Liebe alle,
ich stelle gerade einen Sammelband zusammen zum 80. Geburtstag der Schriftstellerin Hertha Kräftner - die allerdings 1951, mit 23, Selbstmord begangen hat. Beiträge kommen von professionellen SchriftstellerInnen, bekannten und nicht so bekannten, von einer Germanistin, einer Sprachwissenschaftlerin, einem Priester, der auch Psychotherapeut ist, von SchülerInnen und aus der Augustin-Schreibwerkstätte.
Ich hätte gerne, dass auch Leute aus dem sexworker-Bereich Beiträge bringen. - Die Leute aus der Augustin-Schreibwerkstätte haben auf Kräftner-Texte reagiert, in denen Obdachlosigkeit, Häuser, Heimat, Landschaft Thema waren. Nun gibt's bei Hertha Kräftner vieleviele Texte, die sich auf Lust, die Grenze zwischen Liebe und Hass, auch direkt auf Prostituierte beziehen. - Kräftner selbst hatte oft mehrere Liebhaber zur gleichen Zeit, was ihr im Nachkriegswien schnell den Ruf der "Nymphomanin" bzw. des "verdorbenen Mädchens" (so verewigt in einem Gedicht eines Literaturgranden) eingebracht hat, andererseits war sie zerrissen in einer zeitbedingten Vorstellung von der reinen, wahren Liebe (die sie nie erreichen konnte). - Der Selbstmord dürfte übrigens mitbedingt sein durch eine Vergewaltigung zu Kriegsende, durch einen russischen Soldaten. Vor ihren Augen wurde dann ihr Vater niedergestochen, er starb fünf Monate später.
Sie schreibt sehr direkt, nahe an ihrem Leben, und es entsteht ein eigenartiger, existentieller Sog. Das ist nicht nur blabla, da geht's ums Eingemachte. Also: wer Lust hat auf ein Treffen, wer sich die Texte anschauen will, sie variieren will, was darüber schreiben will (auch ausgehend von eigener Erfahrung), bitte schreibt mir ein Mail: katharina.tiwald@gmx.at
Wie gesagt, das Ganze erscheint als Buch, heuer im Spätherbst in einem kleinen Verlag, der edition lex liszt 12 in Oberwart.
Ich würde mich sehr freuen über Eure Stimmen.
Einladung zu Buchprojekt-Beiträgen
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Der Gin schmeckt gleich um elf und drei,
das Soda nur wird schaler.
Wer will, der kann mich haben
für einen alten Taler.
(aus "Betrunkene Nacht", 29. Juni 1951)
das Soda nur wird schaler.
Wer will, der kann mich haben
für einen alten Taler.
(aus "Betrunkene Nacht", 29. Juni 1951)
Hertha Kräftner: "Wenn ich mich getötet haben werde"
Am 26. April wäre die österreichische Autorin 80 Jahre alt geworden
Ein Porträt mit Büchertipps
Als Hertha Kräftner beschlossen hatte, ihr Leben zu beenden, war sie gerade dreiundzwanzig. Diese Tatsache ihres vorzeitigen und extrem frühen Todes hat ihr mit der posthumen Publikation ihrer Werke eine Flut an Spekulationen über die Gründe ihres Selbstmordes eingebracht.
Mitleidbehaftete und nicht selten überhebliche Vor- und Nachwörter, wie beispielsweise von Hans Weigel: "Vielleicht ist es so gewesen, dass sie starb, weil sie in diesen Wochen des Herbstes 1951 sehr glücklich gewesen ist. Konnte sie das Glück nicht ertragen?"
Hertha Kräftner hat Derartiges vorausgesehen. In einem kurzen Prosatext, den sie in ihrem Todesjahr verfasst hat, schrieb sie unter dem Tiel "Wenn ich mich getötet haben werde": "... Dieses Mädchen stand am Anfang ihres Lebens, sie war weder gefährlich krank noch hässlich oder verunstaltet; sie war gescheit und gebildet, ihr Professor nannte sie fähig und namhafte Literaten fanden sie begabt. Sie hatte bereits schriftstellerische Erfolge. Wo immer sie hinkam, war sie den Leuten sympathisch, sie konnte sich ihren Mitmenschen anpassen. Sie hatte einen Freund, der sie liebte, wenn sie aber neben ihm nicht glücklich war, so hatte sie Gelegenheit genug, einen anderen zu wählen. Sie hatte eine sorgende Familie und bekam nicht nur, was sie brauchte, sondern auch was sie sich wünschte. Hatte dieses Mädchen also Grund, sich zu töten? Nein, antworten die Philister...".
Biografische Notizen
Geboren am 26. April 1928 in Wien, verbringt sie ihre ersten acht Jahre in der Großstadt, bis die Familie ins burgenländische Mattersburg übersiedelt. Hier beendet sie die Volksschule und absolviert das Realgymnasium. Mit achtzehn zieht sie nach Wien und studiert Germanistik, Anglistik und Psychologie. Und verliebt sich in einen jungen Bibliothekar. "... Sie nennt ihn bezeichnenderweise Anatol, in den sie Unerfüllbares projiziert und von dem sie sich wiederholt zu trennen versucht, treibt sie in selbstzerstörerische, narzistische Selbstbeobachtung und Depression", analysiert Hertha Kratzer in einer Kurz-Biografie ihres Buches "Die größen Österreicherinnen" (Ueberreuter 2001) etwas gewagt.
Herha Kräftner selbst hielt fest: "Das Leben mit Anatol ist eine fortwährende Anstrengung. Bleiben oder gehen, beides heißt leiden. Sterben! Da könnte er nicht mit".
Aufgrund ihres Interesses für Philosophie, Psychologie und Soziologie kommt sie mit Viktor Frankl in Berührung, der sie dem Kulturkritiker Hans Weigel vorstellt. Dieser nimmt sie in seinen LiteratInnenkreis auf. Es folgen Publikationen in verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen wie beispielsweise in "Lynkeus", "Neue Wege" und "Publikationen der Gegenwart". 1963 wurde zudem eine Sammlung ihrer Gedichte, Skizzen und Tagebuchaufzeichnungen aus ihrem Nachlass veröffentlicht. Immer wiederkehrende Themen sowohl ihrer Lyrik als auch ihrer Prosa sind Einsamkeit, Versagen, Liebe und der Tod.
Im Abschiedsbrief an ihre Mutter schrieb sie: "Es ist einfach so, dass ich viel zu traurig und zu müde bin, um noch leben zu wollen".
Hertha Kräftner starb am 13. November 1951 an einer Überdosis Schlaftabletten.
Buchtipps
Hertha Kräftner: "Warum hier, warum heute?"
hg. Otto Breicha und Andreas Okopenko
Dies.: "Kühle Sterne. Aus dem Nachlass"
hg. Gerhard Altmann und Max Bläulich
Dine Petriks: "Der Hügel nach der Flut.
Was geschah wirklich mit Hertha K.?"
(dabu/dieStandard.at 24.04.2008)
http://diestandard.at/?url=/?id=1207285391832
@tharina
Welche Texte von Hertha Kräftner wären in Bezug auf Sexarbeit empfehlenswert?
Christian
Zwerg
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aus dem Jahr 1949:
Hertha Kräftner
Die Versuchung
Jeden Abend ging sie durch die breite Straße mit den Bäumen. Sie wagte nicht, langsam zu gehen, um nicht wie jene Frauen zu sein, die der Straße gehörten. Aber jeder Abend hatte diesen Wunsch: einmal langsam zu gehen, um das Bild jener Frauen tief in sich zu nehmen, um ihrem Gehen, ihrem Lehnen an den Toren nachzuspüren, um eine Bewegung ihrer Leiber mitzutragen in die Nacht, auf daß man seinen eigenen Leib hineindenke und daß einem Träume daraus würden. An allen Abenden rafften ihre hastigen Augen zusammen, was jene an Eindrücken in sie fallen ließen, wenn sie wie Zufälle an ihr vorbeikamen. Aber das schloß sich nicht zu einem Bild, das erkennen ließ. Das blieb ein offenes Gebilde, an dem das Fragen immer neue Stellen fand. Sie sah so vieles an den Frauen und wußte dennoch nicht, wie sie waren. Ihre grellen Münder verbargen Worte, die stark waren und süß, weil sie nannten und nicht deuteten. Ihre Kleider waren dünn und gehorchten den Leibern und machten die deutlichen Schenkel zu Verheißungen. Männer folgten ihnen in Zimmer, von denen man schon im Eintreten wußte, daß Laute an den Wänden hingen, die von einer ungeheuren Lust geblieben waren.
Wer waren jene Frauen? Welchem Gesetz waren sie verbunden? Ihr erschien, als sei ihnen keines gegeben. Zeit und Ort gehörten ihnen. Sie waren unbegrenzt in allem, was sie taten. Und doch mußte eines über ihnen sein, dem ihre Empfindungen nachgaben. An manchen Abenden im Sommer schienen sie ihr schwer und müde vor lauter Aufgetansein. Und an anderen Tagen waren sie flüchtig und zärtlich, wie dem Wind verfallen. Vielleicht gehorchten sie einem Gefühl… Sie kannte sie nicht und beneidete sie. Jene wussten Dinge, die sie nie erfuhr, und jeden Abend gingen sie in eine Welt, die ihr kein Tor zeigte.
Bisweilen stand sie in einer kleinen Gasse still und horchte in die Allee zurück und sehnte sich hin. Wenn der Wind um sie ging in großen Bewegungen, wurden die Spitzen ihrer Brüste hart und sie fühlte die Schwere fremder Männer auf sich.
Einmal ging sie mit ihrem Geliebten. Da kam eine dieser Bunten und Leichten an ihnen vorbei. Sie blieb stehen und lächelte dem Mann ins Gesicht. Und er nahm den Blick und gab ihr seinen. Obgleich er nicht einmal lächelte, war doch ein Vertraulichsein von ihm zu ihr. Noch als die andere lang vorbei war, fühlte sie die Welle, die von dem Manne neben ihr zu jener hinten schlug und leise noch einmal zurückkam. Und sie empfand sich klein daneben und ausgeschlossen. Denn eine Frau, die er nicht kannte, band ihn an Abenteuer seines Blutes, die sie nie erfahren hatte. Und zugleich war ein kleiner Hohn über ihr und das Lächeln eines Mitleids. Sie quälte sich: Wie waren jene Frauen, daß sie keinem Mann fremd blieben?
In dieser Nacht erkannte sie, daß sie ihnen gleichen wollte. Von da an hatte sie den Mut, abends langsam in der Straße hin und her zu gehen. Sie sah die Männer an und merkte, wie sie mit den Frauen waren. Sie erblasste, wenn sie die Griffe am eigenen Körper spürte, die sie den anderen gaben und manchmal – wenn sie sich den Gesichtern der Frauen näherten – empfand sie den Geruch der Männer wie eine Herausforderung. Wenn sie im Gehen Worte hörte, die sie nicht wußte und dennoch verstand, dachte sie an die Stunde, die solche Worte über die eigene Haut hinstreichen ließe.
Sie mußte werden wie jene. Sie war schon eine von ihnen. Einen raschen Gedanken gab sie noch ihrem Geliebten, aber die Lust, die unbekannte Männer für sie bereithielten, war schon stärker. Und an dem Abend, da sie zum ersten Mal an einem Baum lehnte und sich hinhielt, hatte sich alles Unbestimmte in ihr verdichtet, daß sie wußte: wie immer sie sich selbst am Morgen fand, Reue würde nicht in ihrem Bette sein. Notwendigkeit machte sie sicher und sie lächelte in das Gesicht eines Fremden, wie sie nie zuvor gelächelt hatte.
Hertha Kräftner
Die Versuchung
Jeden Abend ging sie durch die breite Straße mit den Bäumen. Sie wagte nicht, langsam zu gehen, um nicht wie jene Frauen zu sein, die der Straße gehörten. Aber jeder Abend hatte diesen Wunsch: einmal langsam zu gehen, um das Bild jener Frauen tief in sich zu nehmen, um ihrem Gehen, ihrem Lehnen an den Toren nachzuspüren, um eine Bewegung ihrer Leiber mitzutragen in die Nacht, auf daß man seinen eigenen Leib hineindenke und daß einem Träume daraus würden. An allen Abenden rafften ihre hastigen Augen zusammen, was jene an Eindrücken in sie fallen ließen, wenn sie wie Zufälle an ihr vorbeikamen. Aber das schloß sich nicht zu einem Bild, das erkennen ließ. Das blieb ein offenes Gebilde, an dem das Fragen immer neue Stellen fand. Sie sah so vieles an den Frauen und wußte dennoch nicht, wie sie waren. Ihre grellen Münder verbargen Worte, die stark waren und süß, weil sie nannten und nicht deuteten. Ihre Kleider waren dünn und gehorchten den Leibern und machten die deutlichen Schenkel zu Verheißungen. Männer folgten ihnen in Zimmer, von denen man schon im Eintreten wußte, daß Laute an den Wänden hingen, die von einer ungeheuren Lust geblieben waren.
Wer waren jene Frauen? Welchem Gesetz waren sie verbunden? Ihr erschien, als sei ihnen keines gegeben. Zeit und Ort gehörten ihnen. Sie waren unbegrenzt in allem, was sie taten. Und doch mußte eines über ihnen sein, dem ihre Empfindungen nachgaben. An manchen Abenden im Sommer schienen sie ihr schwer und müde vor lauter Aufgetansein. Und an anderen Tagen waren sie flüchtig und zärtlich, wie dem Wind verfallen. Vielleicht gehorchten sie einem Gefühl… Sie kannte sie nicht und beneidete sie. Jene wussten Dinge, die sie nie erfuhr, und jeden Abend gingen sie in eine Welt, die ihr kein Tor zeigte.
Bisweilen stand sie in einer kleinen Gasse still und horchte in die Allee zurück und sehnte sich hin. Wenn der Wind um sie ging in großen Bewegungen, wurden die Spitzen ihrer Brüste hart und sie fühlte die Schwere fremder Männer auf sich.
Einmal ging sie mit ihrem Geliebten. Da kam eine dieser Bunten und Leichten an ihnen vorbei. Sie blieb stehen und lächelte dem Mann ins Gesicht. Und er nahm den Blick und gab ihr seinen. Obgleich er nicht einmal lächelte, war doch ein Vertraulichsein von ihm zu ihr. Noch als die andere lang vorbei war, fühlte sie die Welle, die von dem Manne neben ihr zu jener hinten schlug und leise noch einmal zurückkam. Und sie empfand sich klein daneben und ausgeschlossen. Denn eine Frau, die er nicht kannte, band ihn an Abenteuer seines Blutes, die sie nie erfahren hatte. Und zugleich war ein kleiner Hohn über ihr und das Lächeln eines Mitleids. Sie quälte sich: Wie waren jene Frauen, daß sie keinem Mann fremd blieben?
In dieser Nacht erkannte sie, daß sie ihnen gleichen wollte. Von da an hatte sie den Mut, abends langsam in der Straße hin und her zu gehen. Sie sah die Männer an und merkte, wie sie mit den Frauen waren. Sie erblasste, wenn sie die Griffe am eigenen Körper spürte, die sie den anderen gaben und manchmal – wenn sie sich den Gesichtern der Frauen näherten – empfand sie den Geruch der Männer wie eine Herausforderung. Wenn sie im Gehen Worte hörte, die sie nicht wußte und dennoch verstand, dachte sie an die Stunde, die solche Worte über die eigene Haut hinstreichen ließe.
Sie mußte werden wie jene. Sie war schon eine von ihnen. Einen raschen Gedanken gab sie noch ihrem Geliebten, aber die Lust, die unbekannte Männer für sie bereithielten, war schon stärker. Und an dem Abend, da sie zum ersten Mal an einem Baum lehnte und sich hinhielt, hatte sich alles Unbestimmte in ihr verdichtet, daß sie wußte: wie immer sie sich selbst am Morgen fand, Reue würde nicht in ihrem Bette sein. Notwendigkeit machte sie sicher und sie lächelte in das Gesicht eines Fremden, wie sie nie zuvor gelächelt hatte.
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- meinungsbildend
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- Registriert: 24.12.2006, 20:50
- Wohnort: wien
- Ich bin: Keine Angabe
Ich habe die Gelegenheit gehabt, mit tharina über dieses spannende Projekt zu reden. Inzwischen haben sich -neben mir-zwei Kolleginnen für das Projekt begeistern können.
@katharina
hoffentlich machst du bald mit uns die erste Schreibwerkstat ...

@katharina
hoffentlich machst du bald mit uns die erste Schreibwerkstat ...
"Liebe: ein Handel, wo beide Parteien gewinnen." G. C. Lichtenberg
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- interessiert
- Beiträge: 5
- Registriert: 15.05.2008, 18:16
- Wohnort: Wien
- Ich bin: Keine Angabe
Ich bin immer Montags bis Mittwochs in Wien. Vorschlag: 30.6., 1.7. oder 2.7. - oder die Woche darauf; wenn das Wetter schön ist, auch im Freien. Wann passt es euch am besten? - Wer lieber ganz anonym bleiben möchte und einen Text unter Pseudonym verfassen will, kann mir gern einfach ein Email schreiben (Adresse siehe erstes Posting).
@Zwerg Danke für den Infotext!
@Zwerg Danke für den Infotext!
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- interessiert
- Beiträge: 5
- Registriert: 15.05.2008, 18:16
- Wohnort: Wien
- Ich bin: Keine Angabe
Hertha Kräftner
Maria Magdalena
Manche knien, um zu beten; aber sie
tut mit den Knien genug.
Und ihr Leib, der einst ein Krug
der Liebe war, wird Melancholie
und gibt sich aus ans Knien und weiß
nichts mehr von jenen Betten,
aus denen sie ihn vor den Altar trug.
Doch einen, der vorüberginge, hätten
ihre offnen Knie nicht so die Lust gelehrt
wie jetzt ihr dunkles Kleid, das sie verwehrt.
Nur aus Gewöhnung ist ihr Leib auch hier
noch Angebot. Die letzten Reste
von Bewegungen der Gier
sind ihr erstarrt. Wie eine offne Geste hält sie sich hin und kennt den nicht,
den sie erwartet; denn das Genommen-
Werden war ihr immer noch gekommen,
ganz ohne daß sie dachte,
woher und wer es war, der es vollbrachte.
Vielleicht erkennt sie, daß er’s weit
hat bis zu ihr. Aber Geduld und Pflicht
und eine kleine Ausweglosigkeit
verschenken ihren Körper täglich
an das Knien. Sie sieht das Ende dieser Frist
noch nicht, doch fühlt unsäglich,
daß er ihr Knien einmal nimmt und nicht vergißt,
weil sie so ganz darinnen ist.
Maria Magdalena
Manche knien, um zu beten; aber sie
tut mit den Knien genug.
Und ihr Leib, der einst ein Krug
der Liebe war, wird Melancholie
und gibt sich aus ans Knien und weiß
nichts mehr von jenen Betten,
aus denen sie ihn vor den Altar trug.
Doch einen, der vorüberginge, hätten
ihre offnen Knie nicht so die Lust gelehrt
wie jetzt ihr dunkles Kleid, das sie verwehrt.
Nur aus Gewöhnung ist ihr Leib auch hier
noch Angebot. Die letzten Reste
von Bewegungen der Gier
sind ihr erstarrt. Wie eine offne Geste hält sie sich hin und kennt den nicht,
den sie erwartet; denn das Genommen-
Werden war ihr immer noch gekommen,
ganz ohne daß sie dachte,
woher und wer es war, der es vollbrachte.
Vielleicht erkennt sie, daß er’s weit
hat bis zu ihr. Aber Geduld und Pflicht
und eine kleine Ausweglosigkeit
verschenken ihren Körper täglich
an das Knien. Sie sieht das Ende dieser Frist
noch nicht, doch fühlt unsäglich,
daß er ihr Knien einmal nimmt und nicht vergißt,
weil sie so ganz darinnen ist.