ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
Umher
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Beitrag von Umher »

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malin hat geschrieben:@umher: na klar verlange ich eine politische stellungnahme, oder würde sie mir zumindest wünschen.
und zwar eine die eindeutig position gegenüber diskriminierung bezieht.
Es geht hier um ein zivilrechtliches Verfahren. Gesellschaftspolitische Statements sind hier völlig fehl am Platz.
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malin hat geschrieben: aber zumindest ein dahingehendes urteil wäre wünschenswert gewesen.
Ein wohingehendes Urteil? Gerichte haben sich an bestehendes Recht zu halten und nicht nach den gesellschaftspolitischen Ansichten der Richter. Das wäre eine Willkürjustiz, wo ein Richter sagen könnte: "Rechtsgültige Verträge hin oder her, Prostitution finde ich gut, deshalb müsst ihr sie in eurem Haus dulden."

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annainga
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Beitrag von annainga »

deine Unterscheidungen sind wichtig @Umher. es geht wirklich nicht darum, was sein soll, sondern was ist.

aber dieses unwert-urteil der bevölkerung, ist das so? oder denken die richter, es wäre so?

wer überprüft, ob dieses unwert-urteil so überhaupt besteht?

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certik
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Beitrag von certik »

Hallo annainga,

schön, dass Du hier wieder mitmachst :001

annainga hat geschrieben:...wer überprüft, ob dieses unwert-urteil so überhaupt besteht?...


Vielleicht solltest Du, oder Andere aus dem Forum dies überprüfen!?
Vielleicht in verschiedenen Internet-Diskussionsforen die Frage stellen, ob man eine Wohnung in einem Haus mieten/kaufen würde, wenn man wüsste, dass in diesem Haus eine/mehrere Prostituierte ihrer Tätigkeit nachgehen. Darum bitten, die Entscheidung zu begründen.
Die Foren sollten nichts mit SW zu tun haben und nicht extrem orientiert sein.

LG certik, dem momentan leider die Zeit fehlt, das selbst zu machen.
* bleibt gesund und übersteht die Zeit der Einschränkungen *

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annainga
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Beitrag von annainga »

der gedankenweg ist schon gut, aber vor gericht würde eine befragung/umfrage in foren nichts bewirken.
womöglich sind die betroffenen ja so mutig und gehen in berufung und es kommt wie damals im prozeß mit felicitas weigmann zu einer gerichtlich angeordneten aussagekräftigen befragung aus der allgemeinbevölkerung.

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Marc of Frankfurt
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Perpetuierte Prostitutionsfeindlichkeit (Putophobie)

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Ein beredtes Bespiel, wie sich die Meinung zur Prostitution in der Gesamtgesellschaft womöglich stark von der in der Gesamtrichterschaft unterscheidet gibt folgendes Urteil:


Hamburgs Ex-Justizsenator Kusch will künftig keine Sterbehilfe mehr anbieten.

Urteil des Hamburger Verwaltungsgerichts, das ihm vorvergangene Woche die Beihilfe zum Suizid untersagte.

Den Verwaltungsrichtern warf der ehemalige Justizsenator zu große Emotionalität bei der Entscheidungsfindung vor. Die Begründung habe "völlig überflüssige Bosheiten" enthalten, "die juristisch keine Rolle spielen".

So sei er "in eine Ecke mit Prostituierten" gestellt worden. Die Richter hatten argumentiert, dass sein Angebot eine "sozial unwertige Tätigkeit" ähnlich der "Kommerzialisierung der Sexualität" sei. "In der Schweiz gibt es ja auch Rotlichtviertel", entgegnet Kusch, "aber dort kommt niemand auf die Idee, Sterbehilfevereine wie Dignitas in einem Atemzug mit Prostituierten zu nennen."

zitiert aus:
http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 46,00.html





Es ist ein weiterer Beleg, wie der Stereotyp Prostitution als Negativfolie für unerwünschtes Sozialverhalten auf Schulhöfen bis hin zu Gerichtssälen ubiquitär benutzt wird. Das Berufsbild Sexarbeiter ist noch zu wenigen bekannt, als daß es der Sündenbockfunktion Prostitution auch nur annähernd Konkurrenz machen könnte.





Hier eine typische Fortbildungsveranstaltung für Richter. Der aufmerksame Leser spürt sofort, wie einseitig prostitutionsfeindlich die Tagung konzeptioniert ist.
viewtopic.php?p=49569#49569 (SW Fortbildung)





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Marc of Frankfurt
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zum Urteil Eigentumsstörung wg Sozialunwerturteil

Beitrag von Marc of Frankfurt »

...

„Die Entscheidung entspricht absolut herrschender Meinung und gilt zum Beispiel auch für Swingerclubs“, kommentiert Susanne Tank, Fachanwältin für Miet und Wohneigentumsrecht von der Kanzlei Bethge und Partner in Hannover. Selbst wenn die sexuellen Dienste diskret erfolgten und die Hausbewohner nicht durch Besucher belästigt würden, spreche sich die Tatsache doch bei Nachbarn, Maklern und Kaufinteressenten schnell herum. Das bringe womöglich auch die Immobilie in Verruf könne sich entsprechend negativ auf die Wertentwicklung auswirken.

Anders dürften Richter dies im Falle von Sexshops sehen. Jedenfalls dann, wenn sie in gewerblich genutzten Gebäuden betrieben werden und auch in der Nachbarschaft ähnliche Geschäfte und Nachtclubs angesiedelt sind. „Es empfiehlt sich in jedem Fall zunächst ein Blick in die Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), die meist Regelungen zum Thema Nutzung enthält“, sagt die Anwältin. Aktenzeichen: OLG Zweibrücken 10. Februar 2009, 3 W 182/08

http://www.handelsblatt.com/finanzen/im ... en;2165148





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Marc of Frankfurt
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Gedankenfiguren

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Es gibt m.E. zwei Tatbestandsebenen die in einer Sachentscheidung grundsätzlich zu unterscheiden sind:
1. Das was materiell stattfindet
2. Das Wissen darüber
Beide Ebenen haben unterschiedliche Auswirkungen auf das Eigentum.

Bsp. der Befall eines Hauses mit Schimmel oder Holzwurm:
1. Er kann zum Tragfähigkeitsverlußt und damit Einsturz des Fachwerks führen und den Gebäudewert objektiv vernichten. Er bedeutet Gesundheits bis Lebensgefahr für die Bewohner.
2. Erst das Wissen über einen Befall mindert den Wert oder macht ein Haus ganz unverkäuflich.

(Hier drängt sich die Analogie mit der Wahrscheinlichkeitswelle der Quantentheorie (Schrödingerfunktion, Schrödingers Katze) auf und sollte mal genauer durchdacht werden:
1. Es besteht ein Potential und eine gewisse verteilte Aufenthaltswahrscheinlichkeit im unbeeinflußten System.
2. Durch ein Experiment wird Lage oder Eigenschaft gemessen, wodurch die Schrödingerwelle kollabiert und sich genau einer der möglichen Werte einstellt bzw. realisiert.)

Bei der Prostitution:
1. Solange es nicht -wie stets unterstellt- bekannt wird, kann aber muß keine Gefahr bestehen (s.u.). Die Sozialschädlichkeit von Prostitution ist nichts mehr als eine zwar verbreitete jedoch nur von einem nicht genau gemessenen Teil der Bevölkerung getragene Hypothese.
Hinzu kommt das Phänomen Doppelmoral. d.h. die Leute sagen zwar dass Prostitution schlecht ist, aber sie handeln teilweise anders als sie reden. Soll man jetzt das Handeln oder das Reden begutachten?
2. Wird Prostitution bekannt, besteht nur eine Gefahr, wenn die Prostitutionsfeindlichkeit (Putophobie) sich durchsetzt. Das wiederum hängt von der konkreten Lage und der tatsächlich stattfindenden Kommunikationspolitik ab.

Zu 1.
Prostitution läßt sich grob in zwei Klassen unterteilen:
a. Clandestine Neo-Prostitution [Domentat], die von Agenturen, Models, Hobbyhuren, Geheimprostituierten etc. betrieben wird und über Kontaktanzeigen in Medien und via Handy diskret angebahnt wird und konsensual ohne Begleitbelästigung abgewickelt wird. Die Belästigung ist hier eher vergleichbar einer Hausarzt- oder Rechtsanwaltspraxis oder einem sexaktiven Singelmitbewohner.
b. Traditionelle Rotlicht-Milieu-Prostitution in ausgewiesenen Ghettos und Vergnügungsvierteln mit den entsprechenden atmosphärischen Belästigungen und altbekannten aber oftmals pauschalisierten Begleitumständen.

(Dieses Beispiel könnte man auch entwickeln für einen Fall im Apartheitsregime mit einem rassistisch fremden Bewohner.)

Wenn sich Putophobie durchsetzt, dann ist das obige Urteil eine Tautologie ("Prostitution ist schlecht, weil Prostitution schlecht ist.")

Möglicherweise sollten Anwälte und Richter mehr Quantentheorie und Soziologie der Prostitution studieren.

Auf jedenfall sollte stets auf ein Fachgutachten zur konkreten Lage und etwaigen Belästigung gedrungen werden als Entscheidungsvorraussetzung, um lebensfeindlichen, abstrakten Normentscheidungen vorzubeugen (Norm = herrschende Auslegung = Mehrheitsmeinung = Vorurteil?).





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Urteil OLG Köln

Beitrag von nina777 »

25.02.2009

Köln - Gericht entschied

Callgirl-Sex im Wohnblock ist erlaubt

Wenn in Wohnhäusern käuflicher Sex angeboten wird, ist das nicht immer verboten.


Das Kölner Oberlandesgericht gab einer Vermieterin recht, die zwei Appartements an Callgirls vermietet hat.

Anja K. (alle Namen geändert) vermietet zwei Appartements in einem Kölner Mehrfamilienhaus an die Prostituierten Jenny (26) und Alina (27).

Die verabreden sich telefonisch mit ihren Freiern. Das gefiel der Eigentümergemeinschaft in dem ehrenwerten Haus nicht. Klage!

Begründung: Die Ausübung eines Gewerbes in der Anlage bedürfe der Zustimmung des Verwalters. Und Callgirls im Haus seien eine unzumutbare Beeinträchtigung für alle und würde sich negativ auf die Preisbildung auswirken.

Während das Landgericht den Eigentümern folgte, watschte das Kölner OLG die Antragsteller ab. Die Callgirls dürfen bleiben.

Das Gericht: Sex-Spiele in einer Wohnung stellten keine „besondere Beeinträchtigung nach außen“ dar. Es sei auch egal, dass immer Freier suchend vor den Klingelschildern stehen.

Obendrein gebe es in dem ehrenwerten Haus auch „eine Wohngemeinschaft mit jugendlichen Drogensüchtigen“ und fünf Zimmer zur Wiedereingliederung von Obdachlosen. (Az. 16 Wx 117/08).

http://www.express.de/nachrichten/regio ... 66587.html
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Wohnungsprostitution

Beitrag von annainga »


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Beitrag von nina777 »

05.03.09

Urteil
Bordell in Wohnanlage ist rechtswidrig


Das Verwaltungsgericht im rheinland-pfälzischen Neustadt hat in einem rechtskräftigen Urteil entschieden, dass das Betreiben eines Bordells in einer Wohnanlage in einem Mischgebiet aus Wohnungen und Gewerbebetrieben untersagt ist. In dem Fall hatten Nachbarn geklagt, dass acht von 60 Einheiten der Anlage für die Zwecke des Bordells genutzt wurden. Dies stelle eine wesentliche Störung des Wohnumfeldes dar.

Ein Bordell ist Anwohnern in einem Mischgebiet mit Wohnungen und Gewerbebetrieben nicht zumutbar, wie das Verwaltungsgericht im rheinland-pfälzischen Neustadt nach Angaben vom Donnerstag in einem Eilverfahren entschieden hat. In dem zugrunde liegenden Fall boten Prostituierte in acht Wohnungen einer aus 60 Einheiten bestehenden Wohnanlage ihre Dienste an.

Nach Beschwerden von Nachbarn untersagte die Stadt der Verwalterin mit sofortiger Wirkung diese Nutzung, wogegen die Frau das Verwaltungsgericht anrief. Dies entschied, dass in einem Mischgebiet zwar Gewerbetriebe zulässig seien. Diese dürften das Wohnen jedoch nicht wesentlich stören. Eine bordellähnliche Nutzung der Wohnungen bringe aber „typischerweise eine milieubedingte Unruhe und damit eine wesentliche Störung des Wohnumfelds“ mit sich, hieß es in der Presseerklärung des Gerichts.

Zudem sei die gewerbliche Nutzung der Wohnungen ohne eine dafür erforderliche Baugenehmigung erfolgt. Der Beschluss ist rechtskräftig.
(Aktenzeichen: Verwaltungsgericht Neustadt, 3 L 1448/08.NW, Beschluss vom 10. Februar 2009)

http://www.focus.de/panorama/vermischte ... 77392.html
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Marc of Frankfurt
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Typisches diskriminierendes Urteil

Beitrag von Marc of Frankfurt »

In dem Wort „typischerweise eine milieubedingte Unruhe und damit eine wesentliche Störung des Wohnumfelds“ haben die Richter ihre ganzen Vorurteile und die sie begleitende Vorverurteilung offenbart.

Die veränderten Lebens- und Arbeitserfahrungen der Frauen, Männer und Transsexuellen in der sog. Neo-Prostitution, die z.B. im Buch von Tamara Domentat niedergelegt sind, werden systematisch ausgeblendet, um an einer Verurteilung und Kriminalisierung von Prostitution festhalten zu können.

Statt sich den Einzellfall genau vorzuknöpfen und auf Gutachten wie bei den seit Jahrzehnten unbeanstandet geführten Etagenbordellen in der Hauptstadt Berlin zurückzugreifen, spart man sich die Mühe des Erkenntnisgewinns und es werden Typurteile gefällt.

Diese Typisierung ist eine abzulehnende Diskriminierung, die m.E. dem ProstG entgegen steht und mehr der heute herrschenden konservativeren Strömung Folge leistet.

Die unterstellten Typ-Unterschiede zwischen dazugehörigen Bürgern in Wohn-Misch-Gewerbe-Gebieten und zu verhindernden Sexarbeit-Paysex-Angeboten zeigt sich auch im Wortgebrauch "Milieu / milieubedingt".
Hiermit ist auch für Nichtjuristen erkennbar nicht das Richter-Staatsanwälte-Milieu gemeint, wo sich bekanntlich auch Menschen mit Sexarbeitspraxiserfahrung finden, sondern es ist das sex-and-crime Rotlicht-Blaulicht Milieu gemeint, wie es durch die Markt-Gesetze und Ästhetik der Medienberichterstattung geprägt und inzwischen quasi Teil des kollektiven Unterbewustseins ist.





Gelegenheit zum Leserbriefeschreiben:
http://www.focus.de/panorama/vermischte ... 77392.html
(Macht Links auf Texte im Forum in eurem Leserbrief.)




_________________





Juristisches Gutachten zum Bauplanungsrecht

viewtopic.php?t=4187 :eusa_clap





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Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 15.03.2009, 13:10, insgesamt 1-mal geändert.

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Evaluation ProstG

Beitrag von Marc of Frankfurt »

In Zusammenarbeit mit diesem Forum entstanden:

Canadische Studie - Magisterarbeit - Evaluation des ProstG:


Untersuchung des
Wandels der Prostitution in Deutschland
seit der Wiedervereinigung

An Examination of
Changing Patterns of Prostitution in Germany
Since Unification



Anna Bretzlaff
Carleton.ca



Zusammenfassung
Seit der deutschen Wiedervereinigung, haben die Formen der Sexarbeit eine Reihe von Veränderungen gezeitigt. Diese Veränderungen werden deutlich durch die Tatsache zunehmender Sichtbarkeit und “Normalität” der Sexindustrie, wo und wie Prostitution abläuft, der Zunahme der Zahl der Frauen, die in der Sexarbeit als Prostituierte arbeitenden, die Zahl der Kunden die sie bedienen und im starken Anstieg des Anteils nichtdeutscher Frauen, die als Sexarbeiterinnen in Deutschland arbeiten. Diese Forschungsarbeit versucht zu erklären, warum sich die Formen der Prostitution seit der Wiedervereinigung in Deutschland geändert haben. Zu diesem Zweck sollen drei zentrale Hypothesen untersucht und bewertet werden:
  • Der Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa und der früheren Sowjetunion (UdSSR),
  • Globalisierung und die Erweiterung der Europäischen Union (EU) und schließlich
  • die Legalisierung der Prostitution im Jahre 2002.
In der Zusammenschau sollen diese Variablen eine umfassende Erklärung zu der komplexen Fragestellung liefern.





Abstract
Since unification, patterns of prostitution in Germany have undergone a series of changes. These changes are evident in terms of the increasingly visible and “normalized” nature of the sex industry, where and how prostitution is conducted, a rise in the overall number women working in the sex industry as prostitutes as well as in the number of customers they service, and in the sharp rise in the percentage of non-German women working as prostitutes in Germany. This research paper attempts to explain why patterns of prostitution have changed in Germany since unification. To this end, three central hypotheses will be examined and evaluated:
  • the collapse of communism in Eastern Europe and the former Soviet Union (USSR),
  • globalization and the expansion of the European Union (EU), and finally,
  • the legalization of prostitution in 2002.
In conjunction, these variables aim to provide a comprehensive explanation to a complex question.
Dateianhänge
Bretzlaff - Changing Patterns of Prostitution.pdf
150 pages
(664.09 KiB) 641-mal heruntergeladen

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BVG zum § 4 GastG "der Unsitte vorschub leisten"

Beitrag von nina777 »

24.4.2009

Prostitution ist nicht unsittlich

Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Entscheidungs des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) bestätigt: Ordnungsbehörden dürfen die gaststättenrechtliche Erlaubnis für den Ausschank von alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken in einem Bordell nicht mehr mit der Begründung verweigern, dass dadurch "der Unsittlichkeit Vorschub geleistet" werde.


Es ging um ein kleines Bordell, in dessen Eingangsbereich sich eine Theke mit Barhockern sowie einige Tische und Stühle befanden, an denen Getränke ausgeschenkt wurden. Zugang zu dieser Bar hatten nur Erwachsene, die dort Kontakt zu den Damen finden konnten. Die Schankgenehmigung sollte der Wirtin nun entzogen werden, weil sie damit "Anbahnungshandlungen" fördere und somit der "Unsittlichkeit Vorschub" leiste.

Die Klage der Wirtin dagegen hatte jedoch Erfolg: Nach den heutigen Wertvorstellungen sei die kommerzielle Ausnutzung sexueller Bedürfnisse oder Interessen nicht mehr grundsätzlich als sittenwidrig anzusehen, sagte der VGH. Nach dem Prostitutionsgesetz könne bei der Ausübung des Prostitution nicht mehr automatisch von "Unsittlichkeit" ausgegangen werden. Folglich sei die frühere Rechtsprechung aufgegeben worden, dass ein Gastwirt schon der Unsittlichkeit Vorschub leiste, wenn bei ihm Kontakte angebahnt werden.

Der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat die VGH-Meinung nun bestätigt (Az.: 8 B 2.09).E. Müller-Jentsch

http://www.sueddeutsche.de/854389/475/2 ... tlich.html
Zuletzt geändert von nina777 am 24.04.2009, 12:10, insgesamt 1-mal geändert.
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VG Stuttgart: Kein Bordell in Kleinstadt (< 35000)

Beitrag von nina777 »

Anwalt: Gehen bis zum äußersten
Bordell-Prozess: Klage des Betreibers erst einmal abgewiesen

Gestern wurde vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart die Klage des Dieter H. gegen die Stadt Bad Mergentheim verhandelt. Dieser führte ein Bordell, dessen Betrieb im Eilverfahren eingestellt wurde.

Bad Mergentheim Wie ein Zuhälter sieht Dieter H. nicht aus. Keine Goldketten, keine fetten Ringe an den Händen. Raspelkurze Haare, eine Brille und ein schwarzer Anzug, er gleicht mit seinem Auftreten eher einem Geschäftsmann. Und das wollte er sein. Allerdings in einem Bereich, der für eine Kleinstadt bis 35 000 Einwohner laut Paragraf 1 der Prostitutionsverordnung nicht möglich ist.

Dieter H. vermietete im Februar 2007 eine Wohnung an Prostituierte. Im Oktober wurde ihm mit sofortiger Wirkung die Führung des Betriebs untersagt. Anfang November 2007 kam es zu einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht, das zu dem gleichen Urteil kam. H. erkannte zwar den Verstoß an sich an, klagte aber auf Wiederherstellung des Betriebs. Der Widerspruch wurde abgelehnt. Und wieder erhob Dieter H. Einspruch. Am Donnerstagmittag nun landete das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. "Mein Mandant räumt zwar den Verstoß ein. Der sei aber unwirksam, da heute Prostitution nicht mehr als sittenwidrig angesehen werden kann. Deshalb ist für ihn die Rechtsverordnung nicht mehr gültig. Wir beantragen somit einen glatten Aufhebungsbescheid", so die Worte des Anwalts von Dieter H.

Als Vertreter der Stadt Bad Mergentheim war der Leiter des Sachgebiets Öffentliche Ordnung, Andreas Buchmann, zugegen. "Die Verfügung gegen den bordellartigen Betrieb basiert auf der Prostitutionsverordnung und diese Verordnung ist gesetzmäßig." Buchmann forderte Klageabweisung.

Richter Dr. Rolf Nagel verwies auf einen vor dem Verwaltungsgerichtshof verhandelten ähnlich gelagerten Fall, in dem ein abschlägiges Urteil gefällt wurde. "Eine Einschätzung der veränderten Situation kommt nur dem Gesetzgeber zu. Aber Jugendschutz und öffentlicher Anstand können in so kleinen Gemeinden nur schwer durchgesetzt werden, da hier die Wahrnehmbarkeit doch erheblich höher ist." Nach einer kurzen Pause fügte er an den Kläger gewandt hinzu: "Der Sinn meiner Rede dürfte Ihnen nicht entgangen sein." Dieter H.: "Ich kann das nicht verstehen. Prostitution ist ein richtiger Beruf. Und nur auf Grund der Einwohnerzahl einer Stadt kann man ihn doch nicht verbieten." Auch der Anwalt des Klägers sah im Grunde keine Belästigung. "Die Frage muss typisiert behandelt werden. Übrigens spricht sich so etwas in einer kleinen Gemeinde schnell rum", so Richter Nagel. Auf seine Frage, was der Kläger in diesem Verfahren nach mehrfacher Klageabweisung noch unternehmen wolle, antwortete der Anwalt: "Mein Mandant hat sich entschlossen bis zum äußersten zu gehen und sich notfalls von Karlsruhe ein Urteil einzuholen." Sollte der Kläger mit dem Urteilsspruch nicht zufrieden sein, muss er vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim klagen. Und so wie sich der Anwalt des Klägers in der Verhandlung äußerte, ist davon auszugehen.

http://www.suedwest-aktiv.de/region/tau ... ebd848020c
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Beitrag von nina777 »

28.4.2009

Bordelle in Wohngebieten

Prostitutionsgesetz Im Dezember 2001 hat der Bundestag das "Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten", kurz Prostitutionsgesetz, verabschiedet. Prostitution, sofern sie ohne Zwang ausgeführt wird, und deren Förderung sind demnach straffrei. Damit wurde das Gewerbe legalisiert und die sozial- und arbeitsrechtliche Stellung der Prostituierten entscheidend verbessert.

Definition
Bordelle und bordellartige Betriebe werden als Gewerbebetriebe besonderer Art eingestuft. Dazu gehören auch Massagesalons und Sauna-Clubs, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten werden.

Baurecht Bordelle sind nach dem Baurecht in Gewerbe- und Industriegebieten zulässig. In Kleinsiedlungsgebieten, reinen und allgemeinen Wohngebieten, Dorf- und Mischgebieten sowie in Sondergebieten, die der Erholung dienen, sind sie unzulässig.

Verhandlung Am 5. Mai findet vor dem Verwaltungsgericht Berlin ein Verfahren zur Bewertung von bordellartigen Betrieben statt. In der Sache geht es um eine Einrichtung an der Ringbahnstraße in Halensee. Das Urteil wird sich aber generell auf die Klärung der Frage auswirken: Stören Bordelle in Wohngebieten?

Standpunkt Der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen, der die Interessen von Bordellbetreiberinnen und Prostituierten vertritt, plädiert dafür, "dass Bordelle in ihrer Struktur und Außenwirkung in Wohngebiete eingegliedert werden können", so Sprecherin Stephanie Klee.

http://www.morgenpost.de/printarchiv/be ... ieten.html
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Beitrag von nina777 »

4.5.2009

Ehrenwertes Haus

Muss ein Wohnungsbordell geduldet werden? Eine Betreiberin lässt die Frage nun gerichtlich klären

„Bordelle haben in einem Wohnhaus nichts zu suchen.“ Das steht für Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler fest. Es gehe ihm nicht darum, ob Nachbarn sich beschwerten, sagt der CDU-Politiker und Jurist aus Charlottenburg-Wilmersdorf. Das sei seine rechtliche Einschätzung und persönliche Meinung. Die ist nicht nur im Bezirksamt umstritten: Am Dienstag verhandelt dasBerliner Verwaltungsgericht über die Klage einer Bordellbetreiberin, die sich gegen die schriftliche „Androhung der Nutzungsuntersagung“ wehrt. „Bei mir ist alles legal, und es hat kein einziges Beschwedeschreiben gegeben“, sagt Kerstin Berghäuser vom „Salon Prestige“ an der Wilmersdorfer Ringbahnstraße nahe dem Kurfürstendamm.

Etwa 400 Wohnungsbordelle gibt es stadtweit, sechs hatte Gröhler bereits vor Jahren schließen lassen. Auch der Bezirk Tempelhof-Schöneberg ist gegen einige Betriebe vorgegangen. In der City West stellte sich jedoch 2007 die rot-grüne BVV-Mehrheit gegen Gröhler, seitdem sind alle Maßnahmen ausgesetzt. Der Kritik schlossen sich auch Wirtschaftsstadtrat Marc Schulte (SPD) und Sozialstadträtin Martina Schmiedhofer (Grüne) an.

„Ich würde mich freuen, wenn die Klägerin gewinnt“, sagt Schulte. So oder so sei „die rechtliche Klärung zu begrüßen“. Ende 2007 hatten er und Schmiedhofer bestimmte „Mindeststandards“ für Bordelle vorgeschlagen. Diese sollten überall erlaubt werden, sofern es keine Belästigungen der Nachbarn gibt, Arbeitsschutz und Hygiene beachtet werden sowie der „Verzicht auf Gewalt und Zwang“ garantiert sei. Die Bedingungen waren abgestimmt mit dem „Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen“, in dem Prostituierte und Bordellbesitzer organisiert sind. Sprecherin Stephanie Klee betont, alle Wohnungsbordelle seien „ordungsgemäß angemeldet“ und verzichteten auf auffällige Lichtreklame, laute Musik oder Alkoholausschank.

Der Gerichtstermin ist das erste Hauptsacheverfahren. In einstweiligen Verfügungen hatten Berliner Gerichte die Schließungen durch Ämter bisher bestätigt. Laut Baunutzungsverordnung seien Bordelle in Wohngebieten störend, hieß es. Dem steht das 2002 vom Bundestag liberalisierte Prostitutionsgesetz entgegen: Es stellt Bordelle anderem Gewerbe gleich. Die Genehmigung in Wohnhäusern soll einzeln geprüft werden. Daran halten sich unter anderem der Neuköllner Baustadtrat Thomas Blesing (SPD) und der Friedrichshain-Kreuzberger Bürgermeister Franz Schulz (Grüne).

Die Richter planen einen Ortstermin im „Salon Prestige“ und wollen am Nachmittag urteilen. Am 19. Mai folgt ein zweites Verfahren um ein anderes Charlottenburger Bordell. Bei Kerstin Berghäuser empfangen täglich sieben bis acht Frauen die Freier. Wöchentlich seien dort etwa 25 Frauen tätig. „Wir sind kein Großbordell, sondern mittelständisch.“ Eine juristische Besonderheit liegt darin, dass es zwar um ein Wohnhaus geht, die Gegend aber kein Wohngebiet ist. Es handelt sich vielmehr um ein Mischgebiet, in dem vielerlei Gewerbe zulässig ist. Für Gröhler ist die Lage aber „einem Wohngebiet gleichzusetzen“. Dieser Punkt werde „spannend“, sagt er.

Manches erinnert an den Streit um das Wilmersdorfer „Café Pssst!“, das der Bezirk vor zehn Jahren wegen „unsittlicher“ Anbahnungsgespräche schließen wollte. Inhaberin Felicitas Weigmann gewann und wurde bundesweit bekannt. Vor Gericht könnten die Bezirksvertreter „einDéjà-vu erleben“, sagt Kerstin Berghäuser. Sie hat dieselbe Anwältin wie Weigmann damals.

http://www.tagesspiegel.de/berlin/art270,2788524
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Sigmaringen Nutzungsenderung muß erlaubt werden

Beitrag von nina777 »

5.5.2009

Verwaltungsgericht - Stadt unterliegt im Rechtsstreit um eine von Prostituierten genutzte Terminwohnung

Von der Senffabrik zum erotischen Massagesalon

REUTLINGEN. Die Albstraße hat einiges zu bieten. Die Arbeitsagentur zum Beispiel, ein Fitnessstudio, sogar eine Tabledance-Bar und weiter hinten ein Bordell. Und nicht zu vergessen: Ganz normale Wohnhäuser. In einem gehen seit 2006 Damen im wöchentlichen Wechsel dem horizontalen Gewerbe nach. Illegal allerdings, die Stadt untersagte deshalb die Nutzung und wurde vom Regierungspräsidium in dieser Entscheidung auch bestätigt. Doch der Eigentümer des Appartements legte sich quer. Er erhob Widerspruch und beantragte eine Nutzungsänderung, um die Wohnung von seinen Untermieterinnen als »erotisches Massagestudio« betreiben lassen zu können. Schon war ein Rechtsstreit im Gange, den jetzt das Verwaltungsgericht Sigmaringen entschied: Es gab dem Eigentümer, der gegen die Stadt geklagt hatte, Recht.

Aus Berlin angeflogen

Die Herren von der sechsten Kammer reisten eigens nach Reutlingen, um sich ein Bild von der Lage an sich und der des »erotischen Massagesalons« als solchem zu machen. Noch weiter der Weg der Kläger-Anwältin: Aus Berlin kam Margarete Gräfin von Galen angeflogen, eine ausgewiesene Fachfrau (»ich bin häufiger in diesem Bereich tätig«) und Autorin des Buchs »Rechtsfragen der Prostitution«.

Prostitution, ob mit oder ohne Massage, wird auch in dem Appartement in der Albstraße betrieben - und zwar, zitierte der Vorsitzende Richter Jürgen Keppeler die beantragte Nutzungsänderung, von »selbstständigen Frauen, die auch dort wohnen, aber nicht ihren Lebensmittelpunkt haben«. Ein Kripo-Beamter, zuständig für Prostitutionsüberwachung, konnte zur Aufklärung beitragen: Jede Woche ist eine andere Frau in dem Appartement zugange - geschäftsmäßig und übernachtenderweise. Manchmal seien es deutsche Prostituierte, manchmal kämen sie auch aus dem Ausland. Beschwerden von Nachbarn habe es nur einmal gegeben.

»Ein schwieriges Terrain«, eröffnete der Richter die Verhandlung und meinte damit nicht das Gewerbe an sich, sondern die gebietsspezifischen Einschränkungen seiner Ausübung. »Jetzt wollen wir mal sehen, wo der Hase im Pfeffer liegt«, machte sich Keppeler ans Werk und referierte über die Ortsbausatzung, die seit 1957 für die Albstraße gilt, über Baustaffelplan und Baulinienplan, über qualifizierte und einfache Bebauungspläne. Unstrittig war, dass besagtes Wohnhaus mitten im Mischgebiet liegt und dort, so Keppeler, eben mehr möglich ist als »nur« Wohnen. Die Schwierigkeit im konkreten Fall sah er allerdings in der Vereinbarkeit von alter Ortsbausatzung mit neuem Baurecht.

Erhebliche Gefahren

Das Regelwerk anno 1957 erlaubt im Mischgebiet Anlagen, von denen keine »erheblichen Gefahren und Belästigungen« ausgehen. Als Beispiele werden Senffabriken, Schuh- oder Seifenfabriken erwähnt. »Das ist ja ein Horrorkabinett«, bemerkte der Richter und deutete an, dass - trotz veränderter Messlatte - Terminwohnungen eher mit unwesentlichen Störungen und deshalb in dem Gebiet zu tolerieren seien.

Ganz anders die Sicht der Stadtverwaltung: Für sie ist ein »bordellartiger Betrieb«, in dem die Frauen anders als bei der Prostitution in der eigenen Wohnung nur vorübergehend in einem Appartement logieren, in einem Mischgebiet per se nicht zulässig.

Ottmar Hahr, Chef des Bürgerbüros Bauen, erklärte auch warum: Das Störpotenzial, das von bordellartigen Betrieben mitten in einem Wohnhaus ausgehe, sei erheblich.

Denn die Frauen seien dort nur »meistbietend für eine Woche, und deshalb ist es ihnen völlig wurst, was sie der Nachbarschaft an Störungen hinterlassen«. Beim »erotischen Massagesalon« in der Albstraße handle es sich ganz klar um einen bordellartigen Betrieb. Und der, so Ottmar Hahr, »ist nicht verträglich mit der Eigenart des Gebäudes, das ist dort unverantwortbar«.

»Solange es eine Ortsbausatzung gibt, ist diese auch Maßstab für die Beurteilung von Betrieben«, hielt Margarete von Galen entgegen. Auch für die - im Gegensatz zu den Senffabriken - nicht erfassten Terminwohnungen. Die fügten sich ins Vorgegebene sehr wohl ein, meinte Margarete von Galen nach einem Vor-Ort-Termin in der Albstraße, und seien bei weitem nicht so störend wie von der Verwaltung behauptet. Schon wegen ihres »diskreten« Charakters und der entsprechenden Kundschaft. »Das sind«, so von Galen mit Blick in die Runde, »Rechtsanwälte und Richter, auch die ehrenwerten Bürger ihrer Stadt gehen da hin«

http://www.gea.de/detail/1254707
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nina777
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Bundessozialgericht (BSG) Kassel: Arbeitsamt nicht zuständig

Beitrag von nina777 »

6.5.2009

«Gegen die guten Sitten»:

Arbeitsamt darf sich aus Bordellen raushalten

Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts ist eine Vermittlung von Prostituierten nicht mit der Wertordnung der Bundesrepublik vereinbar. Ein Bordellbesitzer kann seine Angestellten damit nicht vom Arbeitsamt anfordern.


Arbeitsämter müssen einem Gerichtsurteil zufolge nicht für Bordellbesitzer nach Prostituierten suchen. Eine Vermittlung von Prostituierten sei nicht mit der Wertordnung der Bundesrepublik vereinbar, urteilte am Mittwoch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Auch aus dem seit 2002 geltenden Prostitutionsgesetz sei eine Förderung dieser Tätigkeit nicht abzuleiten, hieß es. (Aktenzeichen: B 11 AL 11/08 R)

In dem Rechtsstreit hatte ein Bordellbesitzer aus Speyer bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) die Vermittlung von Prostituierten aus Deutschland und den EU-Mitgliedstaaten beantragt. Der Bordellbetreiber wollte in seinem Etablissement Prostituierte sozialversicherungspflichtig beschäftigen. «Mit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung wird Frauen vielleicht der Einstieg in den Beruf erleichtert», erklärte der Kläger.

Kein gesellschaftlicher Konsens

Die BA lehnte den Antrag jedoch ab, weil die Vermittlung von Prostituierten «gegen die guten Sitten» verstoße. Im Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes werde darauf verwiesen, dass es noch keinen gesellschaftlichen Konsens über die Prostitution gebe. Bei diesem Gewerbe handele es sich nicht um einen «normalen Beruf».

Im 2002 in Kraft getreten Prostitutionsgesetz wird Prostituierten zugestanden, ihre Liebesdienste auf eine sozialversicherungspflichtige Basis zu stellen. «Wird dieser Beruf wie jeder andere angesehen, müssten wir auch hier weiterbilden und Förderleistungen zahlen», sagte Rainer Krappmann, Vertreter der BA.

«Wenn Prostituierte Sozialversicherungsbeiträge zahlen, sollte es keinen Grund geben, eine Vermittlung zu verweigern», sagte hingegen Erich-Wolfgang Moersch, Rechtsanwalt des Klägers. Auch der Bundesverband sexuelle Dienstleistungen (BSD) in Berlin beklagt die Praxis der BA, keine Stellen zu vermitteln. «Die meisten Prostituierten arbeiten deshalb von vornherein auf freiberuflicher Basis», sagte Stephanie Klee, Sprecherin des BSD, vor der Urteilsverkündung.

http://www.netzeitung.de/arbeitundberuf/1348319.html
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Marc of Frankfurt
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So ablehnend urteilte damals schon das Gericht in Spyer :-(

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Urteil ist leider noch nicht in der Datenbank:
www.bundesSozialgericht.de

Ob die Verweigerung der Arbeitsvermittlung etwas zu tun hat mit der Angst sich evt. der Förderung der Prostitution, des Menschenhandels, der Zuhälterei und somit der sog. Zwangsprostitution schuldig zu machen?

Aber was ist mit den SexarbeiterInnen, die jeden Tag erstmal einen Kunden bedienen müssen, um den Tagessatz des Düsseldorfer Verfahren (Vereinfachts VorauszahlungsVerfahren - VVV) herein zu bekommen?





Klassenjustiz:
suum cuique - jedem das seine

Steuerrecht:
pecunia non olet - Geld stinkt nicht





.

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3 Artikel

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Pressespiegel



Focus

Urteil

Arbeitsagentur muss keine Prostituierten suchen
Die deutsche Arbeitsbehörde ist nicht verpflichtet, einem Bordell Prostituierte zu vermitteln. Laut Gerichtsurteil gebieten das die „guten Sitten“.


AFP
Vermittlung Fehlanzeige
Langes Gesicht bei einem Bordellbetreiber aus Speyer: Das Kasseler Bundessozialgericht (BSG) stellte höchstrichterlich klar, dass die Arbeitsverwaltung keine Mitarbeiterinnen für ein Freudenhaus suchen muss. Mit dem Urteil wies das BSG am Mittwoch die Forderung des 45-Jährigen in dritter und letzter Instanz ab.


Die Bundesanstalt für Arbeit habe das Ansinnen des 45-Jährigen zu Recht abgelehnt, weil die Behörde nicht verpflichtet sei, „in diesem Bereich“ tätig zu werden. „Eine solche Handlung der öffentlichen Gewalt lässt sich nicht mit der Werteordnung des Grundgesetzes vereinbaren“, hieß es in der Urteilsbegründung (Az.: B 11 AL 11/08 R).


„Gute Sitten“ verletzt

Der Mann betreibt bereits ein Etablissement, in dem Frauen „als Selbstständige sexuelle Dienstleistungen gegenüber Dritten“ erbringen. Weil er Frauen selbst beschäftigen wollte, verlangte er vom Arbeitsamt die Vermittlung von Prostituierten aus Deutschland und anderen EU-Staaten. „Art der Tätigkeit sei die Vornahme sexueller Handlungen.“ Die Bundesrichter sahen dadurch jedoch die „guten Sitten“ verletzt.

Der Anwalt des Mannes argumentierte, Prostitution sei mittlerweile ein normales Gewerbe. Die Bundesagentur dürfe nur bei kriminellen Hintergründen die Vermittlung verweigern, ansonsten habe sein Mandant wie jeder andere Arbeitgeber auch das Recht, die Dienste der Behörde in Anspruch zu nehmen. Das gelte erst recht, seit es das Prostitutionsgesetz gebe: „Wenn sie in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, muss sich die Anstalt auch um sie kümmern.“

Die Arbeitsbehörde weigerte sich jedoch, weil Prostitution gegen die guten Sitten verstoße. „Wir werden nicht vermitteln, solange es nicht eine eindeutige moralische Haltung in Deutschland zur Prostitution gibt. Wenn doch, müsste es aber ein ganz normaler Beruf sein, ohne Wenn und Aber. Und das schließt auch das Recht auf Weiterbildung ein.“


Der Senat ließ die Argumentation des Klägers mit dem Prostitutionsgesetz nicht zu. „Das Gesetz wurde zum Schutz der Beschäftigten gemacht, nicht zur Förderung des Geschäfts.“ In der Urteilsbegründung ging das Gericht nicht auf das Argument der Bundesanstalt ein, dass auch deren Mitarbeiter geschützt werden müssten und einigen die Vermittlung von Prostituierten nicht zugemutet werden könne. Das hatte der Anwalt des Bordellbesitzers nicht gelten lassen wollen: „Dann dürfen Sie auch keine Fleischer vermitteln, weil eventuell ein paar Vegetarier bei Ihnen arbeiten.“

mbe/dpa
http://www.focus.de/karriere/arbeitsrec ... 96708.html





Frankfurter Rundschau

Arbeitsagentur muss nicht ranschaffen


VON JOACHIM F. TORNAU


Die BA mischt nicht mit (Bild: rtr)


Rotes Licht für das Rotlichtgewerbe: Die Arbeitsagentur muss auch künftig keine arbeitslosen Frauen in Bordelle vermitteln. "Ein aktives Fördern der Prostitution durch Träger öffentlicher Gewalt lässt sich nicht mit der Wertordnung des Grundgesetzes vereinbaren", befand am Mittwoch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Und deshalb dürfe die Bundesagentur für Arbeit Anfragen aus dem ältesten Gewerbe der Welt grundsätzlich ablehnen.

Geklagt hatte der Inhaber zweier Bordelle in Speyer und Karlsruhe, der das Personal seiner "Verwöhnoasen" (so die Selbstdarstellung) von selbstständigen Unternehmerinnen auf sozialversicherungspflichtig Beschäftigte umstellen wollte. Er bat darum die Arbeitsagentur, ihm bei der Suche nach geeigneten Prostituierten aus Deutschland und der Europäischen Union zu helfen.


Ob den arbeitslosen Frauen Sanktionen drohen sollten, falls sie das horizontale Jobangebot nicht annehmen, überließ Klägeranwalt Erich-Wolfgang Moersch der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Die Vermittlung aber dürfe die BA nicht einfach verweigern, meinte der Jurist und verwies auf das seit 2002 geltende Prostitutionsgesetz, das Sexarbeiterinnen unter anderem den Weg in die gesetzliche Kranken-, Renten und Arbeitslosenversicherung eröffnete. "Wenn sie Beiträge zur Sozialversicherung zahlen, gibt es keinen Grund, ihnen die Vermittlung vorzuenthalten", sagte der Anwalt.


Vermitteln oder fördern?

BSG-Vizepräsidentin Ruth Wetzel-Steinwedel sah das wie die BA anders: "Aus dem Prostitutionsgesetz lässt sich nicht entnehmen, dass es sich die Förderung der Prostitution zum Ziel gesetzt hat."

Und BA-Jurist Rainer Krappmann fürchtete die Konsequenzen, wenn seine Behörde Arbeiten im Sexgewerbe künftig wie jede andere Tätigkeit auch behandeln müsste: "Dann müsste ich in diesem Bereich auch weiterbilden." Außerdem sei es jungen oder feinfühligen Jobvermittlern nicht zuzumuten, sich mit dem Rotlichtmilieu abzugeben.

"Mit diesem Argument", konterte Klägeranwalt Moersch, "könnten sie aber auch sagen: Wir vermitteln keine Fleischer, weil wir Vegetarier in der Belegschaft haben."

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/ ... 7a1b711012





ad hoc news

Arbeitsagentur muss Frauen nicht in Prostitution vermitteln


06.05.2009 | 17:09 Uhr

Kassel (ddp) Bordellbetreiber können sich Prostituierte nicht von der Arbeitsagentur vermitteln lassen.

Kassel (ddp). Bordellbetreiber können sich Prostituierte nicht von der Arbeitsagentur vermitteln lassen. Eine aktive Förderung des ältesten Gewerbes der Welt durch die öffentliche Hand lasse sich nicht mit der Wertordnung des Grundgesetzes vereinbaren, entschied am Mittwoch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Die Agentur für Arbeit dürfe die Vermittlung arbeitsloser Frauen ins Sexgeschäft daher grundsätzlich ablehnen. Mit dem Urteil wiesen die Kasseler Richter in letzter Instanz die Klage eines Rotlichtunternehmers aus Rheinland-Pfalz ab (Az.: B 11 Al 11/08 R).

Der Mann betreibt in Speyer und Karlsruhe die Bordelle «Lauras Girls». Bislang arbeiten die Frauen bei ihm als selbstständige Unternehmerinnen. Weil er die käufliche Liebe künftig aber von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten anbieten lassen will, bat er die Arbeitsagentur um Hilfe bei der Suche nach geeigneten Prostituierten aus Deutschland und der Europäischen Union (EU). Als Art der Tätigkeit gab er die «Vornahme sexueller Handlungen» an.

Der Kläger berief sich auf das 2001 von der rot-grünen Bundesregierung verabschiedete «Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten», das Prostituierten unter anderem den Weg in die gesetzliche Kranken-, Renten und Arbeitslosenversicherung bahnen sollte. «Wenn sie Beiträge zur Sozialversicherung zahlen, gibt es keinen Grund, ihnen die Vermittlung vorzuenthalten», sagte Klägeranwalt Erich-Wolfgang Moersch. Das Gesetz zeige zudem, dass das horizontale Gewerbe heutzutage als normale Tätigkeit gesehen werde.

Die Arbeitsagentur wollte in dem Prostitutionsgesetz aber keine moralische und gesellschaftliche Legitimation des Sexgewerbes erkennen und lehnte den Vermittlungsauftrag als sittenwidrig ab. «Sonst müsste ich in dem Bereich auch weiterbilden», sagte der Vertreter der Bundesagentur für Arbeit, Rainer Krappmann, bei der Verhandlung vor dem BSG.

Anders als das rheinland-pfälzische Landessozialgericht in Mainz, das ein pauschales Nein zur Vermittlung ins Rotlichtmilieu untersagt hatte, gaben Deutschlands oberste Sozialrichter der Arbeitsagentur Recht.

ddp/jbk/nik
Url zum Artikel:
http://www.ad-hoc-news.de/arbeitsagentu ... k/20216518





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