Sexualitäts-Kultur - Kultur der Sexualität

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@Friederike

ich sag ja: Das läßt hoffen. Gut das ich mein Studium hinter mir hab


Kasharius grüßt erleichtert...

Klaus Fricke
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RE: Sexualitäts-Kultur - Kultur der Sexualität

Beitrag von Klaus Fricke »

Moral Crusade continued
(siehe R. Weitzer, MORAL CRUSADE AGAINST PROSTITUTION, http://myweb.dal.ca/mgoodyea/files/Mora ... 202006.pdf)

Insbesondere unter Bezug auf den Eröffnungsbeitrag zu diesem threat von MARC der Hinweis auf ein Interview, das die bereits aus dem Artikel "Grob fahrlässige Verharmlosung des Rotlicht-Milieus" (siehe http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 499#148499) bekannte Chefredakteurin des Weser-Kurier Silke Hellwig mit Ingelore Ebberfeld geführt hat. Das Interview bewirbt letztlich das neue Buch von Frau Ebberfeld (http://www.ebberfeld.de/), "Der sexuelle Supergau - Wo bleiben Lust, Scham und Sittlichkeit?".

In ähnlicher Weise hatte 2007 bereits Walter Wüllenweber, auf den MARC in seinem Eröffnungsbeitrag hinweist die Thematik von Frau Ebberfeld, damals im Stern, behandelt. Der Titel seiner Reportage »Sexuelle Verwahrlosung - Voll Porno! Wenn Kinder nicht mehr lernen, was Liebe ist. Eltern schauen mit ihren Kindern Hardcore-Filme. 14-Jährige treffen sich zum Gruppensex. Ihre Idole singen von Vergewaltigung. Ein Teil der Gesellschaft driftet ab in die sexuelle Verwahrlosung.« (siehe http://www.stern.de/politik/deutschland ... 62430.html).

Der Plagiatsvorwurf liegt nahe, sofern Frau Ebberfeld nicht auf Walter Wüllenweber verweist. Ein Gerüchle kommt noch hinzu, wenn die Bremer Chefredakteurin der Bremer Autorin einen Vierspalter auf der Seite fünf des WK gönnt. Das Interview könnte mit den "Sittlichkeitskriterien" des Pressekodex kollidieren, die Werbung im Rahmen journalistischer Tätigkeit aussschließen.

Das Interview findet sich hier:

http://www.weser-kurier.de/bremen/breme ... 22305.html

Mein Kommentar dazu findet sich an dritter Stelle. Der sich daran anschliessende Kommentar von @Maximiliankraft ist, so finde ich, mehr als lesenswert.

Es gibt, so bereits R. Weitzer (s.o.), konservativ-autoritativ-reaktionäre Kräfte, die u.a. bemüht sind eine moralische Hysterie gegen Sexarbeit zwecks Restaurierung repressiver Sexualmoral und daran anschließend antidemokratische Gesinnungen und Regimes bis hin zum Gottesstaat christlicher Prägung zu etablieren. Diesen Zusammenhang sollten wir im Auge behalten angesichts der Ächtungskampagne die von Abolitionist*innen, zu denen ich Frau Hellwig und Frau Ebberfeld wohl zählen meine zu dürfen, gegen die Sexarbeit und siehe da von den gleichen Protagonistinnen auch gegen eine von der Last der Beschämung wenigstens in Rudimenten befreiten Sexualität geführt wird.

Das Potential der Entschämung, des u_n_v_e_r_s_c_h_ä_m_t_e_n, dass Sexarbeit bietet, ist eventuell die eigentliche Triebfeder abolitionistischer Ächtungskampagnen gegen uns. Oder wie @Maximiliankraft in seinem Kommentar festhält:

Eine Person »wie die Autorin [Ebberfeld] argumentiert wie in den 40/50er Jahren und codiert in Teilen ihr Sprachbild und gibt ihm ein modernes aufklärerische Konnontation. Fatal daran ist, das es nichts weiter ist, als der Versuch, die eigene verängstigte unterdrückte Sexualität zu verarbeiten und dabei die Schablone der eignen Ängste als Gesund zu verkaufen. ... Das hatten wir alles bereits und es hat, wenn es ungezügelt geschieht, uns bereits einmal ins Verderben geführt. Personen wie diese Autorin müssen politisch bekämpft werden, da sie Gewalt gegen unsere Kinder/Jugend als Befreiung vermarktet. Und ich möchte nicht, das mein Kind Angst haben müsste, Lust an der eigenen Sexualität zu erleben!«

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lust4fun
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RE: Sexualitäts-Kultur - Kultur der Sexualität

Beitrag von lust4fun »

Sonja Dolinsek
Eine feministische Kritik am "Sexkaufverbot"


"In diesem Text möchte ich nicht empirische, sondern theoretische und feministische Gründe und Argumente auflisten, warum aus meiner Sicht das "Sexkaufverbot" nicht feministisch sein kann. Das hat vor allem mit den verschiedenen Mythen zu tun, die der Forderung nach einer "Freierkriminalisierung" zu Grunde liegen."

http://menschenhandelheute.net/2015/10/ ... #more-3314

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nicole6
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Beitrag von nicole6 »

hier eine interesssante Sendung in Bayern2 Radio:
http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/s ... e-100.html
nachzuhören per podcast

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nicole6
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Beitrag von nicole6 »


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Beitrag von nicole6 »


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Beitrag von nicole6 »

hier ein sehr empfehlenswerter Artikel:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte ... pickzettel

Klaus Fricke
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RE: Sexualitäts-Kultur - Kultur der Sexualität

Beitrag von Klaus Fricke »

Sexualität im Zeitalter der Gefahrenabwehr
Deutscher Frauenrat


Nachdem bereits im Zusammenhang mit dem BTHG über Behinderung und Sexualität gesprochen wurde (siehe http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 208#152208 und anschließende Beiträge), ich dort auf den Runden Tisch Sexualität und Behinderung hingewiesen hatte, der - sich konstituierend - über die Abwehr der Gefahr des sexuellen Missbrauchs verhandelt hat, und selbst da dieser, so ich gehört habe, sich demnächst mit dem Thema Sexualität und Behinderung befassen möchte und dazu auch das Thema Sexualassistenz / - Begleitung angehen wird, neige ich nicht zur Beruhigung.

Die Verknüpfung Sexualität und Gewalt, die damit begründete Ausdehnung der Staatsbefugnisse bei der Reglementierung von Sexualität, für die das ProstSchG nur ein Beispiel ist, ist eine weiter vorangetriebene Erzählung, die, so finde ich geeignet ist, sexuelle Handlungen prinzipiell als Gefahr zu konstruieren, die staatliche Eingriffe und Sonderrechte zulässig erscheinen lässt. Unter diesem Gesichtspunkt stehe ich auch der Kampagne "Nein heißt Nein" (nicht dem Grundsatz Nein heißt Nein - einem Grundsatz der Grundlage von Sexarbeit, der den professionalisierten SW zweite Natur ist) und den unter dieser Leitlinie sich abzeichnenden Reformen des Strafrechts skeptisch gegenüber.

Im unten verlinkten Beitrag unterstützt der Deutschen Frauenrat die Initiative "Schule gegen sexuelle Gewalt". Ich lese diese Initiative als einen Beitrag zur Diskursverschiebung. Sexualität wird nicht als Lust sonder als Gefahr thematisiert. Das bürstet mich auf Krawall, lässt meine Sirene anspringen. Nun gut.

»Sexueller Missbrauch
Initiative: "Schule gegen sexuelle Gewalt"
Kinder vor sexueller Gewalt schützen - diesem Ziel hat sich die Initiative "Schule gegen sexuelle Gewalt“ verschrieben. Über 30.000 Schulen in Deutschland sollen dabei fachlich unterstützt werden, entsprechende Konzepte zu entwickeln


Für die Annahme der diskursiven Bedeutungsverschiebung von Sexualität spricht der Titel der Kampagne ebenso wie ihr "Schutzgehalt". Unterstützt werden Konzepte gegen sexuelle Gewalt. Wäre ein Ansatz der lustbetont die sexuelle Vielfalt und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, die frei von Eingriffen Dritter zu sein hat, ein besserer Ansatz als der der Angsterzeugung durch Gefahrenfokussierung?

Auch der Begriff des Kindes stört mich in diesem Zusammenhang, da er mit Unmündigkeit assoziert ist. Der Verweis, dass alle unter 18 jährigen in internationalen Dokumenten als Kind bezeichnet werden, der vorgebracht werden mag, hilft da wenig weiter. Die Assoziation der Unmündigkeit bleibt und dies gegen die Entwicklung in der pädagogischen Diskussion z.B. um das, was heute Kinder- und Jugendhilferecht (KJHG) genannt wird (was zuvor unter dem Begriff Fürsorgeerziehung der Schwarzen Pädagogik nahe war).

Auch wenn das KJHG als Anspruchsberechtigte seiner Leistungen zuerst die Erziehungsberechtigten nennt und deren elterliche Gewalt damit weiter als zentral betrachtet, es also nicht die Menschen unter 18 zu den Rechtssubjekten macht, die anspruchsberechtigt sind, hat es mit dem Grundsatz der zwingenden Beteiligung junger Menschen an der Gestaltung der Hilfsangebote und seiner abgestuften Begriffe für junge Menschen, andere Massstäbe gesetzt, als die der Unmündigkeit - notwendige elterlichen Sorge und zulässige elterlichen Gewalt - in Erinnerung rufen. Das KJHG kennt wenigstens die Begriffe Säugling, Kleinkind, Kind, Jugendliche, Heranwachsende und Junge Erwachsene.

Der Dreiklang Kind - Gewalt - Sexualität, wie er im Titel und Einleitungstext der Kampagne aufscheint, die vom Deutschen Frauenrat unterstützt wird, ist geeignet Eingriffsbefugnisse für Schutzmächte - erst Erziehungsberechtigte später Staat und andere Instanzen - zu legitimieren, und Mündigkeit von jungen Menschen, deren Recht auf Selbstbestimmung, in ein späteres Alter, als das der derzeitigen Volljährigkeit zu verlagern. Das ProstSchG und das Menschenhandelsstrafrecht auch die Reformentwürfe dazu (Schutzaltersgrenze 21 Jahre), sind ein Beispiel dieser restaurativen Entmündigung junger Menschen, die an die Zeiten erinnert, als die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters für Diskussion sorgte und klar war, wer zu bestimmen hatte, wo es für die Füße lang geht, die unter seiner Gemeinschaft von Tisch und Bett entstanden waren.

Insgesamt - der Frauenrat bringt es vor - eine Fürsorge ins Zentrum stellende, von Frauenbewegten und ihren Institutionen vorgebrachte Erzählung, die Bevormundung - die weiche, maternalistische wie Monika Frommel meint, die ins Matriachat inversierte des Patriarchat wie Sigusch meinen könnte - rechtfertigt und faktisch, rechtlich, sich selbst sozialtechnologisch als Expertokratie (kompetente Fachkräfte) konstruierend, vorantreibt.

http://www.frauenrat.de/no_cache/deutsc ... ewalt.html

Die im Text verwandten Begriffe sprechen auch nicht für Entwarnung
»Verdachtsfall, kompetente Ansprechpersonen, Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Unsicherheit, Angst, Schutzkonzepte, sensibilisieren, Schutzkonzepte, Schutzkonzepte der Schulkultur, missbraucht werden, Verhinderung, Unterbrechung und Hilfe, Verantwortung liegt einzig in den Händen Erwachsener, Fachkräfte«
Aber vielleicht auch alles nur mein paranoides Denken?
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Tilopa
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Beitrag von Tilopa »

@Klaus: Denke nicht, dass dieses Denken paranoid ist. Mir jedenfalls machen die von dir aufgezeigten Tendenzen genauso Sorgen.

Bitter, dass das 21. Jahrhundert so jämmerlich daherkommt... Frage mich oft, was bei den Mitmenschen nur los ist. Umso dankbarer bin ich für dieses Forum...

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RE: Sexualitäts-Kultur - Kultur der Sexualität

Beitrag von julian12 »

SPAM (editiert von Melanie)

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Re: Sexualitäts-Kultur - Kultur der Sexualität

Beitrag von ViaA »

Sehr interessanter Thread...schade, dass er quasi eingeschlafen ist.
Wie sind denn zu der Thematik neue Tendenzen zu erkennen?

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