Vom Straßenstrich ins Laufhaus-Interw. mit einem CDU-Callboy

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nina777
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Vom Straßenstrich ins Laufhaus-Interw. mit einem CDU-Callboy

Beitrag von nina777 »

Vom Straßenstrich ins Laufhaus: Interview mit einem CDU-Callboy

Jeder weiß, dass es sie gibt, viele nehmen ihre Dienste in Anspruch und dennoch fristen sie ihr Dasein an den Schmuddelrändern der Gesellschaft: Die Rede ist von Politikern, die ‘es’ für Geld tun. Was verschämt als ‘Politiker-Sponsoring’ bezeichnet wird, spielte sich bislang in schummrigen Kongresshallen oder an zugigen Wahlkampfständen ab. Dabei gibt es die Sponsoring-Szene im Berliner Regierungsviertel seit Jahrzehnten. Doch nicht zuletzt mit der Öffnung nach Osten kamen in den vergangenen Jahren immer mehr Politiker. Viel zu viele für die paar Parteitage, weshalb man unlängst ein Etablissement für gewisse Dienstleistungen eröffnet hat – das erste Laufhaus’ für Politiker-Sponsoring.

Ich stehe vor einer getönten Glasfassade in Berlin-Tiergarten. Nach außen will man sich unverfänglich geben, kein Aufsehen erregen. ‘Konrad-Adenauer-Haus’ steht am Türschild, darunter: ‘Bundeszentrale der CDU’. Im Inneren lange Gänge mit zahllosen Séparées, in denen sich graumelierte Herren dem potentiellen Kunden darbieten. Die meisten tragen aufreizende Anzüge, einige sogar frivole Krawatten. Einer von ihnen ist Helmut* (63). Er ist bereit, mit mir über seinen Beruf zu reden, möchte jedoch auf keinen Fall seinen echten Namen veröffentlicht sehen. Der untersetzte Herr empfängt mich an seinem ‘Arbeitsplatz’, einem funktionellen Schreibtisch, auf dem eine Flasche Sekt der Marke ‘Rüttgers Club’ steht. “Ist im Preis inbegriffen”, eröffnet Helmut unsere Unterhaltung, “das lockert die Zunge!” Dass damit zu einem geächteten Beruf schnell auch noch Suchtprobleme kommen, sieht er offensichtlich nicht.

Wie er in die Szene gerutscht sei? “Das geht ganz schnell”, erklärt Helmut, “du wirst mit der Aussicht auf Mandate, Ministerposten oder Süßigkeiten gelockt. Ganz nebenbei bittet dich der Generalsekretär zu einem Gespräch mit guten Bekannten – ein paar hingesagte Sätze hier, eine Floskel dort, und ehe du dich versiehst, wirst du eine ganze Nacht lang durchgesponsert!” Er wisse noch ganz genau, wie schmutzig er sich nach dem ersten Mal gefühlt habe. Vier Stunden lang habe er unter der Munddusche gestanden. Einmal derart gebrochen, schafften nur wenige den Ausstieg. Dabei seien es die Kuppler – im Szenejargon ‘Schatzmeister’ genannt – welche den größten Anteil der Einnahmen kassierten. Die Gesponserten selbst bekämen nur ein paar überzählige Parteispenden und müssten davon noch ihre Arbeitskleidung finanzieren, wobei so ein Anzug bei C&A locker schonmal 120 Euro kosten könne.

Ob seine Kunden ganz spezielle Vorlieben hätten? Helmut zögert. “Die meisten wollen wirklich nur reden.” Solche seien ihm noch am liebsten. 1000 Euro für eine halbe Stunde Small Talk, die schnelle Nummer halt. “Es kommen aber immer mal wieder welche, die auch Hände schütteln und sich dabei filmen lassen wollen .” Das koste allerdings extra. Daneben gebe es noch die ganz perversen Typen – Lobbyisten zum Beispiel. “Die zahlen 20.000 für eine Nacht und denken, sie können dich für jedes abartige Bedürfnis benutzen”, erklärt Helmut, “einfach ekelhaft!”

Wie sieht es mit Verhütung aus? Helmut verdreht die Augen. Sicher könnte er einen Mundschutz tragen – doch das turne die Kunden ab. Klar, dass in seiner Branche alle Angst vor einer Tröpfcheninfektion hätten. “Man weiß ja nie, mit wem die Leute vorher geredet haben, welche Ausdrücke sie in den Mund genommen haben.” Er kenne keinen Kollegen, der sich noch nie mit einem schlimmen Schnupfen infiziert hätte. Manche würden sich eine chronische Stimmbandentzündung einfangen. “Dann bist du ganz unten und kannst nur noch schriftlich verkehren.”

Zum Krankheitsrisiko komme die soziale Ausgrenzung. Seine Familie habe sich von ihm abgewandt, erzählt Helmut. Besonders schlimm finde er die Doppelmoral: Sein Bruder, ein bekannter Sozialunternehmer, rede seit Jahren nicht mit ihm. Dabei gehe der jede Woche ins Laufhaus der roten Konkurrenz um die Ecke, um dort ausgiebige Gespräche zu führen. Ich frage Helmut nach seinen Zukunftsaussichten: “Noch ein, zwei Jahre, dann gehöre ich zum alten Eisen.” Die Sitten in der Branche würden immer härter, das Verlangen nach ‘Frischfleisch’ stets größer. Erst kürzlich seien zwei Jesuiten aufgetaucht, hätten ein Bündel Geldscheine auf den Tisch geknallt und verlangt, Mitglieder der Jungen Union zu sponsern.

Plötzlich wird Helmuts Bürotür geöffnet: Eine dralle ältere Blondine mit ulkiger Frisur und auffallend herabhängenden Mundwinkeln reicht Helmut frische Broschüren und Aktenordner zum Wechseln. Helmut schaut mich an, während seine Lippen lautlos das Wort ‘Puffmutter’ formen. Für mich das Signal zum Aufbruch. Helmut rückt seine Krawatte zurecht und wickelt ein Hustenbonbon aus.

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Sami
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Beitrag von Sami »

Ein großartiger Beitrag!!!

Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so herzhaft gelacht habe!

Gerade bittere Wahrheiten sind am besten verdaulich, wenn sie auf eine solche Art und Weise verpackt sind.....

Sami
Wenn Du einen Buckel hast, streue einfach etwas Glitter drauf und gehe tanzen!
(James St. James)