The Psychology of Sex Differences

Buchtips für Sexworker oder von Sexworkern
Benutzeravatar
nicole6
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 2333
Registriert: 11.09.2009, 13:01
Wohnort: München
Ich bin: ehemalige SexarbeiterIn

The Psychology of Sex Differences

Beitrag von nicole6 »

The Psychology of Sex Differences
Von Hilary M. Lips & Nina Lee Colwill,
Verlag Prendice Hall, 1978, USA, 338 Seiten.

Nach einem Buch über das Bewusstsein bei Bäumen, einem über
die vorchristlichen Götter der Niederlausitz, und einem anderen über
die Philosophie der Quantenphysik, las ich nun eines , das mehr in die Richtung
dieses Forums geht. Obwohl es vor über 35 Jahren geschrieben wurde, ist der
Inhalt immer noch aktuell, weshalb es schade ist, dass es nie übersetzt wurde.
Das kann aber auch damit zusammen hängen, dass die Autorinnen das herrschende
patriarchale System analysieren, und dessen Mechanismen bloß stellen.
Vier Wissenschaftlerinnen schrieben die 12 Kapitel des Buches.

Es werden alle Aspekte der angeblichen grundlegenden "natürlichen" Unterschiede
von Frauen, Männern und der anderen Geschlechter besprochen und verglichen.
Ale Referenzen werden Untersuchungen von Anthropologen benutzt, welche
Sexgewohnheiten von anderen Kulturen der Welt untersuchten, die sich von
denen der christlichen, jüdischen oder islamischen Verhaltenszwängen drastisch unterscheiden.

Ein Beispiel dazu aus dem Buch, über die Studien von Malinowski bei den
Trobrianern in der Südsee:
"...hier gibt es keinen Zeitraum der Kindheit, in der sexuelles Interesse und Aktivitäten
verboten sind. Kleinkinder spielen Sexspiele zusammen (genitale Manipulationen,
und oral-genitale Stimulationen) Im Alter von Vier oder Fünf mimen die Kinder
Sex. Mädchen von Sechs bis Acht haben Sex mit Penetration, Jungs ab dem Alter
von Zehn bis Zwölf. Diese Aktivitäten ziehen sich durch die ganze Kindheit. ..."
(vergleichbare Berichte gibt es von den Arapesh in Indien)

Die typische westliche Sexposition mit der Frau unten und dem Mann über ihr,
wird von den Trobriand-Frauen vermieden, weil sie ihre sexuelle Lust in dieser
Position nicht frei ausleben können, da das Gewicht des Mannes sie darin behindert.

Die Autorinnen untersuchen auch die Behauptung der Patriarchen, dass das
männliche Geschlecht das "eigentliche" Geschlecht, und mit "Mensch"
Identisch sei. Biologisch-medizinisch ist das nicht haltbar.
Es gibt zahlreiche chromosomale Sexformen. Ausser den häufigsten Kombinationen
XX und XY gibt es noch XO (einzelnes X-Chromosom), XXX, XYY XXY,
oder sogar XXXY. Was es nicht gibt, ist ein einzelnes Y-Chromosom!
Ein Mensch mit einem einzelnen X-Chromosom ist lebensfähig, mit einem einzelnen
Y-Chromosom nicht! Dazu kommt: alle Föten entwickeln sich zuerst als Mädchen,
egal wie die Chromosomenkombination ist.
Erst ab etwa der 6. Woche gibt es bei Anwesenheit eines Y-Chromosoms eine
Rückenwicklung der weiblichen Genitalien. Die Klitoris wird dann zum Penis,
und die äusseren Schamlippen der Vagina werden zur Mittelnaht der Hoden.
So gesehen ist "der Mann" eine degenerierte Form des Weiblichen.

Hier wird auch klar, dass man zwischen Sexualorganen und Fortpflanzungsorganen
unterscheiden muss! Bei der Frau ist das Sexualorgan die Klitoris, beim Mann
der Penis. Bei der Frau ist das Fortpflanzungsorgan die Vagina mit den dahinter
liegenden Muttermund, Eileitern, Eierstöcken usw.
Beim Mann ist es der Hoden.

Die Autoren untersuchen auch die Bereiche Arbeit und Beruf, Aggression,
Machtstreben, die Familienrollen, und die Bereiche Sex und Sexualität.
Der letzte Punkt ist sehr interessant, da meist "Sex" und "Sexualität" inhaltlich
gleich gesetzt wird, obwohl sie sowohl inhaltlich wie auch im Ausdruck vollkommen verschiedene Bereiche erfassen.

Ich las schon mehrere Bücher, an denen Hilary Lips entweder beteiligt war, oder
die von ihr geschrieben wurden, und es hat sich jedes mal gelohnt.
Wer in Englisch fit ist und sich für das Thema interessiert, für den ist das Buch
auf jeden Fall lesenswert!

Nicole