ProstG: Oberöst. Prostitutionsgesetz Entwurf!

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Melanie_NRW
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RE: ProstG: Oberöst. Prostitutionsgesetz Entwurf!

Beitrag von Melanie_NRW »

OH wow...

@Zwerg... wie ist deine Einschätzung hierzu?
Ein Freund meinte, ich hätte Wahnvorstellungen. Da wäre ich fast von meinem Einhorn gefallen!

*****
Fakten und Infos über Sexarbeit

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Zwerg
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Beitrag von Zwerg »

@Melanie

So weit ich im Bilde bin (und das bin ich auf Grund diverser Ausgrenzungen, welche wir seit Monaten in AT erleben nur äußerst bedingt), sind beide Varianten (also Konzessionierung und mögliche Bedarfsprüfung) eher nicht von Vorteil für SexarbeiterInnen. Obwohl man es wahrscheinlich, wie in Wien, als Solchen vermarkten möchte.

Die Bedarfsprüfung ist völlig absurd und ist eine Möglichkeit "nein" zu sagen, welche bisher überall dort wo sie verwendet wurde auch derart missbraucht worden.

Die Gemeinden in die Verantwortung zu nehmen ist ebenso als negativ zu sehen. Welcher Bürgermeister sagt "ja", wenn die nächste Wahl vor der Türe steht und in einem erzkonservativen Bundesland wahrscheinlich die Mehrheit der WählerInnen mit dem Thema nicht umgehen kann. Sagt er doch "ja", so wird wahrscheinlich hinterfragt oder unterstellt werden, warum dem so ist.

Weiters ist es auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten ins Reich der Mythen und Legenden zu verweisen, dass SexarbeiterInnen selbstbestimmt und selbst finanziert Studios öffnen. Hier haben sich die Platzhirschen derart etabliert, dass unweigerlich Schwierigkeiten zu erwarten sind. Und für migrantische SexarbeiterInnen (der Anteil von SexarbeiterInnen mit Migrationshintergrund ist in der sichtbaren Sexarbeit äußerst hoch) steht diese Form der Konzessionierung eine nahezu unüberwindbare Hürde dar. Siehe Wien, wo migrantische SW maximal als "Strohfrauen" herhalten - was natürlich von Seiten der Politik bestritten wird - vielleicht sogar guten Gewissens, denn die haben ja nach wie vor keinen Überblick wer da wo dahintersteht, bzw. wer wo profitiert. Ich brauche nur an das in AT durchaus lange bestehende (von PolitikerInnen verwendete) Schlagwort "selbstverwaltete Laufhäuser" zu denken, um zu wissen, dass hier wieder einmal von Leuten Gesetze gemacht wurden, die von den Gegebenheiten (aber auch Notwendigkeiten für SexarbeiterInnen) wenig Ahnung haben.

Aber eigentlich trifft der letzte Satz in Bezug auf Tirol auch auf mich zu. Ich war dieses Jahr 4 Mal in Innsbruck - jeweils für SexarbeiterInnen, die ein Gespräch vor Ort wollten. Kontakte zur Stadtpolitik gab es von unserer Seite nicht (nachdem es dort vor einiger Zeit einen unglaublichen Vorfall mit einer Polikerin (kleines I beachten) welche eine Aktivistin von sexworker.at (die legal im Land als SexarbeiterIn arbeitet und Steuern bezahlt) als VerbrecherIn bezeichnete, suchen wir auch nicht wirklich Anschluss. Der Vorfall fand im Wissen, dass es sich um eine SexarbeiterIn handelt, welche für das Sexworker Forum in Funktion vor Ort war! Als Begründung für diese Wortwahl kam von ihrer Seite: Ich zitiere "wenn mein Mann zu einer Prostituierten geht, ist die schuld und darum seid Ihr alle VerbrecherInnen, auch Du" Obwohl wir bei der betreffenden Partei Protest einlegten und mehrfach auf die Geschichte hingewiesen haben, gab es keinerlei Reaktion oder gar eine Entschuldigung.

Ich kenne keine Prostitutionsgesetz in Österreich, welches tatsächlich die Interessen von SexarbeiterInnen im Fokus hat. Es geht immer nur um Kontrolle, Verbote und Sanktionierung - und der Rest ist Augenauswischerei, der sich aber gut der Bevölkerung mit dem Slogan "wir haben was für die Frauen gemacht" verkaufen lässt.... Hauptsache Schulterklopfen - ob dann ein paar SexarbeiterInnen keinen Arbeitsplatz mehr finden, oder eben leichter ausbeutbar sind interessiert doch Niemand (siehe Wien)

Aber die falsche Rechnung geht dann doch irgendwann auf. Keiner interessiert sich mehr für das Thema, wenn man beharrlich daran vorbei redet - wieder der Verweis auf Wien, wo in der Zwischenzeit kein Mensch mehr Interesse hat, darüber zu sprechen, dass die Frauen nur auf menschenunwürdigen Plätzen ohne sanitäre Einrichtungen arbeiten müssen. Man geht sogar so weit, die juristische Fehlleistung des Wiener Prostitutionsgesetzes in andere Bundesländer "als Erfolgsmodell" exportieren zu wollen. Und die Konzessionierung ist vom Wiener ProstGesetz scheinbar übernommen worden.

Um es kurz zu machen: Wir haben wenig Einblicke und unseren Rat bzw. Einschätzung hat man nicht gesucht (was auch legitim ist). Wenn wir gefragt worden wären, hätten wir recherchiert und uns ein Bild gemacht. Es gibt aber eine Beratungsstelle vor Ort und ich kann nur hoffen, dass die beiden Frauen welche dort tätig sind, die Interessen von SexarbeiterInnen mit vertreten. Ich hoffe, dass sie stark genug sind und kann dazu nur die Daumen halten.

Christian

Zum besseren Verständnis: In Innsbruck zum Beispiel gibt es 4 BetreiberInnen (die man so nennen kann) - und Niemand, weder die BetreiberInnen selbst, noch die Behörde (die am Wenigsten) und schon gar nicht die Politik hat Interesse, dass dies mehr werden könnten.

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Hamster
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Beitrag von Hamster »

@Zwerg

Bravo! Klasse!
Danke fuer Deine klasse deataillierte, schonungslose Einschaetzung!
Ja, es ist wirklich deprimierend fuer die SexarbeiterInnen, die in Oesterreich arbeiten.

Diese Politikerin mit Vorurteilen den SexworkerInnen gegenueber hat es nicht verdient, auf Steuerzahlerkosten die BuergerInnen egal welchen Berufes zu vertreten. Entschuldigung, aber ich kann es mir nicht verkneifen, das zu sagen: Sie gehoert auf den Mond geschossen.

Ich wuensche den Menschen in den Beratungsstellen, die die SW vertreten, alle Kraft und Staerke und auch Mut!