Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzgesetz!

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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deernhh
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Re: Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzges

Beitrag von deernhh »

Hat nichts mit Sexwork zu tun, aber es geht um Ueberwachung der Fahnder und Geheimdienste bzw. des Staates.

PERSONALAUSWEIS-GESETZ
BUERGERRECHTLER ERHEBEN VERFASSUNGSBESCHWERDE
Ein Gesetz von 2017 erlaubt Fahndern und Geheimdiensten den automatisierten Zugriff auf Personalausweis-Fotos.
Dagegen gehen Buergerrechtler nun in Karlsruhe vor - quasi in letzter Minute.
Von Judith Horchert
Mittwoch, 18.07.2018, 15:06 Uhr

Den ganzen Artikel bitte lesen auf:
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpoli ... 19016.html

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Lucille
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Re: Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzges

Beitrag von Lucille »

Stichwort Hurenpass: biometrische Fotos nach deutschem Passgesetz

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deernhh
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Re: Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzges

Beitrag von deernhh »

Schon klar, Lucille (das Original ;))
Es ist eh und je bekannt, dass gerade wir SW mit Hurenausweisen mit biometrischen Fotos, so wie sie bei Personalausweisen vorgeschrieben sind, vom Staat besonders ueberwacht werden ....
Neu ist, dass gerade "normale" Buerger*innen sich diese Ueberwachung vom Staat nicht gefallen lassen wollen und eine Verfassungsbeschwerde einreichten ...
Und gerade diese "Doppelmoralist*innen" beschweren sich ja nicht, dass es bei uns SW so wie selbstverstaendlich gehandhabt wird, aber wenn es um die eigene Datenabgreiferei der "Doppelmoralist*innen" durch den Staat geht, dann ist ihr Geschrei enorm.
Bin momentan ein bisschen schadenfroh ...
Warum duerfen wir SW nicht die gleichen Rechte haben wie alle anderen auch?
Bin gespannt, ob deren Verfassungsbeschwerde stattgegeben wird.

@Kasharius
Vielleicht koennten wir uns, wenn der Verfassungsbeschwerde dieser Buergerrechtler*innen stattgegeben wird, wenigstens teilweise fuer uns SW daran anknuepfen ???

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Re: Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzges

Beitrag von Kasharius »

@deernhh

wie schon gesagt: Es gibt viele Wege politisch und juristisch gegen das ProstSchG anzugehen. Die FRage ist eben, findet die SW-Bewegung noch die Kraft dazu. Hier die Erklärung des BSD e.V. und ein Artikel aus der Taz

http://www.bsd-ev.info/aktuelles/14-august-2018.php

Nach meiner Kenntnis liegt vom BeSD e.V. noch keine Erklärung vor - oder irre ich? Gleiches gilt für Bufas e.V. (?)

Um die Kritik des Bundesverfassungsgerichtes besser nachvollziehen oder bewerten zu können, hier noch mal der Link zur Beschwerdeschrift, wie er seinerzeit von Dona Carmen e.V. veröffentlicht wurde

IN MEMORIAM Meinhard Starostik https://www.donacarmen.de/wp-content/up ... G-2017.pdf

Kasharius grüßt

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Re: Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzges

Beitrag von Lycisca »

Aus TAZ (siehe oben): Dona Carmen nannte die Gründe für die Abweisung „nicht nachvollziehbar“. Man werde nun „im elenden Klein-Klein vor den Verwaltungsgerichten der Republik“ weiterkämpfen.
In Bezug auf die vom BVerfG kritisierte Achtung der Wohnung ist dies sicher ein erfolgversprechender Weg, anlassbezogen zu klagen. Die Beschwerdeschrift kann dann die Textbausteine liefern. Wenn diese Klagen wieder bis vor das BVerfG kommen dann wäre auch anschließend eine internationale Klagelegitimation (EGMR) gegeben - was beim BVerfG eine wesentlich sorgfältigere Prüfung erwarten lässt.

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Re: Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzges

Beitrag von Lycisca »

@Kasharius: Beschwerde … keine Ausschöpfung innerstaatlicher Rechtsbehelfe. Theoretisch wäre innerhalb von zwei Wochen ab Zugang Gehörsrüge beim Bundesverfassungsgericht gegen dessen Beschluss einzulegen
Das scheint nicht notwendig zu sein: Der Admissibility Guide des EGMR erwähnt ausdrücklich, dass es kein erforderliches Rechtsmittel ist, beim selben Gericht eine Beschwerde gegen dessen Urteil einzulegen. Die an der Klage beteiligten SW könnten z.B. eine Beschwerde beim EGMR wegen der Eingriffe in ihre Wohnung einbringen. Insofern wären sie unmittelbar betroffen, weil sie solche Eingriffe nur abwenden könnten, wenn sie mit dem SW aufhören.

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Re: Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzges

Beitrag von Kasharius »

@Lycisca

erstmal danke für die Orientierung.

Hier der Wortlaut des Dokuments in Englisch https://www.echr.coe.int/Documents/Admi ... de_ENG.pdf . Entscheidend sind wohl die Passagen auf den Seiten 20ff. Ich lese das etwas anders ABER: Dies soll kein von mir angezettelter Gelehrtenstreit sein, der auf Kosten der (möglichen) Hoffnungen der SW geht. Das wäre unverantwortlich! Wenn die betreffenden Beschwerdeführer dahingehend beraten und entscheiden, diesen Schritt innerhalb der sechs Monate zu gehen und den EGMR anzurufen, stoßen sie auf meine volle Solidarität. Wie gesagt: In der Sache hat Bundesverfassungsgericht zum neuen Gesetz nichts abschließendes judiziert. Und sind wir dankbar für die völkerrechtliche Kompetenz unserer @Lycisca - DANKE!!!


Kasharius grüßt

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Re: Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzges

Beitrag von Lycisca »

Ich habe mir überlegt, wie ich eine solche Beschwerde an den EGMR angehen würde. Eigentlich sieht die Angelegenheit recht einfach aus; ich habe mich in eine der zahlreichen Escorts unter den Klägerinnen hineinversetzt.

Das Beschwerde-Formular verlangt in §§56 ff die Darstellung des Sachverhalts. Die könnte etwa so lauten (zwei Seiten bleiben noch leer):

Z u r P e r s o n : Ich bin als Sexarbeiterin registriert und übe diese Tätigkeit als Escort aus, wobei ich Männer in ihren Wohnungen oder Hotels treffe und entgeltliche sexuelle Dienstleistungen erbringe. Für mich ist diese Tätigkeit Ausdruck meines promiskuitiven Lebensstils. Ich habe auch im Privatleben häufig wechselnde Männerbekanntschaften, mit denen ich mich in meiner Wohnung treffe, manchmal auch für Sexorgien mit mehreren Männern und Frauen. Ich übe jedoch in meiner Wohnung keine Sexarbeit aus und halte meine Tätigkeit vor meinen Bekannten geheim, weil ich nicht will, dass mein privates Umfeld von meiner Tätigkeit Kenntnis erhält und ich dadurch gesellschaftlich geächtet werde.
S t a a t l i c h e r E i n g r i f f : Das ProstSchG ermächtigt staatliche Organe, private Wohnungen zwecks Prostitutionskontrolle zu betreten und zu durchsuchen. §29 Abs.1 ermächtigt Vertreter der Behörde, für Prostitution genützte Räume zu den "Geschäftszeiten" zu betreten und Prüfungen sowie Personenkontrollen vorzunehmen, §29 Abs.2 erweitert diese Ermächtigung "zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" auf jede Tages- und Nachtzeit und auf Räume für Wohnzwecke, und §31 Abs.2 normiert, dass der Behörde diese Befugnisse bereits dann zustehen, "wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen", dass in diesen Räumen Prostitution ausgeübt wird.
B e t r o f f e n h e i t : Ich bin durch diese gesetzlichen Regelungen unmittelbar betroffen. Aufgrund meiner angemeldeten Tätigkeit als Sexarbeiterin genügt bereits die Denunziation eines Nachbarn über häufige Besuche unterschiedlicher Herren in meiner privaten Wohnung als "Tatsache", welche die Vermutung nahelegt, dass auch meine private Wohnung zur Ausübung von Sexualdienstleistungen dient, was die Behörde zum Betreten meiner privaten Wohnung ermächtigt. Die Entscheidung darüber liegt einzig im Ermessen des Organs der Behörde, das nicht einmal rechtskundig sein muss. Denn anders als bei einer gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung gibt es kein Verfahren, wo vor einem solchen Eindringen staatlicher Organe die Verhältnismäßigkeit dieses Handelns geprüft wird. Wenn ich mich nicht der Gefahr dieses staatlichen Eingriffs aussetzen möchte, müsste ich meine Tätigkeit als Sexarbeiterin aufgeben und meinen Lebensstil ändern. Hinzu kommt, dass mich ein solcher staatlicher Eingriff in besonderer Weise dem Risiko einer Stigmatisierung aussetzt und die Gefahr, dass es zu einem solchen Eingriff kommt, gerade dadurch erhöht wurde, weil ich dem Gesetz Folge geleistet und mich als Sexarbeiterin angemeldet habe.
V e r f a h r e n : Zur Abwendung dieser Gefahr habe ich mich als eine von mehreren Klägerinnen einer am 21.06.2017 eingebrachten Verfassungsbeschwerde gegen das Prostitutionsschutzgesetz angeschlossen. Im Schriftsatz wird die Problematik des unzureichenden Schutzes der privaten Wohnung ausdrücklich erörtert und insbesondere hingewiesen auf die Widersprüche zu Art. 13 Abs. 1 und 7 Grundgesetz und die innerstaatliche Rechtsprechung dazu. Gerade wegen des intimen Charakters von sexuellen Dienstleistungen und wegen der Gefahr der Stigmatisierung der Sexarbeiterinnen hätte der Gesetzgeber auf die Verhältnismäßigkeit solcher Eingriffe achten müssen (eine Möglichkeit wären z.B. zur richterlichen Überprüfung vergleichbare Verfahren). Die Ausführungen der Klage haben sich demnach zwar nicht ausdrücklich auf Art.8 EMRK bezogen, doch dieses Recht in der Substanz geltend gemacht.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde am 26.07.2018 zur Zl. 1BvR1534/17 nicht zur Befassung angenommen, weil es sich bloß um eine unsubstantiierte abstrakte Rechtsrüge handle. Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist jedoch folgender Satz: "Offen bleiben muss daher insbesondere die Frage, ob die §§ 29, 31 ProstSchG mit verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar sind." Dieses Urteil ist endgültig und der innerstaatliche Rechtsweg ist damit abgeschlossen.

Der zweite wesentliche Punkt im Beschwerde-Formular ist die Begründung in §§59. Geltend gemacht werden die Artikel 8 und 13 EMRK.
Art 8 EMRK: Das ProstSchG ermächtigt staatliche Organe zum Eindringen in private Wohnungen auch auf den bloßen Verdacht hin, dass dort Prostitution ausgeübt werden könnte. Das Gesetz sieht jedoch keine vorherige Prüfung der Verhältnismäßigkeit dieses Eingriffs vor (vgl. EGMR, McLeod gg Großbritannien vom 23.09.1998) die selbst bei Vorliegen einer richterlichen Anordnung geboten wäre (Keegan gg Großbritannien vom 18.07.2006). Darüber hinaus achtet das Gesetz nicht auf die durch den Eingriff mögliche Stigmatisierung (Buck gg Deutschland vom 28.04.2005).
Art 13 iVm Art 8 EMRK: Das Fehlen jeglicher verfahrensrechtlicher Garantien im besagten Gesetz ist darüber hinaus unvereinbar mit dem Recht auf eine wirksame Beschwerde; das auch dann, wenn der staatliche Eingriff in einem konkreten Fall gerechtfertigt wäre (Camenzind gg Schweiz vom 16.12.1997).

Weitere Überlegungen z.B. zur Zulässigkeit würde ich in der Beschwerde gar nicht anstellen: Im Worst-Case (der die Regel ist) wird die Beschwerde in kurzer Zeit von einem Einzelrichter für unzulässig erklärt. Bis zum Zeitpunkt, zu dem die Regierung befasst wird, ist auch keine rechtliche Vertretung nötig … also ein Gratisverfahren mit Außenseiterchancen, falls ein Richter Einsicht mit der Situation der Sexarbeiterinnen hat. Eine zweite Chance im Fall einer schnellen Ablehnung wäre eine Beschwerde an die Vereinten Nationen unter dem optionalen Protokoll über Frauendiskriminierung … da müsste man aber die Klage durchsehen, ob und wie Diskriminierung angesprochen worden ist.

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Re: Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzges

Beitrag von Kasharius »

@Lycisca

liest sich schon mal sehr gut und müsste dann noch etwas ausgefüllt werden. Die Frage ist zudem, inwieweit das Bundesverfassungsgericht selbst gegen die Konvention verstoßen hat, indem es die Beschwerde nicht angenommen hat.

Jetzt muss sich noch jemand der Betroffenen finden, der es dann wagt UND: Wenn der von Dir beschriebene Worst-Case eintritt, wie groß wäre der mögliche politische Schaden für die SW...

Freue mich auf (Deine) Antworten und sage leise SERVUS

Kasharius grüßt

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Re: Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzges

Beitrag von Lycisca »

Jetzt muss sich noch jemand der Betroffenen finden, der es dann wagt
Das Wagnis ist nicht groß: Im Formular ist unter §69 Platz frei für kurze Anmerkungen: Dort stellt man den Antrag, dass der Name zum Schutz des Privatlebens nicht veröffentlicht wird, weil man als Prostituierte Stigmatisierung befürchten muss. Statt z.B. als "Lycisca Messalina gg Deutschland" würde die Beschwerde dann als "L.M. gg Deutschland" registriert werden. (Falls das noch immer nicht anonym genug ist, kann man auch ersuche, die Abkürzung X zu verwenden.) Falls die Regierung zur Stellungnahme aufgefordert wird, wird der Gerichtshof die Einhaltung der Anonymität einmahnen. (Der Name muss aber bekanntgegeben werden, weil die Regierung ja vom BVerfG die entsprechenden Akten anfordern muss.)
UND: Wenn der von Dir beschriebene Worst-Case eintritt, wie groß wäre der mögliche politische Schaden für die SW...
Im Worst Case, dass der Einzelrichter den Fall gar nicht annimmt, erfährt niemand von der Beschwerde … der Gerichtshof entsorgt sie selbst. Das ist auch der Grund, warum eine weitere internationale Beschwerde möglich ist. (Sobald der Gerichtshof den Fall behandelt, also die Beschwerde an die Regierung übermittelt wird, hätte die Regierung bei einer Beschwerde an ein anderes internationales Organ sofort den Einwand, dass sie dem optionalen Protokoll nur unter dem Vorbehalt zugestimmt hat, dass Beschwerden nicht angenommen werden, die woanders bereits geprüft wurden. Die Einzelrichterentscheidung ist aber keine Prüfung im Sinn dieses Vorbehalts, weil das Urteil dann bloß ein "Schimmelbrief" ist; dazu gibt s auch Judikate.)
Im Fall, dass der Gerichtshof den Fall behandelt, wäre er eigentlich schon so gut wie gewonnen. Denn die üblichen Ablehnungsgründe wären dann vom Gerichtshof verneint worden und dass die Beschwerde inhaltlich berechtigt ist, also ein Missstands vorliegt, hat ja der BVerfG selbst indirekt zugegeben. Die Regierung müsste dann z.B. dokumentieren, dass die von dir angesprochene Gehörsrüge auch regelmäßig Aussicht auf Erfolg hat … das sieht nicht danach aus.
Aber selbst im Fall, dass der Fall doch verloren geht, kann sich noch etwas zum Positiven wenden: Steter Tropfen höhlt den Stein. Denken wir nur an die vielen erfolglosen Beschwerden, welche von Homosexuellen gegen ihre Diskriminierung und Kriminalisierung geführt worden sind, bis es endlich zu einem Durchbruch gekommen ist.

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Re: Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzges

Beitrag von Lucille »

Danke für diese fundierte Anleitungen, das muß gut organisiert werden.
Der K(r)ampf geht weiter!

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Re: Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzges

Beitrag von deernhh »

Auch ich danke Lycisca und Kasharius fuer die klasse tollen Ausfuehrungen !
Danke, danke, danke !!!

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Re: Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzges

Beitrag von Kasharius »

Gern geschehen und vor @Lycisca ziehe ich jetzt einfach mal den Hut den ich nicht trage. Übrigens habe ich heute auch Post gleichen Inhaltes vom Bundesverfassungsgericht erhalten - VB wurde nicht zur Entscheidung angenommen (Zivilsache). Tja, ihr seht, da geht es den Menschen wie den Leuten...

Kasharius grüßt

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Re: Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzges

Beitrag von Lycisca »

@Lucille: ... das muß gut organisiert werden.
Eine Beschwerde an den EGMR kann jede der vom BVerfG abgewiesenen Kläger/innen selbst für sich führen … es ist nicht nötig, sich mit irgendjemandem abzustimmen. (Postwendend für unzulässig erklärt wird eine allfällige Beschwerde aber bei jenen, wo die Verfassungsbeschwerde mit der Begründung abgewiesen wurde, dass der Anwalt keine Vollmacht vorweisen konnte.) Falls mehrere gleichartige Beschwerden einlangen, wird sie der EGMR zusammenlegen (falls sie nicht vorher von Einzelrichtern sämtlich für unzulässig erklärt wurden) … dann können sich die Beschwerdeführer/innen wieder überlegen, ob sie sich zusammentun (z.B. ein Anwalt für alle).

Wie ist vorzugehen: 1) Von der Homepage des EGMR (www.echr.coe.int, dort weiter zu Applicants … so nennt man dort die Beschwerdeführer) wird das Beschwerde-Formular (gibt es in allen europäischen Sprachen) heruntergeladen und ausgefüllt (Anleitungen beachten: z.B. ankreuzen, dass sich die Beschwerde gegen Deutschland richtet). Das Formular wird dann ausgedruckt und unterschrieben. 2) Die Klageschrift an den BVerfG und der Beschluss des BVerfG werden kopiert (Originale behalten, falls sie nochmals geschickt werden müssen) und händisch Seitenzahlen hinzugefügt (durchgehend für beide Dokumente; im Beschwerde-Formular ist anzugeben, bei welcher Seite welches Dokument beginnt). 3) Alles kommt in einen Umschlag und dieser wird per Post an die am Beschwerde-Formular angegebene Adresse geschickt. Nach ein paar Monaten kommt dann eine Verständigung, ob die Beschwerde für unzulässig erklärt wurde (das wäre schade) oder ob sie an die Regierung zur Stellungnahme übermittelt wurde (das wäre gut, aber Geduld ist angesagt: das Verfahren wird sich dann aber noch für ein paar Jahre hinziehen). Viel Glück!

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Re: Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzges

Beitrag von Zwerg »

Aufgrund einer telefonischen Information und ohne jetzt ins Detail gehen zu wollen:

Der gegenständliche Thread dürfte durchaus als Inspiration dienen. Hoffentlich sehen das Andere auch so!

Ich persönlich halte diesen Themenstrang für einen der Wichtigsten des Forums - wäre doch schön, wenn da aus einem Steinchen eine Lawine werden könnte, die allen SexarbeiterInnen, auch über Landesgrenzen hinweg zum Vorteil gereicht. Eine auf rechtlicher Basis erreichte Durchsetzung von Menschenrechten würde, egal in welchem Land sie geschieht, alle Machthabenden erinnern, dass die Rechte von Individuen nicht willkürlich beschnitten werden dürfen.

Gerade in dem konkreten Fall wäre es wichtig, dass die direkt Beteiligten nochmals ihre Stimmen und ihren Widerspruch erheben. Es ist uns bewusst, dass Ihr, die die Sache von Anfang an persönlich unterstützt habt bereits mehr getan und auch Risiko getragen habt, als zumutbar. Ich kenne aus Gesprächen die Unsicherheit und auch Enttäuschung der Betroffenen. Trotzdem hoffe ich so sehr, dass die Geschichte nicht auf sich beruhen bleibt und Ihr noch einmal die Kraft aufbringt.

Liebe Grüße und Danke an Lycisca und Kasharius - was auch immer da rauskommt: Das was Ihr für die Rechte von SexarbeiterInnen einbringt, ist unersetzlich.

christian

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Re: Pressemitteilung – Bundesverfassungsgericht verweigert Prüfung der Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzges

Beitrag von Kasharius »

Immer wieder gerne ABER bedenkt dies: Was wir hier treiben ist keine Rechtsberatung im engeren Sinn, sondern allgemeine Handlungsanleitungen.
Jeder der Betroffenen muss bitte wohl überlegen und sich dann auch noch mal konkret individuell bei kundigen beraten lassen. Und auch die medial-politische Begleitung muss wohl überlegt und u.U. fein dosiert sein...

In diesem Sinne dann Glück auf

Kasharius grüßt