Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

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Lucille
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Beitrag von Lucille »

Hessen hat laut Städte- und Gemeindebund klammheimlich jetzt auch eine Verordnung:

„Donnerstag, 8. Februar 2018 , Hessischer Städte- und Gemeindebund
Prostituiertenschutzgesetz
hier: Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten

Am 23.01.2018 hat die Landesregierung die „Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten für den Vollzug des Prostituiertenschutzgesetzes“ (ProstSchGZustV) beschlossen. Die Veröffentlichung im Gesetz- und Verordnungsblatt ist zeitnah geplant.

Entsprechend der Regelung in der Zuständigkeitsverordnung sind für den Vollzug der Abschnitte 2-5 und 7 des Prostituiertenschutzgesetzes die Bürgermeister als Örtliche Ordnungsbehörde zuständig. Lediglich in Gemeinden mit weniger als 7.500 Einwohnerinnen und Einwohnern werden die Aufgaben von den Landräten als Kreisordnungsbehörde wahrgenommen.

Die Möglichkeit durch öffentlich-rechtliche Vereinbarungen festzulegen, dass der Landrat die Aufgaben der Gemeinde übernehmen kann, ist explizit geregelt.

Unsere im Anhörungsverfahren gemachten Bedenken sind nicht berücksichtigt worden, insbesondere ist nach wie vor keine Regelung in Bezug auf die Übernahme von Kosten enthalten. Vielmehr wird in dem Anschreiben mitgeteilt, dass die zuständigen Behörden für Amtshandlungen aufgrund der Ermächtigung in § 2 Abs. 2 HVwKostG Gebühren in eigener Zuständigkeit bestimmen können. Als Bemessungsgrundlage für die Gebühren ist auf den Personal- und Sachaufwand sowie die kalkulatorischen Kosten abzustellen.
Der genaue Wortlaut der Verordnung ist hier abrufbar. (Link führt zu https://www.hsgb.de/mcwork/files/download/2443 )“

Quelle:
https://www.hsgb.de/ordnungsrecht/prost ... 8#blog2271

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Lucille
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Beitrag von Lucille »

Unter http://starweb.hessen.de/cache/GVBL//2018/00002.pdf

laufende Nr. H 13614 Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Hessen
findet sich als dritte Auflistung(auf S. 15) die Veröffentlichung:

„Nr. 2 – Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen – 13. Februar 2018 19 Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten für
den Vollzug des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchGZustV)*) Vom 24. Januar 2018“

… demnach seit 14.02.2018 in Kraft

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Jupiter
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Beitrag von Jupiter »

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friederike hat geschrieben:Cool: die Polizei in Stuttgart führt eine "Polizeistatistik", in der 1.400 Prostituierte gelistet sind ...

Wär mal interessant, die datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlagen nachzufragen :003
Dürfte das gleiche eingeführte Verfahren sein, wie in München. Schutz der personenbezogenen Daten ist doch in diesem Bereich nicht notwendig, dient ja der Gefahrenabwehr und ist nach dem allgemeinen Polizeigesetz gerechtfertigt.
Ich finde es immer noch unverantwortlich, wie auch im neuen Gesetzt der Schutz personenbezogener Daten bewusst ignoriert wird.
Wollen hoffen, dass Karlsruhe demnächst hier etwas sagt.
Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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RE: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von lust4fun »

Artikel auf Freitag.de:

Stöhnen auf dem Amtsflur
Verwirrung: Das neue Prostituiertenschutzgesetz überfordert Sexarbeitende und Kommunen


https://www.freitag.de/autoren/johanna- ... -in-zahlen

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Re: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von Ursa Minor »

Prostitution in Stuttgart
Verstöße gegen Kondompflicht angezeigt

Von Mathias Bury 17. Juni 2018 - 16:23 Uhr

In den Bordellen der Stadt gelten nun strengere Vorgabe für Freier, Betreiber und für die Frauen. Bisher aber werden diese noch nicht sehr intensiv kontrolliert.

Es hat gedauert, bis in Stuttgart die Umsetzung des neuen Prostituiertenschutzgesetzes so richtig begonnen hat. Nun soll es aber vorangehen. Die ersten Frauen haben ihre „Hurenausweise“. Und schon drei Freier wurden wegen Verstößen gegen die Kondompflicht angezeigt.

Stuttgart - Prostituierte müssen sich nun beraten lassen und anmelden, Bordellbetreiber werden auf ihre Zuverlässigkeit geprüft und haben Sicherheitsstandards einhalten: Mit dem seit knapp einem Jahr geltenden neue Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) hat die Politik einige Neuerungen eingeführt. Für viel Heiterkeit sorgte schon im Vorfeld die jetzt für Freier geltende Kondompflicht. Wie, so wurde schmunzelnd gefragt, sollte diese kontrolliert werden? Doch siehe da: Die Kondompflicht zeitig erste Erfolge im Prostiuiertenschutz.

„Wir haben drei Anzeigen vorliegen“, sagt Katharina Schwegler. Natürlich weiß die Polizeioberkommissarin vom Arbeitsbereich Prostitution, dass die Beamten die Kondompflicht eigentlich „nicht kontrollieren können“. Doch es gibt Wege, renitenten Freiern auf die Schliche zu kommen. In den drei Fällen waren es Streitigkeiten zwischen den Freiern und den Huren, zu denen die Polizei gerufen wurde. „Dabei kam heraus, dass der Freier kein Kondom benutzt hat“, sagt Katharina Schwegler. In einem Fall hatte sich der Mann vor dem Ende des Oralverkehrs das Kondom heruntergezogen.

„Den Frauen wird der Rücken gestärkt“

Die Polizistin findet das neue Gesetz mit der Kondompflicht gut. „Die Frauen sind darüber froh. Sie wollen, dass Kondome benutzt werden – und das Gesetz stärkt ihnen den Rücken.“ In den Bordell hängen dazu inzwischen Hinweise. Die Frage ist nun, wie hoch die Strafe dafür ausfällt. Das Gesetz sieht beträchtliche Geldbußen bis zu 50 000 Euro vor. Es müsse eine „empfindliche Geldstrafe“ sein, da das Verhalten nicht „keine Kavaliersdelikt“ sei, findet Oberkommissarin Schwegler.

Das sieht man auch bei der Stadt so, welche die Höhe des Bußgeldes festlegt. „Unter 1000 Euro brauchen wir nicht anzufangen“, sagt Albrecht Stadler, der zuständige Abteilungsleiter beim städtischen Ordnungsamt. Das Bußgeld werde „auf jeden Fall vierstellig“, betont er, man müsse „den Wink des Gesetzgebers ernst nehmen“. Endgültig entschieden ist das aber noch nicht.

Verwaltung jetzt „weitgehend arbeitsfähig“

Auch sonst ist noch einiges zutun in Stuttgart bei der Umsetzung des Gesetzes. Nun soll es aber zügig vorangehen. Man sei nun „weitgehend arbeitsfähig“, sagt Albrecht Stadler, das Ordnungsamt ist für die Betreiberseite zuständig. So ist jetzt die letzte von drei zusätzlichen Stellen im Ordnungsamt endlich besetzt worden. Das neue Personal wird sich vordringlich um die Bearbeitung der eingegangenen „Erlaubnisanträge“ kümmern.

Laut Polizei gibt es in Stuttgart rund 165 Rotlichtbetriebe, von denen bisher 60 bei der Stadt einen solchen Antrag gestellt haben. Dabei zeigt sich, dass das Verfahren sehr aufwendig ist. „Wir brauchen ein vernünftigtes, prüffähiges Konzept“, sagt Albrecht Stadler, was in den meisten Fällen bisher „recht mangelhaft“ sei. So müssen in einem 15-Seiten-Formular etwa die organisatorischen Abläufe in den Rotlichtbetrieben dargestellt werden, die Vertragsstrukturen mit den Frauen, das Notrufsystem, die hygienischen Verhältnisse. Deshalb gehört es derzeit zu den Hauptaufgaben der städtischen Mitarbeiter, eine Anleitung zum Ausfüllen der Anträge zu geben. Auch bei den bisher zehn Kontrollen vor Ort.

60 Anträge von Rotlichtbetrieben

Eine positiv Erfahrung hat der Abteilungsleiter Sicherheit und Ordnung dabei schon gemacht. „Die Betriebe sind nicht unwillig und machen sich auf, die baulichen und rechtlichen Anforderungen zu erfüllen.“ Dies scheint sogar bei einer jener neuen Auflagen so zu sein, die bei Bordellbetreibern sehr umstritten war und ist: dass die Frauen nicht mehr im sogenannten „Verrichtungszimmer“ wohnen dürfen und eine zusätzliche Bleibe brauchen. So hätten sich einige Billighotels in der Stadt darauf eingestellt, in denen nun vor allem Prostituierte nächtigen. Die Stadt akzeptiert aber auch, wenn ein Bordellbetreiber ein Stockwerk als Wohnbereich für die Frauen abtrennt, dass für diese „ein Hauch von Privatsphäre“ entsteht, so Stadler.

Den Einwand, dass sich die Huren wegen höherer Kosten noch mehr prostituieren müssten, hält der Abteilungsleiter nicht für stichhaltig. So könne man durch das neue Gesetz die finanzielle Belastung der Frauen mit einem „Deckel“ versehen. Wenn ein Bordellbetreiber von diesen mehr als das Doppelte der üblichen Mietsätze verlange, es sich also um eine „sittenwidrige Miete“ handle, könne man dagegen vorgehen.

Vereinzelt steigen Prostituierte aus

Nur: Was ist dem rund 100 Betrieben, die noch gar keinen Antrag bei der Stadt gestellt haben? Albrecht Stadler schätzt, dass darunter etwa Wohnungen seien, in denen Prostituierte alleine oder zu zweien selbstständig tätig seinen und die deshalb nicht unter die Vorgaben des neuen Gesetzes fallen. Und der Abteilungsleiter geht davon aus, dass ein Teil der Betriebe aufgegeben werden. Stadler vermutet: „Die Zahl wird sich deutlich reduzieren.“ Nach anfänglicher Skepsis ist er deshalb inzwischen auch zuversichtlich, dass die Stadt in absehbarer Zeit „die Betriebe und den Markt geordnet bekommt“. Kontrollzahlen würden in nächster Zeit jedenfalls „deutlich steigen“, verspricht Stadler. Erst Erlaubnisse oder Ablehnung werde man aber wohl erst nach der Sommerpause geben.

Derweil hat das Gesundheitsamt, das für die Anmeldung und die damit verbundenen Beratungen der Prostituierten zuständig ist, in der vorigen Woche die ersten „Ausweise“ ausgestellt. Seit voriger Woche sind nun zwei zusätzliche Sozialarbeiterinnen und eine Verwaltungskraft im Einsatz. Bald werden die Anmeldezahlen deutlich steigen, schätzt Margarete Schick-Häberele vom Gesundheitsamt. „Diese Woche haben viele Frauen angerufen und sich einen Termin geben lassen.“ Schon zuvor hatten sich rund 350 Prostituierte gemeldet, mehr als eine Bescheinigung ihrer Bemühung gab es aber nicht. In absehbarer Zeit dürften die Zahlen aber deutlich steigen. Nach den Zahlen der Polizei sind täglich etwa 450 Dirnen in Stuttgart tätig, im ganzen Jahr circa 1400. Wenn eine Frau aber bereits eine Anmeldung aus einem anderen Bundesland hat, wo man zu Teil weiter ist, und dort angegeben hat, dass sie auch in Baden-Württemberg arbeiten will, gilt die Anmeldung auch hierzulande.

Erster Kontakt zum Hilfesystem

In jedem Fall sind die Frauen nun zu zwei Beratungsgesprächen verpflichtet, eines zu Gesundheitsfragen, das andere zu sozialen und rechtlichen Themen. Danach erhalten sie eine Art Anmeldeausweis mit Foto. So dem nicht beispielweise entgegensteht, dass die Frauen sich in einer Zwangslage befinden. „Das vermuten wir bei vielen Frauen“, sagt Margarete Schick-Häberele. Das aber reiche nicht aus. Es müsse „tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür geben. Weshalb es wahrscheinlich kaum Ablehnungen geben wird, wenn die Frauen nicht selbst darüber sprechen, schon gar nicht im Erstgespräch.

Die Sozialarbeiterin, die seit 30 Jahren in der Beratung von Prostituierten tätig ist, hält für entscheidend, dass ein Kontakt zu den Frauen entsteht, ein gewissen vertrauen und dass sie das Hilfesystem der Stadt kennenlernen. Und dass, wie sie sagt, „jetzt alle kommen müssen“: Dominas oder Frauen, die in einem Escort-Service oder in einem Studio für Tantra-Massage tätig sind, genauso wie Straßenprostituierte. „Eben alle, die sexuelle Dienstleistungen anbieten“, sagt die Sozialarbeiterin. Das hat zur Folge, dass vereinzelt Prostituierte schon aufgehört hätten. Es handle sich dabei wohl vor allem um „Gelegenheitsprostituiert“, die sonst ein bürgerliches Leben führen und jetzt Angst haben, dass sie durch die Registrierung auffliegen könnten.

Es fehlen Dolmetscher

Noch läuft auch im Gesundheitsamt noch nicht alles rund. So werden die Beratungen derzeit nur in Deutsch und Englisch angeboten, zum Teil auch auf Spanisch. Ein Dolmeterscherdienst steht noch nicht, weil dies nicht einfach ist, denkt man über Videodolmetscher nach. Insgesamt aber ist Margarete Schick-Häberele zuversichtlich: „Wir sind auf einem guten Weg in Stuttgart.“

https://www.stuttgarter-nachrichten.de/ ... 7545a.html

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Re: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von fraences »

Ein Jahr Prostituiertenschutzgesetz
Die Umsetzung des Gesetzes und seine Folgen


von Doña Carmen e.V., Juni 2018

Die nachfolgenden Ausführungen beleuchten die Umsetzung des so genannten
„Prostituiertenschutzgesetzes“ ein Jahr nach dessen Inkrafttreten im Juli 2017.1 Sie kommen
anhand zahlreicher Beispiele und Belege zu drei wesentlichen Ergebnissen:

(1) Die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes erzeugt ein allgemeines Klima der
Rechtsunsicherheit
und verschärft die bestehende Diskriminierung von Sexarbeit.

(2) Die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes führt nachweislich zu einer
Verringerung des Angebots sexueller Dienstleistungen und zu einer Illegalisierung
von Sexarbeit.
Es handelt sich hierbei nicht mehr bloß um eine vielfach geäußerte
Befürchtung, sondern mittlerweile um eine Tatsache.

(3) Die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes hat eine Welle der Schließungen
von Prostitutionsgewerben
zur Folge mit nachteiligen Folgen für Sexarbeiter/innen

Hier weiter lesen:
https://www.donacarmen.de/wp-content/up ... stSchG.pdf
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
Fakten und Infos über Prostitution

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Re: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von deernhh »

KONDOMPFLICHT, "HURENPASS", GESUNDHEITSCHECKS:
GESETZ ZUM SCHUTZ VON PROSTITUIERTEN VERUNSICHERT EINE GANZE BRANCHE
Von Carola Grosse-Wilde, dpa
27. Juni 2018, 7:15 Uhr

Den ganzen Artikel bitte lesen unter:
https://www.shz.de/regionales/hamburg/g ... 70202.html

Stephanie Klee kommt hier zu Wort.
Auch der Verein Dona Carmen

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Ursa Minor
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Re: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von Ursa Minor »

Kommt das große Sterben der Sexbetriebe?

Von Mathias Bury 23. Juli 2018 - 18:02 Uhr

Noch läuft das Sexgewerbe auch in Stuttgart wie eh und je. Aber die Prüfungen der Bordelle läuft, die nach dem neuen Prostituiertenschutzgesetz eine Genehmigung wollen.

Stuttgart - Lady Pam“ residiert in einem Lustschloss in Silber, Weiß und Grau. Auf dem hohen Bett sind graue Kissen drapiert, Zimmerdecke und Wände sind silbern lackiert. In einem mit Spiegeln besetzten Regal stehen Parfümflakons in großer Zahl, von der Decke hängt ein Lüsterleuchter. Im Nebenraum locken Utensilien für Sadomaso-Spiele, an einer verspiegelten Tür hängen Peitschen. Im weißen Imitat eines offenen Kamins lodert elektrisches Feuer.

Die gut gebräunte Frau, die langes graues Haar trägt, hat über ihrem enormen Busen ein großes Rosenornament im Dekolleté tätowiert. „Mit Unterbrechungen mache ich das seit 17 Jahren“, sagt die 35-Jährige, während sie den verspiegelten Fenstersims putzt. Als „Lady Pam“ mietet sie für 200 Euro am Tag die beiden Räume in dem Bordell an der Kernerstraße. „Natürlich mache ich das freiwillig“, sagt sie hörbar empört.

Die Frage kommt von Dominik Kirchhauser vom Amt für öffentliche Ordnung. Er und sein Chef Benno Bartosch, der Sachgebietsleiter Gewerberecht, machen einen Kontrollgang durch das Bordell. Der Betreiber hat einen Antrag auf Genehmigung nach dem neuen Prostituiertenschutzgesetz gestellt. In jedem der 13 Zimmer des vierstöckigen Hauses schauen sie, ob in Reichweite des Betts ein Alarmknopf angebracht ist, der auch ein Notrufsignal auslöst, ob das Zimmer groß genug ist, ob die Frauen einen verschließbaren Spind oder einen Tresor für ihre Wertsachen haben.
In einer Glasvitrine im Treppenhaus steht in großen Lettern: „Hier gilt Kondompflicht“. Doch das reicht nicht. „Sie müssen diesen Hinweis in den Zimmern der Frauen aufhängen“, sagt Benno Bar­tosch. So sieht es das seit einem Jahr geltende Gesetz vor. „Das kann ich gleich ausdrucken, das habe ich auf dem Laptop“, sagt Walter G., der Betreiber des Bordells, der die Zimmer an die Frauen vermietet. „Wo soll ich es hinhängen – übers Bett?“, fragt der 55-Jährige, der die Gruppe in T-Shirt, kurzer Hose und Flipflops begleitet. „Das wäre ideal“, sagt Dominik Kirchhauser. Er ist jetzt im Zimmer von „Ts Annabelle“, einer von vier Transsexuellen, die hier ihre Körper feilbieten.

In dem ebenfalls in kühlem Silber gehaltenen Zimmer stehen Stilettos herum, überkniehohe schwarze Lackstiefel hängen an der Wand. „In den 140 Euro am Tag fürs Zimmer sind Pflege- und Hygienemittel, Kondome, Wäsche enthalten“, gibt die androgyne Annabelle Auskunft. Die nach dem neuen Gesetz nötige Anmeldebescheinigung der als Mann geborenen, heute 28 Jahre alten Transe wurde im Hochsauerlandkreis ausgestellt. „Die Tür ist immer zu öffnen, sie hat kein Schlüsselloch“, stellt Dominik Kirchhauser fest. Das muss so sein, dass sich auch kein übergriffiger Freier mit der Prostituierten einschließen kann.

Eine andere Vorgabe des neuen Gesetzes erfüllt das Haus von Walter G. aber nicht. Die Frauen nächtigen alle in den Räumen, in denen sie Freier bedienen, künftig aber muss der Arbeits- vom Schlafbereich getrennt sein. „Vielleicht kann ich im Nebenhaus Wohnungen anmieten, wo die Frauen schlafen“, sagt Walter G. Aber das ist alles andere als sicher.

Es ist nicht das Einzige, was Benno Bar­tosch zu beanstanden hat. Zwar gibt es auf jedem Stockwerk eine kleine, wohnlich eingerichtete Küche und auch ein Bad mit Toilette und Dusche, doch die wird von den Frauen und von Freiern genutzt. Auch das ist künftig nicht mehr zulässig. „Für die Freier brauchen Sie eine eigene Dusche“, sagt der Sachgebietsleiter Gewerberecht. Der Betreiber hat schon einen Platz, wo man die einbauen könnte, in einem Abstellbereich im Gang. Nur fragt sich der 55-Jährige: Was kommt als Nächstes? „Muss ich auch noch Parkplätze ablösen? Das geht dann ins Bodenlose, dann lohnt sich das nicht mehr.“ Walter G. findet das nicht in Ordnung. „So sauber, wie es hier ist, das können Sie lange suchen“, sagt er. Man sei kein Laufhaus wie in der City, wo Frauen für 30 Euro zu haben seien. Hier in der Kernerstraße kostet eine halbe Stunde Sex 100 Euro, eine Stunde 150, für Analverkehr kommen noch 50 Euro drauf. Schon diese Preise, sagen alle hier, führe zu einem gewissen Niveau bei der Kundschaft. „Aus unserer Sicht ist das Haus in Ordnung“, bestätigt Katharina Schwegler die Einschätzung. „Hier gibt es keine Probleme“, sagt die 37 Jahre alte Polizeioberkommissarin vom Arbeitsbereich Prostitution, die bei der Kontrolle des Ordnungsamts dabei ist.

Auch der eine oder andere Freier ist an diesem Nachmittag unterwegs und drückt auf eine der Klingeln an der Wohnungstür. „Scarlett“ steht auf einer von diesen. Sie ist 59 Jahre alt und drei bis vier Tage die Woche hier. „Ich mag Männer und Sex“, sagt sie. Sie hat drei erwachsene Kindern und arbeite noch an der Kasse eines Shoppingcenters in der Region. Das neue Prostituiertenschutzgesetz passt ihr gar nicht. „Das macht mir mehr Vorschriften als mein Betreiber“, ärgert sie sich. Zum Beispiel die Kondompflicht. „Warum überlässt man das nicht uns?“ Sie nehme ohnehin nicht jeden, sagt Scarlett. Die Freier seien jedenfalls verunsichert, hat die zierliche Frau mit dem brünetten Haar festgestellt. „Der Zulauf ist leicht zurückgegangen.“

In ihrem vertrauten Zimmer mit dem nostalgischen Metallbett wird Scarlett ohnehin keine Freier mehr empfangen können. Es liegt mitten in der Wohnung und hat kein Fenster. „Das ist baurechtlich nicht genehmigungsfähig“, sagt Benno Bartosch dem Betreiber. Aus Gründen des Brandschutzes. Voraussetzung für eine Zulassung nach dem Prostituiertenschutzgesetz ist, dass die baurechtliche Genehmigungsfähigkeit wenigstens im Grundsatz gegeben ist. Doch selbst wenn Walter G. alle Auflagen nach dem neuen Gesetz erfüllt, ist nicht sicher, ob er auf Dauer weitermachen kann. „Auch bei den Betreibern herrscht eine große Verunsicherung“, hat Polizeioberkommissarin Schwegler festgestellt.
Wenn man sich mit Kirsten Rickes unterhält, weiß man, warum. „Die große Mehrheit wird eine Ablehnung bekommen und zumachen müssen“, sagt die Leiterin des städtischen Baurechtsamts über die rund 60 Anträge von Rotlichtbetreibern, die dem Ordnungsamt derzeit vorliegen. Nicht nur, dass nur ganz wenige Betriebe heute schon eine baurechtliche Genehmigung haben. Inzwischen gibt es für alle Bezirke der Stadt Vergnügungsstättensatzungen, die festlegen, wo Bordelle oder bordellartige Betriebe zulässig sind. Das sind nicht viele Bereiche. An der Kernerstraße, wo Walter G. sein Etablissement hat, jedenfalls nicht. „An der Stelle kann man keine Genehmigung bekommen“, sagt Kirsten Rickes. Doch so schnell mahlen die Mühlen im Rotlichtgewerbe nicht. Auch die Chefin des Baurechtsamts weiß: Die Betreiber werden Rechtsmittel einlegen. Dann kann es Jahre dauern, bis die Betriebe zu sind. Rickes: „Auf die Schnelle tut sich da nichts.“


https://www.stuttgarter-zeitung.de/inha ... e43a4.html

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Zwerg
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Re: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von Zwerg »

Ursa Minor hat geschrieben:
31.07.2018, 10:39
Die Betreiber werden Rechtsmittel einlegen. Dann kann es Jahre dauern, bis die Betriebe zu sind. Rickes: „Auf die Schnelle tut sich da nichts.“
Aus unserer Erfahrung mit den Konzessionierungen in Wien können wir nur (leider) sagen, dass man sich da nicht täuschen soll. Alleine die Zahl der konzessionierten Etablissements spricht Bände: In Wien sind mehr als 3 500 SexarbeiterInnen angemeldet Da ja Wohnungsprostitution verboten ist und Escort nur im Graubereich stattfindet, dürfen diese SW nur in konzessionierten Lokalen oder am Straßenstrich arbeiten. Auf der Straße arbeiten weniger als 100. Demnach müssten 3400 in Lokalen unterkommen. Es sind aber weniger als 400 Lokale konzessioniert worden (mit teilweise recht eigentümlichen Auflagen). Wenn man jetzt bedenkt, dass in Wien Laufhäuser und Großbetriebe eine untergeordnete Rolle spielen und die meisten Studios eher klein (2 - 3 Zimmer) sind, so merkt man schnell, dass sich da was nicht ausgehen kann.

Besonders fragwürdig erscheint mir in diesem Zusammenhang eine Liste, welche von einer NGO in Wien veröffentlicht wurde (mit dem Querverweis des zuständigen Polizisten, dass die Behörde selbst das eigentlich nicht darf). Es handelt sich um eine "Whitelist" eine (noch dazu unvollständige) Liste der behördlich genehmigten Lokale. Was man aber im guten Glauben beflissentlich übersieht ist, dass eine "Whitelist" auch als "Blacklist" gesehen werden kann. Wir haben bereits mehrere Fälle wo "Versuche" stattgefunden haben, in Lokalen welche nicht auf dieser Liste stehen "Services" zu erhalten, da man ja im illegalen Bereich arbeiten würde.... Die Versuche sind unseres Wissens gescheitert, jedoch zeigen diese Vorfälle eine weitere Gefahr, welche die Konzessionierung mit sich bringt.

Auch ist es so, dass die Behörde auch bei entsprechend Argumentation jedes Lokal sofort schließen kann - und genau das wird des öfteren unter Beweis gestellt. Für uns entbehrt die Erteilung einer Konzession (ohne jeglicher Begründung der Auflagen und ohne Fachwissen durchgeführt) eine reine Schikane - eine Verhinderungsaktion gegenüber Sexarbeit. Ein Mittel um zu verhindern und nicht um zu verbessern.

Die weitere Kriminalisierung der Sexarbeit durch das Drängen in die Illegalität ist die Folge

christian

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Kasharius
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Re: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von Kasharius »

Stand in Berlin lt. Tagesspiegel

https://www.tagesspiegel.de/berlin/ein- ... 67414.html

K'asharius grüßt

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Re: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von Kasharius »

Aktueller Stand zur Umsetzung in Brandenburg lt. Antwort auf eine parlamentarischen Anfrage

https://www.parlamentsdokumentation.bra ... 0/9178.pdf

Kasharius grüßt

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Re: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von Kasharius »

Hier (nochmals) die sehr lesenswerte Bilanz von DC e.V. zu einem Jahr Prostituiertenschutzgesetz, die sicherlich auch dem Bundesverfassungsgericht vorliegen sllte. https://www.donacarmen.de/wp-content/up ... stSchG.pdf

Kasharius grüßt

P.S. Aus der Einleitung ergibt sich übrigens auch, daß Dona Carmen nicht gänzlich gegen, sondern für eine vernünftige Regulierung eintritt; die Abos und deren Parteigänger behaupten ja gerne ersteres...

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Re: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von Kasharius »

Und non nen Gedicht...: Wie sich aus dem nachfolgenden Dokumnt ergibt, führt der Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung im Landtag von Sachsen-Anhalt am 16.8.18 um 14.00 Uhr ein Fachgespräch zur Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetz durch. Die potentiellen Teilnehmerfinden sich auf S. 3 der Einladung. Hier das Dokument....https://padoka.landtag.sachsen-anhalt.d ... r019e7.pdf

Kasharius grüßt

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Re: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von Kasharius »

Und hier ein etwas älteres Dokument vom 18.2.18 aus der Bremer Bürgerschaft https://sd.bremische-buergerschaft.de/s ... tzgesetzes

Es betrifft die Kosten der dortigen Umsetzung des ProstSchG und prognostiziert die Mehreinnahmen für diesen Stadtstaat. Vielleict ist es ja von Interesse...

Kasharius grüßt

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Re: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von Kasharius »

Hier noch ein weiteres Dokument zum Stand der Umsetzung des Gesetzes in Berlin mit aktuellen Zahlen zur Anmeldung

http://pardok.parlament-berlin.de/starw ... -15684.pdf

Kasharius grüßt

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friederike
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Re: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von friederike »

"Knapp 100" Anmeldebescheinigungen und 3 Betriebsgenehmigungen in Berlin, mehr als ein Jahr nach dem Wirksamwerden des ProstSchG. Keine Erkenntnisse über positive Effekte. Ein Desaster.

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Re: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von Kasharius »

Hier die Antwort der sächsischen Staatsregierung vom 1.8.18 zum Stand der Umsetzung in Sachsen

http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.a ... _id=248882

Kasharius grüßt

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Re: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von Kasharius »

Und hier zwei annähernd aktuelle Dokumente zum Umsetzungsstand in Berlin

http://pardok.parlament-berlin.de/starw ... -15684.pdf

http://pardok.parlament-berlin.de/starw ... -16037.pdf

Kasharius grüßt

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Re: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von Kasharius »

Und hier das bisher aktuell verfügbarste Dokument zum Umsetzungstand in Rheinland-Pfalz/Koblenz vom Mai 2018

http://pardok.parlament-berlin.de/starw ... -16118.pdf

Und hier noch eine kommunal-verfassungsrechtliche Entwicklung zum ProstSchG in NRW

http://www.vgh.nrw.de/pressemitteilunge ... /index.php

Kasharius grüßt und bleibt dran

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Re: Umsetzung Prostituiertenschutzgesetz

Beitrag von lust4fun »

Artikel in der Berliner TAZ:
Prostituiertenschutzgesetz seit einem Jahr
von Patricia Hecht
17.12.18
http://taz.de/%215556645/