Von Thomas Frey
PROSTITUTION, WERBUNG UND DAS ACHTE GEBOT
Friedrichshain-Kreuzberg
In der Bibel geht es im achten der zehn Gebote um das falsche Zeugnis, sprich luegen, was der Mensch nicht machen soll. In den zehn Sexismus Ge- oder besser Verboten aus Friedrichshain-Kreuzberg behandelt diese Ziffer das Thema Reklame fuer das aelteste Gewerbe der Welt.
"Werbung ist sexistisch, wenn sie auf sexuelle Dienste hinweist", heisst es dort. Formuliert wurde der Passus wie auch die anderen Vorgaben von einer Arbeitsgemeinschaft gegen frauenfeindliche, sexistische und diskriminierende Werbung im Bezirk. Denn Anfang 2014 wurde hier eine Kampagne gestartet, die Kaufanreize auf diese Tatbestaende ueberpruefen und gegebenfalls sanktionieren soll (wir berichteten). Darueber wacht die AG, der Vertreterinnen verschiedener Frauenprojekte angehoeren. Bei ihrem achten Gebot erhielt sie jetzt Widerstand.
Es kam am 14. Oktober im Ausschuss fuer Frauen, Gleichstellung und Queer von Simone Wiegratz von der Prostituiertenberatungsstelle Hydra. "Ich finde den Text absolut problematisch", machte sie gleich zu Beginn klar. Abgesehen davon, dass sich Reklame fuer das Sexgewerbe trotz des 2002 novellierten Prostitutionsgesetzes noch immer zumindest in einer Grauzone bewege, koenne sie diesen Passus schon deshalb nicht unterschreiben, weil er letztendlich auf eine Diskriminisierung hinauslaufe, sagte Simone Wiegratz. "Sie argumentieren moralisch, was nicht einmal mehr das Gesetz macht." Ihre Forderung war dann auch eindeutig. "Streichen Sie das einfach."
Dass der eigene Wertekanon nicht nur bei diesem Gebot vorherrschend war, wurde von AG-Mitglied Kyra Morawietz bestaetigt. "Unsere Leitlinien sind alle moralisch." Sie sollten auch dann noch Bestand haben, wenn sie an der Rechtslage etwas aendern sollte.
FRAU ALS WARE?
Spaetestens hier war klar, dass zwei Welten aufeinander stossen. Auf der einen Seite die Kaempferin gegen die wirkliche oder vermeintliche Erniedrigung von Frauen an allen Fronten, auf der anderen Seite die Vertreterin von Hydra, die fuer eine etwas differenzierte Sichtweise warb. Menschenhandel und andere Kriminalitaet im Bereich der Prostitution verschwieg Simone Wiegratz dabei nicht. Aber es gebe eben auch eine Menge Frauen (und Maenner), die diesen Beruf freiwillig ausueben. Denen werde man mit Schlagwoertern wie "Frau als Ware" sicher nicht gerecht.
Ohnehin hielt sie es fuer wenig wahrscheinlich, dass der Bezirk in seinem Verantwortungsbereich mit Reklame aus diesem Bereich konfrontiert werde. Er kann bei seinem Feldzug bisher nur Einfluss auf die Werbeflaechen in Friedrichshain-Kreuzberg nehmen die sich in seinem Bestand befinden. Dort werde aber kaum eine Prostituierte auf ihre Dienstleistung aufmerksam machen. Und wenn doch, koenne das ja verboten werden.
Fuer Kyra Morawietz war das allerdings zu kurz gegriffen. Denn Friedrichshain-Kreuzberg wolle seiner Kampagne auch ueber den Bezirk hinaus Geltung verschaffen.
Dazwischen gab es aber auch nachdenkliche Toene. Etwa von Buergermeisterin Monika Herrmann (Buendnis 90/Gruene). Aus der Sicht von Hydra seien die Argumente nachvollziehbar, auch wenn sie zu kurz springen wuerden befand sie. Und natuerlich spiele bei der Werbung auch die entsprechende Berufskleidung eine gewisse Rolle. Beim Elektriker genauso wie bei den Huren.
Erinnert wurde auch an den urspruenglichen Passus des achten Gebots, der Werbung fuer sexuelle Dienstleistungen dann als verwerflich empfand, wenn sie die Wuerde der Person verletzt. Vielleicht waere das eine Kompromissformel. Denn immerhin handelt es sich hier, anders als in der biblischen Ueberlieferung, um Menschenwerk und koennte jederzeit veraendert werden.
www.berliner-woche.de/friedrichshain/po ... 87300.html
"Werbung ist sexistisch, wenn sie auf sex. Dienste hinw
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