationen sind bei Expertenkonsultationen und bei runden Tischen zu beteiligen.

    Freier, die sich als Pädokriminelle, Triebtäter, Sadisten, Vergewaltiger, Betrüger, Ausbeuter und Mißbraucher erweisen, sind mit den bestehenden Gesetzen zu bestrafen.

    Der allgemeine Strafrechts-Paragraph Nötigung § 240 StGB ist anzuwenden, anstelle von die Prostitution stigmatisierenden Sonderparagraphen wie "Ausbeutung von Prostituierten" § 180a StGB.

    Für Sexworker und Freier ist eine bundesweite 24/7 Prostitutions-Hotline einzurichten. Dort sind alle Informationen über uneinheitliche Rechtslage, lokale -anwendungsbesonderheiten und Hilfen für Sexworker zu hinterlegen.
  • Mindestalter 21 Jahre

    Klingt gut, bringt aber erneut Ungleichbehandlung zu anderen gefählichen Berufen (Krankenhaus, Militär) und verdrängt die jungen Sexworker raus aus legalen Arbeitsstätten hinaus auf die Straße und damit in die Arme von pot. Ausbeuterfiguren.
  • Kondomzwang Prostitution

    Kondome sollten Selbstverständlichkeit sein bei promiskuitiver Sexualität (Safer Sex). Aber dies ist nicht Zuständigkeitsbereich des Strafrechts, wenn man Diskriminierung von sexuellen Minderheiten aufrichtig und wirksam verhindern will. (Gerade bei verliebten oder experimentierfreudigen jungen Menschen z.B. in Partyszene und ONS findet sich hohes Ansteckungs-Risiko und keiner ruft nach dem Strafgesetz.)

    Kondompflicht, wird meist gegen Sexworker exekutiert (Bayerische Kondomverordnung). Sie muß umgewandelt werden in Kondom-Versorgungs-Bereithaltungs-und-Promotion-Pflichten.

    Forschung zur Kondommüdigkeit und wie diese überwunden werden kann ist zu intensivieren.

    Bewerbung von Unsafer-Sex sollte verboten werden. Selbstkontrollgremien (Werberat inkl. Sexworkerbeteiligung, SRB) sollte darüber wachen und vermitteln.
  • infektionshygienische Überwachung

    Prostituierte haben interessengeleitet berufsbedingt den höchsten Bewusstseinsstand und auch tatsächlichen höchsten Gesundheitsstand bezüglich sexueller Gesundheit (STI).

    Ein Zwang zur invasiven Genitalhygiene-Überwachung muß transformiert werden in einen Zwang zum Angebot von anonymen STD-Untersuchs-Beratungs-und-Behandlungsangeboten für alle sexuell aktiven Mitbürger.

    Bei den Beratungs- und Behandlungsstellen sind besondere Angebote z.B. für Migranten oder Aussteiger anzusiedeln.
  • Nicht genanntes und zusätzlich Wichtiges

    Es braucht Fortbildungsangebote für die nebenberufliche Weiterqualifizierung von Sexworkern.

    Es braucht Kampagnen zu Entstigmatisierung, Akzeptanz und Coming-out.

    Es braucht unabhängige branchenspezifische Forschung zur erotischen Unterhaltungsindustrie.

    Die Selbstorganisation (Gewerkschafts- und Berufsverbandsbildung) der Sexworker muß staatlich gewollt und unterstützt werden. Bei Runden Tischen sind diese Organisationen einzubinden und angemessen auszustatten.
  • ...



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Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 06.12.2010, 09:04, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Entwurf einer SW Gegenposition

Beitrag von Aoife »

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Marc of Frankfurt hat geschrieben:Alles beruht vermutlich auf der Unterstellung und Propagandalüge vom "kriminogenen Umfeld" [Seite 10]. Letzlich aufgrund des Prostitutionstabus einer hegemonialen Morallehre, die eine Vermählung von Sexualität und existenzsicherndes Geldverdienen fundamental ablehnt. Dabei ist vermutlich Grenze und Umfang zwischen legal/illegal in Sexarbeit und Rotlicht nicht sehr anders als bei Wirtschaftskriminalität, Politikversagen oder Militäreinsatz...
Hier herrscht wohl noch Forschungsbedarf - ich wäre sehr zurückhaltend, der Prostitutionsbereich ohne Belege als ähnlich kriminell wie Wirtschaft, Poltitik & Militär einzuordnen.

Nach meinem nichtrepräsentativen Überblick sind diese Bereiche erheblich krimineller, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass sie durch Sondergesetze teilweise vor Strafverfolgung geschützt sind. Ein Tatbestand, der bei einer Prostituierten unweigerlich zur Verurteilung wegen Veruntreuung oder Betrugs führen würde, bringt einem Politiker allenfalls eine Rüge des Rechnungshofs ein. Käme ein Machwerk wie das Positionspapier der IMK von einer anderen Organisation und würde nicht auf uns als traditionell stigmatisierten Bevölkerungsteil abzielen, so wäre zweifelsohne der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Auch das Militär ist durch Sondergesetze davor geschützt, dass seine Tätigkeit als organisierter Massenmord gewertet werden darf. Und wohl kaum ein Wirtschaftsbetrieb könnte in Deutschland überleben, wenn er so streng auf Gesetzestreue kontrolliert würde wie der Prostitutionsbereich.

Auch wenn das Kompromißangebot "wir sind genauso kriminell wie alle anderen auch" als Verhandlungstaktik gut gemeint sein mag, ich kann mich dem nicht anschließen.

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Beitrag von Arum »

Wie steht's um Euere politischen Kanäle, wodurch man Druck machen könnte?
Guten Abend, schöne Unbekannte!

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Beitrag von Aoife »

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Arum hat geschrieben:Wie steht's um Euere politischen Kanäle, wodurch man Druck machen könnte?

Schwierig - welcher Druck wäre denn wirksam?

Tatsächlich werden ja nicht einmal UNO-Vorgaben umgesetzt.
In Österreich bestehen Zwangsuntersuchung und -registrierung nach wie vor.
Und das Deutsche ProstG, das den UNO-Empfehlungen von 2000 entspricht, darf auch 10 Jahre später noch straflos auf Länder- und Gemeindeebene unterlaufen werden.
Und das war jetzt nur der deutschsprachige Raum ...

Letzlich befürchte ich, dass nur Gewalt, beispielsweise drohende oder tatsächlich stattfindende Revolution, als adäquates Druckmittel akzeptiert werden wird. Und genau dieses würde ich gerne durch menschenrechtskonformes Auftreten der Demokratie verhindert wissen - aber andere haben andere Interessen und scheinen leider mächtiger zu sein :009

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Beitrag von Arum »

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Aoife hat geschrieben:   
Schwierig - welcher Druck wäre denn wirksam?
Das ist von vorne herein schwer zu sagen, aber irgendwie muss man sich doch gegen diesen Blödsinn wehren. Es muss doch irgendwo im Parlament Ansprechspartner geben. Bei uns in den Niederlanden wäre das Groen Links, unsere Grünen, die eine relativ radikale Politik betreiben zu Gunsten von SW. Ich habe leider schon den Eindruck, dass die deutschen Grünen da ein wenig anders drauf sind, aber trotzdem...

Weiterhin hast Du weitestgehend recht, wenn es um die grössere Zusammenhänge geht, aber ich glaube, man sollte hier doch ein wenig pragmatisch vorgehen.


LG,

Arum
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz