SPIEGEL-Interview mit Alice Schwarzer

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Hamster
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SPIEGEL-Interview mit Alice Schwarzer

Beitrag von Hamster »

Aus dem SPIEGEL-Heft Nr. 31 vom 30.07.2016
"ZU SELTEN GEWEINT"

SPIEGEL-Gespraech
Die Feministin Alice Schwarzer ueber Frauen in Spitzenaemtern, die Wut der Maenner und die verspaetete Einsicht in eigene Fehler

Spiegel: Frau Schwarzer, Angela Merkel regiert Deutschland seit fast elf Jahren. Theresa Mey ist seit gut zwei Wochen britische Premierministerin, und Hillary Clinton koennte die erste Praesidentin der USA werden. Wird die Welt besser wenn sie von Frauen regiert wird?

Schwarzer: Sie wird auf jeden Fall anders. Frauen haben eine andere Geschichte, eine andere Lebensrealitaet als Maenner. Bis heute. Sie bringen also andere Erfahrungen ein. So hat Merkel in ihrer Kanzlerschaft von Anbeginn an einen sehr uneitlen, sachbezogenen Stil gepflegt, an dem sich Theresa May ganz offensichtlich orientiert. Es war kein Zufall, dass Mays erste Auslandsreise nach Berlin ging. Dort sagte sie den schoenen Satz: "Wir sind zwei Frauen, die ihren Job machen."

Spiegel: Woran liegt es, dass Frauen anders regieren?

Schwarzer: Bei den Hahnenkaempfen der Maenner geht es ja immer darum, das Gesicht zu wahren. Frauen hatten jahrhundertelang gar kein Gesicht zu verlieren. Die einzige Ehre die sie verlieren konnten, lag zwischen ihren Beinen. Und natuerlich haben Frauen in den vergangenen Jahren begriffen, dass ihr Verhalten immer noch mit zweierlei Massstaeben gemessen wird. Wenn eine Frau nach oben will, ist sie eiskalt und karrieregeil. Bei Maennern heisst es anerkennend: weiss sich durchzusetzen.

Spiegel: Im Grundsatzprogramm der SPD steht der Satz: "Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die maennliche ueberwinden." Ist das nicht ein bisschen naiv?

Schwarzer: Es ist schlicht und einfach das Recht der Frauen, die Haelfte der Macht fuer sich zu beanspruchen. Punkt. Ich hatte noch nie die Illussion, dass Frauen die Welt dann gerechter oder moralischer machen. Frauen sind nicht automatisch besser als Maenner. Sie hatten in der Vergangenheit nur seltener Gelegenheit, sich die Haende schmutzig zu machen.

Spiegel: Wenn man Ihren Gedanken konsequent zu Ende denkt, heisst das: Irgendwann wird es einen weiblichen Hitler geben?

Schwarzer: Monster wie Hitler gab es ja nun nicht so oft in der Geschichte. Aber sicher: Wenn mehr Frauen an die Macht kommen, dann wird es auch welche geben, die diese missbrauchen.

Spiegel: Ist so gesehen der Aufstieg von rechtspopulistischen Politikerin wie Marine Le Pen und Frauke Petry eine Art Normalisierung?

Schwarzer: Ja. Frauen sind links und rechts. Fair und gemein. Schlau und dumm. Der Weg, den Marine Le Pen geht, ist uebrigens sehr interessant. Ihr Vater war noch ein knallharter Rechter, ein Faschist und Antisemit. Marine Le Pen hat mit ihrem Vater gebrochen, sich fuer die Homo-Ehe ausgesprochen. Sie ist soft rechtspopulistisch. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich hege keine Sympathien fuer Le Pen, auch sie ist Nationalistin. Aber wenn man sich fuer Machtpolitik der Geschlechter interessiert, ist sie ein interessanter Fall.

Spiegel: Hat die Frauenbewegung die Leistungen von Margaret Thatcher, der konservativen Premierministerin, zu wenig gewuerdigt?

Schwarzer: Die linken Feministinnen ja. Sie muessen sehen, dass gerade die westdeutsche Frauenbewegung sehr im politischen Lagerdenken verhaftet war. Fuer eine aufrechte Linke war es verboten, Thatcher interessant zu finden. Es gab da nur wenige Ausnahmen, die unterschieden zwischen der berechtigten Kritik an Thatchers Politik einerseits und ihrer Funktion als Rollenmodell andererseits. Wir muessen lernen, dass man eine Frau an der Macht bis auf Weiteres bemerkenswert finden kann, auch wenn man ihren Umgang mit der Macht kritisiert.

Spiegel: Gibt es aus Ihrer Sicht eigentlich eine Verpflichtung fuer Politikerinnen, sich fuer die Sache der Frauen einzusetzen?

Schwarzer: Ueberhaupt nicht. Ich hoffe das, aber ich erwarte es nicht.

Spiegel: Angela Merkel wurde anfangs kritisiert, weil sie sich als Kanzlerin nicht fuer Frauenthemen engagiert hat.

Schwarzer: Ich bin die Erste, die das versteht. Fuer den westdeutschen Mann war es ja schon Zumutung genug, dass eine Ostdeutsche ins Kanzleramt einzog. Und dann noch eine Frau! Wenn sie da auch noch angefangen haette, die Frauenrechtlerin zu geben, dann haette sie sich gleich eine Bombe unter den Stuhl legen koennen. Aber sie hat dann ja ihre Familienministerin eine sehr fortschrittliche Frauenpolitik machen lassen.

Spiegel: Viele amerikanische Feministinnen haben es Hillary Clinton uebel genommen, dass sie ihrem Mann auch noch die Treue hielt, als herauskam, dass er ein notorischer Fremdgaenger ist.

Schwarzer: Es gibt keine Frau, die in den vergangenen Jahrzehnten oeffentlich so vorgefuehrt und gedemuetigt worden ist wie Hillary Clinton. Fuer mich ist es ein Wunder, dass sie nicht schon laengst in der Psychiatrie gelandet ist. Als Bill angetreten ist, sagte er: "Waehlt mich, und ihr bekommt zwei zum Preis fuer einen." Das war eine stolze Ansage, aber natuerlich auch die Einladung fuer alle Frauenhasser, Hillary ins Visier zu nehmen. Ploetzlich war sie die boese Hexe im Weissen Haus. Natuerlich hat sie das getroffen. Unter dem Druck der Angriffe machte sie sich klein und wurde scheinbar die First Housewife, die woechentlich die Frisur wechselte, Cookies buk und ihrem Bill ein schoenes Heim bereitete. Es hat ihr alles nichts genutzt. Als die Monica-Lewinski-Affaere losbrach, hiess es nun auch noch: Na ja, sie mag zwar intelligent sein, und Bill kann sich mit ihr ueber Politik unterhalten, aber er begehrt sie nicht. Das war perfide und verletzend. Die uralte Teilung von Frauen in Kopf und Koerper! Jetzt sehen wir den finalen Kampf: der Supermacho Trump gegen die Feministin Clinton.

Spiegel: Warum werden Frauen, die an die Macht wollen, so stark ueber Aeusserlichkeiten angegriffen?

Schwarzer: Weil unser Wert als Objekt lange entscheidend war. Frauen waren ganz real relative Wesen. Ohne die Gunst eines Mannes waren wir verloren. Diese Vorstellung sitzt immer noch tief. Ich bin ueberzeugt, dass man bis heute fast jede Karrierefrau kippen kann mit der Aussage: "Du magst zwar tuechtig und intelligent sein, nur leider bist du nicht begehrenswert." Inzwischen gibt es die Versuche, erfolgreicher Frauen, dem offensiv zu begegnen. Indem sie sich demonstrativ weiblich inszenieren, sie tragen dann High Heels und sehr kurze Roecke. Ich bezweifle allerdings, dass das die richtige Strategie ist.

Spiegel: Was ist die richtige Strategie?

Schwarzer: Den eigenen Stil wahren, seine Wurzeln nicht durch Ueberanpassung kappen. Merkel traegt einfach praktische Sachen, Blazer, Hosen und flache Schuhe; das mag langweilig sein, aber es passt zu ihrer nuechternen Art. Theresa May wagt eine extravagante Eleganz, dieses Augenzwinkern mit den Tigerpumps finde ich witzig. Ich finde es allerdings traurig, wenn Frauen sich hinter einer ruestungsartigen Kleidung verbergen wie Hillary Clinton. Obwohl: Gerade bei ihr verstehe ich das sehr gut!

Spiegel: Als Sie in den Siebzigerjahren eine bekannte Figur wurden, gab es auch viele unfreundliche Kommentare ueber Ihr Aussehen. Sie waren die "Nachteule mit dem Sex einer Strassenlaterne". Wie ertraegt man so was?

Schwarzer: Da war ich Anfang dreizig und hatte bis dahin die Erfahrung gemacht, dass die Maenner eher zu viel von mir wollten als zu wenig. Jeder Feministin wird grunsaetzlich abgesprochen, attraktiv zu sein, egal wie sie aussieht. Ich weiss noch gut, wie im Jahr 1977 im "Stern" ein Foto von mir erschien. Ich trug ein Leinenkleid von einer Pariser Designerin, die damals sehr angesagt war. Die Bildunterschrift lautete: "Schwarzer in einem Sack". Das Klischee haelt sich bis heute. Ich habe Gott sei Dank ein robustes und froehliches Gemuet. Aber schauen Sie sich bekannte amerikanische Feministinnen an, Kate Millett oder Shulamith Firestone. Beide waren immer mal wieder in der Psychatrie. Dahin hatte nicht zuletzt die Hetze ihrer eigenen Mitkaempferinnen sie befoerdert.

Spiegel: Woher kam der Hass gegen Sie?

Schwarzer: Na ja. Seit dem "Kleinen Unterschied", der im Jahr 1975 erschien, ging es um Sex und Liebe, die Machtverhaeltnisse im Bett. Ich habe sozusagen in deutschen Schlafzimmerbetten auf der Ritze gelegen. Viele Frauen lasen in dem Buch zum ersten Mal, was sie bis dahin kaum zu denken gewagt hatten. Das hat so manchen Mann irritiert.

Spiegel: Das Erscheinen des "Kleinen Unterschieds" faellt ziemlich genau zusammen mit dem Ende Ihrer langjaehrigen Beziehung zu Bruno, Ihrem franzoesischen Lebensgefaehrten, und dem Beginn einer Beziehung mit einer Frau. War der "kleine Unterschied" auch biografisch gefaerbt?

Schwarzer: Sicher. Das war die Zeit der feministischen sexuellen Revolition. Ploetzlich fanden Frauen auch Frauen liebenswert.

Spiegel: Warum haben Sie eigentlich nicht schon damals oeffentlich gemacht, dass Sie bisexuell sind? Viele lesbische Frauen haetten das als Ermutigung begriffen.

Schwarzer: Das Buch war eine enorme Ermutigung fuer viele Frauen, egal, wie sie lebten: in einer Beziehung mit einem Mann, mit einer Frau oder dazwischen. Doch ich war noch nie der Ansicht, dass es zu meinem feministischen Engagement gehoert, privaten Striptease zu machen. Auch die Exempel im "Kleinen Unterschied" sind ja anonymisiert. Sicher hat auch der Gedanke eine Rolle gespielt, dass ich noch genug Aerger hatte und nicht noch eine Front eroeffnen wollte.

Spiegel: Viele Menschen, die in der Oeffentlichkeit stehen, legen sich mit der Zeit einen Panzer zu, um die Angriffe aushalten zu koennen. Das bedeutet aber auch, dass berechtigte Kritik nicht mehr durchdringt.

Schwarzer: Worauf wollen Sie hinaus?

Spiegel: Viele haben nicht verstanden, warum Sie sich fuer eine Imagekampagne der "Bild"-Zeitung hergegeben haben.

Schwarzer: Ach Gott, die olle Kamelle von vor fast zehn Jahren. Eine befreundete Werberin hat mich mal gefragt, ob ich nicht bei einer Kampagne mitmachen will, in der bis dahin nur Maenner vorkamen, von Gandhi bis Willi Brandt. Ich dachte: Na ja, wenn das Blatt, das dich bisher so bekaempft hat, sich nun mit dir schmuecken will, dann ist das ja auch ganz schoen. Ich habe uebrigens auch schon mal bei einer Imagekampagne der "FAZ" mitgemacht. Dabei sehe ich als Feministin und Blattmacherin alle Medien kritisch - den SPIEGEL allen voran. Trotzdem haette ich mir das mit "Bild" vielleicht sparen sollen. Wenn ich die Reaktionen sehe.

Spiegel: Ein noch groesserer Fehler war, dass Sie die Zinsen fuer Ihr Konto in der Schweiz nicht versteuert haben.

Schwarzer: Ja, das war ein echter Fehler!

Spiegel: Als der SPIEGEL im Februar 2014 die Affaere enthuellte, erklaerten Sie, Sie haetten urspruenglich deswegen gehortet, um einen Notgroschen zu haben, falls die Angriffe in Deutschland gegen Sie zu heftig werden.

Schwarzer: Stimmt. Ich fand es beruhigend, ausserhalb von Deutschland Geld zu haben. Aber es war dumm, das oeffentlich zu sagen.

Spiegel: Fuehlen Sie sich ungerecht behandelt?

Schwarzer: Vom SPIEGEL auf jeden Fall. Der hat sich ja die Freiheit genommen, in meinem Fall das fuer alle Buerger geltende Steuergeheimnis zu brechen.

Spiegel: Wir haben da ein berechtigtes oeffentliches Interesse gesehen. Sie galten ja als moralische Instanz. Und vielleicht war auch deswegen die oeffentliche Enttaeuschung so gross.

Schwarzer: Das muessen Sie beurteilen.

Spiegel: Als die Steueraffaere vor mehr als zwei Jahren bekannt wurde, sagten Sie sofort, Sie wollten eine Stiftung fuer die Rechte von Frauen gruenden und sie mit einer Million Euro ausstatten. Jetzt ist herausgekommen: Die Stiftung gibt es immer noch nicht.

Schwarzer: Das Steuerverfahren hat sich ueber zwei Jahre lang hingezogen, und vor Abschluss konnte ich die Stiftung, die seit Jahren beim Notar liegt, gar nicht gruenden. Darf ich jetzt vielleicht einmal einen kleinen Moment lang verschnaufen? Doch seien Sie beruhigt: Die Stiftung kommt irgendwann. Die gehoert seit Langem zu meiner Lebensplanung.

Spiegel: Koennen Sie loslassen?

Schwarzer: Wen?

Spiegel: Die "Emma" zum Beispiel.

Schwarzer: Ich soll die "Emma" fallen lassen? Also hoeren Sie! Ich bin nur wenig Jahre aelter als Hillary Clinton, die Praesidentin werden will. Ich habe nicht das Gefuehl, dass ich dringend in den Ruhestand treten muss. Ich glaube ausserdem, meine Kolleginnen wuerden verzweifeln, wenn ich sagen wuerde: Macht den Laden alleine.

Spiegel: Ihre Argumentation kennt man von anderen Patriarchen, die furchtbar gerne aufhoeren wuerden, aber leider keinen geeigneten Nachfolger finden.

Schwarzer: Nennen Sie mal eine Nachfolgerin!

Spiegel: Wir halten fest: Sie sind unersaetzlich.

Schwarzer: Ich habe einfach Freude an meiner Arbeit, die sehr sinnvoll ist. Sinnvoller denn je.

Spiegel: Ihre Biografin Bascha Mika hat geschrieben, im System Schwarzer geht es um Machterhalt. Empfinden Sie das als Kompliment?

Schwarzer: Nun, dieses 18 Jahre alte Buch ist weniger Biografie und mehr Projektion. Interessiert mich Macht? In der Kategorie habe ich noch nie gedacht.

Spiegel: Bitte, das ist jetzt eine ganz oede Politikerantwort.

Schwarzer: Ist aber so. Was mich intetessiert, ist Unabhaengigkeit. Und die Moeglichkeit, zu handeln, die Verhaeltnisse zu verbessern.

Spiegel: In Ihrer Autobiografie schreiben Sie, dass Sie nach der Gruendung der "Emma" oft in Schwulendiscos gegangen sind, weil Sie Frauen nicht mehr ertragen konnten.

Schwarzer: Stimmt. Das war sehr erholsam mit den Jungs an der Theke.

Spiegel: Was hat Sie mehr getroffen: die Angriffe der Maenner oder der Frauen?

Schwarzer: Die der Frauen natuerlich! Bis heute. Bei Maennern kann man die Sache ja immer rationalisieren, so nach dem Motto: Du stellst deren Privilegien infrage, da ist es doch klar, dass das Patriarchat zurueckschlaegt.

Spiegel: Was wurde ihnen vonseiten der Frauen vorgeworfen?

Schwarzer: Zu stark. Zu dominant. Zu selten geweint. Hinzu kamen die politischen Differenzen. Ich stand immer einen antibiologistischen Feminismus, der die Machtfrage stellt. Ich konnte nie etwas anfangen mit Frauen, die sich auf ihre sogenannte Weiblichkeit beriefen, den Mutterkult pflegten und darauf ihr Selbstbewusstsein bauten. Gleichzeitig wurde ich von linken Frauen bekaempft, fuer die der Feminismus nur ein Unterpunkt des Klassenwiderspruchs war. Wenn Sie so wollen, wiederholt sich jetzt gerade diese Geschichte wieder.

Spiegel: Wie meinen Sie das?

Schwarzer: Manche sogenannte Netzfeministinnen haben panische Angst vor dem Vorwurf, Rassistinnen zu sein, und gehen so weit, die Burka zu rechtfertigen, dieses Leichentuch fuer Frauen. Dabei ist der Kampf gegen den religioesen Fundamentalismus, allen voran gegen den politisierten Islam, schon lange existenziell. Nicht nur fuer Frauen.

Spiegel: Der Feminismus wollte auch immer ueberkommene Maennerbilder irritieren. Das ist gelungen, mit positiven, aber auch negativen Auswirkungen. Kann es sein, dass die vielen Attentaeter in diesen Tagen in ihrer Maennlichkeit gekraenkt gewesen sind?

Schwarzer: Ohne jeden Zweifel. Wir leben in Zeiten des Umbruchs, solche Zeiten sind immer die gefaehrlichsten. Der Kern der Konstruktion von Maennlichkeit ist ja die Gewalt. Und die Amoklaeufer und Attentaeter greifen auf diesen Kern zurueck. Aber verunsichert und gedemuetigt fuehlen diese rasenden Maenner sich nicht nur durch die erstarkenden Frauen. Im Westen spielt auch die Deindustrialisierung und Globalisierung eine Rolle, die die Maenner arbeitslos macht. Und im Nahen Osten sind es die Kriege, die der Westen angefangen hat, die die Maenner brutalisieren.

Spiegel: Wie soll man Ihrer Meinung nach hierzulande mit gekraenkten Maennern umgehen?

Schwarzer: Wir duerfen nicht nur aufruesten, sondern muessen auch "die Seelen retten", wie der algerische Schriftsteller Kamel Daoud es formuliert. Das heisst, wir muessen erhebliche Mittel zur Verfuegung stellen, um frueh herauszufinden, wo einer unrettbar gefaehrlich ist, vor dem muessen wir uns dann schuetzen. Und wir muessen ebenfalls herausfinden, wo die vielen anderen sind - die frustierten, traumatisierenden, sich gedemuetigt fuehlenden Maenner, die wir noch auf andere Gedanken bringen koennen. Und denen muessen wir reale Chancen bieten.

Spiegel: Sie sagen, der Kern der Konstruktion von Maennlichkeit sei Gewalt, aber es gibt inzwischen ganz andere Maennlichkeitsbilder. Den Vater in Elternzeit zum Beispiel.

Schwarzer: Ja, bei uns, wo die Welt noch in Ordnung scheint. Und das ist gut so. Und da sind jetzt auch die Frauen gefragt. Sie muessen staerker honorieren, wenn Maenner versuchen, anstaendige Maenner zu sein. Es gibt sie ja leider, due traditionell tief sitzende weibliche Faszination fuer den dunklen Verfuehrer. Die sollten sich die Frauen verdammt noch mal abgewoehnen!

Spiegel: Die britische Premierministerin May hat kein Kind, Merkel hat keins ...

Schwarzer: ... Alice Schwarzer auch nicht.

Spiegel: Ist das der Preis der Macht?

Schwarzer: Es wuerde "Emma" nicht geben, wenn ich kein Kind haette. Es waere zeitlich gar nicht gegangen. Es gab ja Phasen, in denen ich in der Redaktion uebernachtet habe. Und wenn ich mir das Leben der Kanzlerin angucke, du lieber Gott. Aber was heisst denn ueberhaupt Preis der Macht? Ich denke, es gibt einfach Frauen, die gar nicht unbedingt Mutter werden wollen. So wie manche Maenner keine Vaeter werden wollen.

Spiegel: War es in den Siebzigerjahren auch eine politische Entscheidung, keine Kinder zu kriegen? Ein Symbol, sich nicht an das patriarchale System zu binden?

Schwarzer: Nein. Ich glaube nicht, dass Menschen so funktionieren. Man trifft solche Entscheidungen nicht rein vom Kopf her, das hat viel mit Emotionen zu tun. Wir Feministinnen waren ja nicht die maoistische Bewegung, bei uns ging es nicht so rigide zu. Aber natuerlich hat uns der Feminismus die Augen geoeffnet. Wir begriffen, dass die Maenner und der Staat uns mit den Kindern allein lassen. Und bis heute bedrueckt es mich, dass den Frauen nicht die Wahrheit gesagt wird ueber die Mutterschaft. Sie werden ja ungeheuer belogen.

Spiegel: Belogen?

Schwarzer: Ja, es wird ihnen vorgegauckelt: Ihr koennt alles schaffen! Mutterschaft und Karriere - kein Problem. Aber das ist ja nicht wahr. Selbst wenn eine Frau das Glueck hat, einen echten Partner zu haben, mit dem sie sich die Arbeit zu Hause teilt. Auch der kann ja unters Auto kommen. Und dann? Letztlich muss jede Frau bis zum Ende durchspielen, was es fuer sie bedeutet, ein Kind zu haben, und ob sie es auch allein schaffen wuerde. Und ich muss hier doch auch mal etwas Kritisches ueber Frauen sagen: Viele nehmen die Vaeter nicht genug in die Pflicht. Als Bruno und ich darueber nachgedacht haben, ein Kind zu bekommen, habe ich ihm gleich gesagt: Aber im Kreisssaal bist du dabei! Ich hatte keine Lust, da allein vor mich hinzuschreien.

Spiegel: Warum nehmen die Frauen ihre Maenner nicht staerker in die Pflicht?

Schwarzer: Weil Frauen Angst haben vor Liebesverlust. Das ist das Scheissproblem von Frauen. Dass sie immer und um jeden Preis geliebt werden wollen. Das macht sie unfrei und opportunistisch.

Spiegel: Kurz bevor Theresa May Premierministerin wurde, musste sie sich von einer Konkurrentin anhoeren, dass sie ja keine Mutter sei und sich diese Tatsache politisch auswirken koennte. Angela Merkel ging es vor elf Jahren im Wahlkampf aehnlich. Warum ist dieses unfaire Argument so haltbar?

Schwarzer: Vielleicht ist es das gar nicht mehr. Bei May hat sich dieser Vorwurf ja Gott sei Dank als Bumerang erwiesen.

Spiegel: May hat oeffentlich bedauert, keine Kinder zu haben. Das hoert man selten von Frauen. Ist das Bedauern von Kinderlosigkeit ein Tabu?

Schwarzer: Wenn das so ist, waere das traurig. Aber dann muessten es die Frauen, die so empfinden, zum Thema machen.

Spiegel: Verspueren Sie manchmal eine Wehmut, dass Sie auf Kinder verzichtet haben?

Schwarzer: Nein. Ich habe ja ein ziemlich aufregendes und sehr erfuelltes Leben.

Spiegel: Als Sie 20 Jahre alt waren, gingen Sie als Au-pair-Maedchen nach Paris. So einen Job sucht man sich doch nur, wenn man besondere Freude an Kindern hat.

Schwarzer: Ja, das habe ich auch. Mit den Jungen von damals bin ich bis heute befreundet. Der eine hat seine Tochter Alice genannt. Auch ohne eigene Kinder habd ich staendig mit Kindern zu tun. Ich habe seit ueber dreissig Jahren ein Haus auf dem Land. Und wenn ich da ankomme, fliegt schon die Tuere auf, und die Nachbarskinder stuermen rein.

Spiegel: Also doch ein kleines Bedauern?

Schwarzer: Es ist aufschlussreich, dass selbst Sie mich so auf mein Frausein festlegen. Einem Mann wuerden Sie diese Fragen nicht stellen. Aber gut, wenn es Ihnen Spass macht: Manchmal denke ich, Grossmutter sein waere eigentlich ganz nett. Die Kinder kommen dann und wann zu Besuch, sind goldig und man ist gelassen. Das finde ich einen Bombenposten.

Spiegel: Frau Schwarzer, wir danken Ihnen fuer dieses Gespraech.

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friederike
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Re: SPIEGEL-Interview mit Alice Schwarzer

Beitrag von friederike »

         Bild
Schwarzer hat geschrieben: Spiegel: Die britische Premierministerin May hat kein Kind, Merkel hat keins ...
Schwarzer: ... Alice Schwarzer auch nicht.
In dieser Liga sieht sie sich also ... Es geht ihr um Macht, und natürlich auch um Geld.
Schwarzer hat geschrieben:Spiegel: Fuehlen Sie sich ungerecht behandelt?
Schwarzer: Vom SPIEGEL auf jeden Fall. Der hat sich ja die Freiheit genommen, in meinem Fall das fuer alle Buerger geltende Steuergeheimnis zu brechen.
Spiegel: Wir haben da ein berechtigtes oeffentliches Interesse gesehen. Sie galten ja als moralische Instanz. Und vielleicht war auch deswegen die oeffentliche Enttaeuschung so gross.
Schwarzer: Das muessen Sie beurteilen.
Keinerlei Einsicht und keine Reue, nur diese penetrante Selbstgerechtigkeit.

Schade dass der Spiegel diese widerliche Person mit einem Interview noch hervorhebt.

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

Schwarzer, Schwarzer....sagt mir nichts... :003



...aber immerhin verbreitet sie sich hier nicht über SExarbeit...

Kasharius grüßt

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deernhh
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Re: SPIEGEL-Interview mit Alice Schwarzer

Beitrag von deernhh »

Und mal wieder Emma und Alice Schwarzer.
Grauslich .... :022

Laura Lucas
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"EMMA" UND DER BEIFALL VON RECHTS
2. Juli 2018

https://uebermedien.de/29269/emma-und-d ... on-rechts/

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deernhh
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Re: SPIEGEL-Interview mit Alice Schwarzer

Beitrag von deernhh »

Gernot Hassknecht ueber Alice Schwarzer
Gernot Hassknecht kommentiert die moralische Glaubwuerdigkeit Alice Schwarzers
Heute Show vom 7. Februar 2014


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Zwerg
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Re: SPIEGEL-Interview mit Alice Schwarzer

Beitrag von Zwerg »

Manchmal überlege ich hier einen "Dankebutton" einzubauen!

Liebe Grüße und Danke

christian

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Ente
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Re: SPIEGEL-Interview mit Alice Schwarzer

Beitrag von Ente »

Diesen Beifall von rechts Artikel fand ich auch richtig interessant! Eine spannende Herangehensweise über die Twitter- und Retweet-Netzwerke! Das ist ja schon sehr aussagekräftig...

Ja, danke auch von mir für die Links!

Liebe Grüße
Bendix

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deernhh
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Re: SPIEGEL-Interview mit Alice Schwarzer

Beitrag von deernhh »

Danke!

Ja, der "Beifall von Rechts"-Artikel ist etwas schwierig und nicht leicht zu lesen, ist auch ein recht langer Artikel.

Daher stellte ich was Kurzes und Leichtes ein, das Video mit Gernot Hassknecht.

Er hat auch als eine Art "Kinderschaender" in einem Werbespot mitgewirkt, in dem vor schlimmen Boesewichten im Internet gewarnt wird, was alles so passieren kann, wenn man zu vertrauensvoll eigene Daten usw. im Internet preisgibt und die Eltern nicht wissen, was das eigene Kind im Web macht.

Gernot Hassknecht ist einer, der Unrecht und Boeses nicht mag und hat deshalb im Werbespot mitgewirkt, um zu warnen und zu schuetzen.

Hoffe, ihr habt besonders ueber das Video mit ihm geschmunzelt.
Immer, wenn er anfaengt, haemisch zu lachen und sehr laut und erregt zu schreien, dann kann ich mich nicht halten und muss lachen.

Liebe Gruesse zurueck!