Vorstoß aus Hamburg: Opfer häuslicher Gewalt sollen leichter aus Mietverträgen kommen

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deernhh
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Vorstoß aus Hamburg: Opfer häuslicher Gewalt sollen leichter aus Mietverträgen kommen

Beitrag von deernhh »

Das hat jetzt nichts mit Sexarbeit zu tun, aber ich stelle es dennoch hier im Forum ein, weil es vielleicht für eine/n SW, die/ der eine/n Bekannte/n oder Freund/in hat, die/der Opfer häuslicher Gewalt ist, interessant sein könnte.

Hamburg soll sich nun im Bundesrat für eine neue Regelung einsetzen, fordern die Fraktionen von SPD und Grünen. Die Bürgerschaft stimmt voraussichtlich am 16. Juli über den Antrag ab.

Über das Ergebnis bin ich gespannt, denn ich finde diesen Vorstoß gut. Ich behalte es im Auge und werde dann über das Ergebnis, soweit in den Medien bekannt, berichten.





Mietrechtsänderung zugunsten Opfer häuslicher Gewalt
"Belas­tende Rechts­st­reits nicht mehr zumutbar"

von Hasso Suliak 22.05.2025

Das Bild zeigt eine gewaltsame Situation, die die Notwendigkeit von rechtlichem Schutz für Opfer häuslicher Gewalt verdeutlicht.
In Fällen häuslicher Gewalt: Opfer haben ein Interesse, möglichst schnell die gemeinsam mit dem Täter gemietete Wohnung zu kündigen. Foto: Adobe Stock von Prostock-Studio

Opfer häuslicher Gewalt sollen künftig leichter einen Mietvertrag kündigen können, den sie früher gemeinsam mit ihrem Peiniger abgeschlossen haben. Beschlossen werden soll der Vorschlag auf Initiative Hamburgs auf der Jumiko im Juni.

Die Justizministerinnen und -minister der Länder regen an, zugunsten von Opfern häuslicher Gewalt das Mietrecht zu ändern. Auf ihrer Frühjahrs-Konferenz (Jumiko) vom 4. bis 6. Juni im sächsischen Bad Schandau werden sie darüber beraten, wie Opfern häuslicher Gewalt ein Neuanfang außerhalb einer gemeinsam mit dem Täter gemieteten Wohnung erleichtert werden kann.

Auf dem Tisch liegt hierzu nun ein Antrag von Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Bündnis90/Die Grünen): "Neuanfang für Opfer von häuslicher Gewalt erleichtern – Beendigung gemeinsamer Mietverträge beschleunigen", lautet der Titel. Opfern häuslicher Gewalt soll danach ermöglicht werden, schnell und unkompliziert aus dem Mietvertrag einer gemeinsamen Wohnung auszuscheiden.

Zwar kann dem Opfer häuslicher Gewalt die bisher gemeinsam bewohnte Wohnung gemäß § 2 Gewaltschutzgesetz allein zur Nutzung zugewiesen werden. Insbesondere wenn die Opfer in ein Frauenhaus geflüchtet sind, wollen sie jedoch häufig nicht in das bisherige Umfeld zurückkehren und haben ein Interesse daran, den Mietvertrag so schnell wie möglich zu beenden.

Anspruch auf Zustimmung zu Kündigung
Nach geltender Rechtslage muss ein Mietvertrag, der von den beiden Partnern zunächst womöglich noch unter harmonischen Umständen mit dem Vermieter abgeschlossen wurde, grundsätzlich auch von beiden gegenüber diesem gekündigt werden. Macht der Ex-Partner hier nicht mit, kann es für das Opfer anstrengend werden.

Nach ständiger Rechtsprechung steht den Opfern häuslicher Gewalt zwar in der Regel ein Anspruch gegen den Mitmieter auf Zustimmung zur Kündigung des Mietvertrags zu (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urt. v. 16.3.2005, Az. VIII ZR 14/04 [nichteheliche Lebensgemeinschaft]; Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg, Urt. 29.03.2021, Az. 13 UF 2/21[Ehegatten]). Dieser Anspruch muss jedoch im Streitfall in einem Zivilprozess oder – im Falle Verheirateter – vor den Familiengerichten geltend gemacht werden.

Bis zur Kündigung und Räumung der Wohnung haften die Opfer häuslicher Gewalt indes für weitere Forderungen aus dem bisherigen Mietverhältnis gesamtschuldnerisch mit. "Durch diese Rechtslage kann den Opfern häuslicher Gewalt im Streitfall ein langwieriger belastender Rechtsstreit aufgezwungen werden", heißt es in der Jumiko-Beschlussvorlage. Die Mittel, um bis auf weiteres zwei Wohnungen zu finanzieren, stünden häufig nicht zur Verfügung. Faktisch werde hiermit ein Neuanfang oft lange verzögert, wenn nicht gar verhindert. Die Täter könnten auf diese Weise eine fortdauernde Kontrolle über das Leben ihrer Opfer behalten, was deren Leidenszeit zusätzlich verlängern kann.

Hamburger Justizsenatorin: "Miete des Täters nicht noch mitfinanzieren"
Vor diesem Hintergrund fordert Hamburgs Justizsenatorin nunmehr den Bund auf, im Mietrecht die Rechtslage zu verändern. Für das Opfer sei es schließlich unzumutbar, für die Dauer eines unter Umständen langen Rechtsstreits auch noch die Miete des Täters mitzufinanzieren und damit häufig selbst nicht die Ressourcen für eigene neue und sichere vier Wände zu haben. "Deshalb müssen wir die Durchsetzung des Zustimmungsanspruchs gegen den Mitmieter vereinfachen und beschleunigen. Damit entziehen wir den Tätern auch die Möglichkeit, über die gemeinsame Wohnung weiter Kontrolle und Macht über die Opfer auszuüben," so Gallina gegenüber LTO.

Es ist davon auszugehen, dass Hamburgs Vorstoß auf der Jumiko auf breite Zustimmung stoßen wird. Bei Vorab-Beratungen unter den Ländern auf Fachebene gab es von keinem Land Widerspruch zu dem Vorhaben.

Verband Haus & Grund warnt vor rechtlichen Risiken
Zurückhaltend allerdings reagiert der die Vermieter- und Eigentümerinteressen vertretende Verband "Haus &Grund" auf Hamburgs Initiative. Dort befürchtet man, dass der Vorschlag in einem einseitigen Kündigungsrecht des Opfers münden könnte, bei dem die Rechtsstellung der Vermieter zu kurz kommt:

"Die Idee, Opfern häuslicher Gewalt einen schnelleren Ausstieg aus dem Mietvertrag zu ermöglichen, ist verständlich. Jedoch greift ein einseitiges Kündigungsrecht ohne gerichtliche Feststellung tief in die Vertragsfreiheit ein. Mietverhältnisse beruhen auf dem Konsens mehrerer Parteien – ein Eingriff ohne deren Zustimmung birgt erhebliche Risiken", warnt der Leiter der Politik und Kommunikationsabteilung des Verbandes, Gordon Gross, gegenüber LTO.

So könnten etwa nicht überprüfbare Gewalt-Vorwürfe zu einseitigen Entlassungen aus dem Mietverhältnis führen, "ohne dass eine objektive Prüfung erfolgt ist", meint Gross. Der Vermieter würde zudem in familiäre Konflikte hineingezogen und müsste gegebenenfalls selbst einschätzen, ob ein Gewaltvorwurf berechtigt ist – eine Aufgabe, die ihm nicht zumutbar sei. Im Übrigen könne es sein, dass der verbleibende Mieter – ggf. der Täter – wirtschaftlich nicht in der Lage ist, allein für die Miete zu haften.

"Ein solches Vorgehen würde zu neuen Unsicherheiten und Rechtsstreitigkeiten führen. Das geltende Recht sieht bereits die Möglichkeit vor, dass das Opfer die Zustimmung zur Entlassung aus dem Mietvertrag einklagt – auch wenn dieser Weg lang und belastend sein kann." Ein gesetzgeberischer Eingriff, so Gross, dürfe jedenfalls nur mit Augenmaß erfolgen.

DAV: "Finanzielle Doppelbelastung für Betroffene immens"
Aufgeschlossener einer Neuregelung gegenüber reagiert der Deutsche Anwaltverein (DAV). Dr. Holger-C. Rohne, Rechtsanwalt und Vorsitzender der Taskforce "Anwalt für Opferrechte" des DAV, bestätigte gegenüber LTO ein Bedürfnis der Praxis nach einer Neuregelung: Das Anliegen von Betroffenen häuslicher Gewalt, sich möglichst ohne langwierigen Rechtsstreit und Kostenlast aus dem gemeinsamen Wohnmietverhältnis mit dem Schädiger lösen zu können, sei in der Praxis häufiger anzutreffen. "Die finanzielle Doppelbelastung für Betroffene ist mitunter immens, wenn sie die gemeinsame Wohnung nach der häuslichen Gewalt verlassen und Ersatzwohnraum anmieten müssen. Eine unkomplizierte Regelung ist aus dieser Perspektive wünschenswert und wäre für viele der Betroffenen notwendig", so Rohne.

Allerdings teilt auch der DAV-Anwalt die Bedenken von Haus & Grund: Im Rahmen einer Neuregelung müsste sichergestellt sein, "dass es sich tatsächlich um eine betroffene Person häuslicher Gewalt handele, um einem denkbaren Missbrauch vorzubeugen, sich aus einem 'unliebsamen Mietvertrag' zu lösen. Und auch Rohne plädiert dafür, bei allem Verständnis für die Opfer häuslicher Gewalt nicht die Interessen der Vermieter aus dem Blick zu verlieren: "Durch eine niederschwellige Regelung zugunsten Betroffener häuslicher Gewalt ist notwendigerweise auch der Rechtskreis der unbeteiligten Vermieter betroffen: Wenn der Mietvertrag gerade mit Blick auf die Einkommenssituation (auch) der von häuslicher Gewalt betroffener Personen geschlossen wurde, lässt man den Vermieter mit einem Zahlungsrisiko zurück. Man würde auf diese Weise in die vertraglichen Gegebenheiten zu Lasten des unbeteiligten Vermieters eingreifen, der den Vertrag (so) nicht abgeschlossen hätte."

BMJ: Familiengerichte sollen elektronische Fußfessel anordnen können
Beschließt die Jumiko Anfang Juni Hamburgs Vorschlag, wäre als nächstes Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) am Zuge. Diese wird in der Vorlage gebeten, "zeitnah Möglichkeiten gesetzlicher Regelungen zu prüfen, mit denen die Durchsetzung des Zustimmungsanspruchs gegen den Mitmieter vereinfacht und beschleunigt wird".

Greift Hubig die zu erwartende Anregung der Länder auf, wäre es schon das zweite Vorhaben, das die neue Koalition zugunsten von Opfern häuslicher Gewalt auf den Weg bringen würde.

Ein erster Gesetzentwurf ist bereits in der Mache, wie eine Ministeriumssprecherin gegenüber LTO bestätigte. Es betrifft die elektronische Fußfessel. Der Hintergrund: Familiengerichte können im Rahmen von Gewaltschutzverfahren in Deutschland derzeit keine elektronische Fußfessel anordnen. Um dies zu ändern, erarbeitet das BMJV derzeit deshalb einen Gesetzentwurf, mit dem elektronische Fußfesseln angeordnet und Täter zu Anti-Gewalt-Trainings verpflichtet werden können.

https://www.lto.de/recht/hintergruende/ ... ng-gallina





Justiz

Bei häuslicher Gewalt – Einfacherer Ausstieg aus dem gemeinsamen Mietvertrag

Der gemeinsame Mietvertrag bedeutet für Betroffene von häuslicher Gewalt zusätzliches Leid: Sie bleiben häufig auch nach dem Auszug abhängig von ihren gewalttätigen Partnern und müssen langwierige Gerichtsverfahren durchstehen. Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen setzen sich deshalb für einen einfacheren Ausstieg aus gemeinsamen Mietverträgen in Fällen häuslicher Gewalt ein. Betroffenen wird so ein klarer Neuanfang ermöglicht. Zudem werden Schutzeinrichtungen entlastet, die zuletzt gestiegene Fallzahlen bewältigen müssen. Über den rot-grünen Antrag, der eine entsprechende Bundesratsinitiative vorsieht, stimmt die Bürgerschaft in ihrer Sitzung am 16. Juli ab.

Dazu Lena Zagst, rechtspolitische Sprecherin der Grünen Fraktion Hamburg: „Wer vor häuslicher Gewalt flieht, darf nicht weiter durch bürokratische Hürden ausgebremst werden. Es kann nicht sein, dass Betroffene in rechtlichen Abhängigkeiten mit dem Täter verharren müssen – das gefährdet ihre Sicherheit und verhindert einen Neuanfang. Wir wollen, dass sich Betroffene schnell und unbürokratisch aus gemeinsamen Mietverträgen lösen können. Das hilft den Menschen, die unter häuslicher Gewalt und permanenter Angst leiden – und entlastet zugleich Frauenhäuser und andere Schutzeinrichtungen.”

Dazu Sarah Timmann, justizpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Hamburg: „Es ist nicht hinnehmbar, dass Opfer häuslicher Gewalt auch nach dem Auszug noch monatelang für die Miete haften und sich unter eigenem Kostenrisiko zivilrechtlich aus dem Mietvertrag klagen müssen – und das für eine Wohnung, die oft der Ort des gewalttätigen Geschehens war. Mit unserem Antrag setzen wir uns daher für eine bundesweite rechtssichere Lösung ein, die Betroffene schützt, finanziell entlastet und ihnen den Weg in ein neues, sicheres Leben erleichtert.“

https://www.gruene-hamburg.de/presse/be ... etvertrag/






Hamburg
Häusliche Gewalt: Hamburg soll Opfer schneller aus Mietverträgen befreien

Mehr als 8.000 Fälle
Häusliche Gewalt: Vorstoß soll Opfern Neustart erleichtern
Von t-online , fbo

Aktualisiert am 14.07.2025 - 17:53 Uhr
Lesedauer: 2 Min.

Eine aufgewühlte, weinende Frau sitzt im Bett (Symbolbild): Das Mietrecht macht es Opfern häuslicher Gewalt oft schwer, sich von den Tätern zu trennen. (Quelle: IMAGO/Zoonar.com/Veronika Korneva)

Häusliche Gewalt bindet Opfer oft noch lange über gemeinsame Mietverträge an ihre Peiniger. Ein Hamburger Vorstoß will Betroffenen einen schnelleren Neustart ermöglichen.

Opfer häuslicher Gewalt sollen bald leichter aus Mietverträgen mit dem Täter herauskommen und schneller neu anfangen können. Langwierige Gerichtsverfahren sollen dafür wegfallen. Das fordern die Fraktionen von SPD und Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft.

2024 registrierte die Polizei in Hamburg 8.103 Fälle häuslicher Gewalt – ein Anstieg um knapp 1,6 Prozent im Vergleich zu 2023 (7.978). Rund 70 Prozent der Opfer waren Frauen. Meist handelte es sich um sogenannte Rohheitsdelikte wie Körperverletzungen, Drohungen oder Freiheitsberaubung.

Häusliche Gewalt in Hamburg: Frauen monatelang im Frauenhaus
Mit den steigenden Fallzahlen verbringen betroffene Frauen auch immer mehr Zeit in Frauenhäusern. Im vergangenen Jahr waren es im Schnitt 232 Tage, heißt es im Antrag von SPD und Grünen. Viele bleiben dennoch weiter an die gemeinsame Wohnung und damit an den gewalttätigen Partner gebunden. Oft ist ihnen das nicht mehr zuzumuten.

Trotzdem müssen sie bisweilen monatelang für die Miete haften und sich unter hohem Kostenrisiko zivilrechtlich aus dem Vertrag klagen. Denn eine Kündigung ist nur möglich, wenn alle Mieter gemeinsam zustimmen.

Bürokratische Hürden für Gewaltopfer abbauen
Lena Zagst, rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, sagte: "Wer vor häuslicher Gewalt flieht, darf nicht weiter durch bürokratische Hürden ausgebremst werden." Sarah Timmann, die justizpolitische Sprecherin der SPD, ergänzte: "Es ist nicht hinnehmbar, dass Opfer häuslicher Gewalt auch nach dem Auszug noch monatelang für die Miete haften und sich unter eigenem Kostenrisiko zivilrechtlich aus dem Mietvertrag klagen müssen – und das für eine Wohnung, die oft der Ort des gewalttätigen Geschehens war."

Hamburg soll sich nun im Bundesrat für eine neue Regelung einsetzen, fordern die Fraktionen von SPD und Grünen. Die Bürgerschaft stimmt voraussichtlich am 16. Juli über den Antrag ab.

https://hamburg.t-online.de/region/hamb ... reien.html