ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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JayR
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English Report

#41

Beitrag von JayR »

Es gibt da noch eine englische Version des Berichtes.

Report by the Federal Government on the Impact of the Act Regulating the Legal Situation of Prostitutes (Prostitution Act)
Quelle bmfsfj.de
Dateianhänge
bericht-der-br-zum-prostg-englisch.pdf
Report by the Federal Government on the Impact of the Act Regulating the Legal Situation of Prostitutes (Prostitution Act)
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Marc of Frankfurt
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Berichte zum ProstG

#42

Beitrag von Marc of Frankfurt »

[@JayR: Doppelposting? Nein. Mitlerweile wird es mit der Anzahl der Berichte und Versionen echt unübersichtlich :-(]




Weitere Bewertungen zum ProstG



http://www.kreuz.net/article.6146.html

Entgegnung auf Schwarzer von Irmingard Schewe-Gerigk MdB
http://sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=26076#26076





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Marc of Frankfurt
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Generelles Prostitutionsverbot durch Sperrgebiete bestätigt.

#43

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Urteil des VG-Stuttgart:

Kein Bordell in Gemeinden unter 35.000 Einwohnern


Das VG hat den Eilantrag eines Bordellbetreibers wegen der Untersagung eines bordellartigen Betriebs zurückgewiesen, weil der Betrieb gegen die Prostitutionsverordnung der Landesregierung Baden-Württemberg von 1976 verstößt. Danach ist es zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes in Gemeinden bis zu 35.000 Einwohnern verboten, der Prostitution nachzugehen.

Dieses Prostitutionsverbot hat auch noch heute, nach Erlass des Prostitutionsgesetzes von 2001, in Bezug auf den Jugendschutz seine Gültigkeit.

Dem Betreiber (Antragsteller) war am 4. 10. 2007 mit sofortiger Wirkung die Führung eines bordellartigen Betriebes untersagt und für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Untersagungsverfügung ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500 Euro angedroht worden. Der Betrieb befindet sich in einer im Nordosten Baden-Württembergs gelegenen Stadt mit ca. 22.500 Einwohnern.

Die 1. Kammer des VG führte aus: Die zum Zwecke der Gefahrenabwehr erlassene Untersagungsverfügung vom 4. 10. 2007 sei voraussichtlich rechtmäßig. Die Führung des bordellartigen Betriebs stelle einen Verstoß gegen die Verordnung der Landesregierung über das Verbot der Prostitution vom 3. 3. 1976 (Prostitutionsverordnung) und damit einen Verstoß gegen die öffentlichen Sicherheit dar. Nach § 1 der Prostitutionsverordnung sei es zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes in Gemeinden bis zu 35.000 Einwohnern verboten, der Prostitution nachzugehen. Das in dieser Vorschrift geregelte Prostitutionsverbot sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Insbesondere werde durch das Prostitutionsverbot nicht unzulässig in die Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit, der Berufsfreiheit und des Eigentums eingegriffen. Durch den Erlass des Prostitutionsgesetzes vom 20. 12. 2001 sei keine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten. Die zivil- und sozialversicherungsrechtliche Anerkennung der Prostitution durch das Prostitutionsgesetz habe die Bedeutung des Jugendschutzes in keiner Weise relativiert. Insbesondere begründe das Prostitutionsgesetz und der in ihm zum Ausdruck kommende Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen über die Prostitution keine Notwendigkeit, nunmehr den Nachweis einer konkreten Gefährdung der Jugend oder des öffentlichen Anstandes im Gebiet einer bestimmten Gemeinde oder Teilen hiervon zur Voraussetzung für die Fortgeltung bestehender Prostitutionsverbote zu erheben. Zwar mögen Angebot und Nachfrage entgeltlichen Geschlechtsverkehrs als solche nicht mehr allgemein und in jeder Hinsicht einem gesellschaftlichen Unwerturteil unterliegen. Dies bedeute aber noch nicht, dass sich die vom Prostitutionsbetrieb ausgehenden Gefahren für heranreifende Jugendliche derart vermindert hätten, dass die Gültigkeit bestehender, auf eine abstrakte Gefährdungslage gestützter Sperrgebietsverordnungen in Frage gestellt werden müsse.

Die Stadt habe die Untersagungsverfügung auch gegen den Antragsteller als Betreiber eines bordellartigen Betriebs richten dürfen, da dieser als Handlungsstörer polizeipflichtig sei. Dass die Störung der öffentlichen Sicherheit gleich wirksam und schnell auch durch eine polizeiliche Inanspruchnahme der die Prostitution in den Räumen des Antragstellers ausübenden Personen beseitigt werden könne, sei schon im Hinblick auf den wechselnden Personenkreis nicht ersichtlich. Soweit sich der Antragsteller auf die Kosten für die von ihm gemietete Wohnung berufe, sei darauf hinzuweisen, dass eine zweckentsprechende Verwendung der in einem Wohngebiet liegenden Wohnung nach wie vor möglich bleibe. Auch die Androhung des Zwangsgeldes sei rechtens.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an den VGH Mannheim gegeben, die innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung eingelegt werden kann. (VG Stuttgart, Beschl. v. 5. 11. 2007 – 1 K 5339/07)

Pressemitteilung des VG Stuttgart v. 14./15. 11. 2007
http://rsw.beck.de/rsw/shop/docprintver ... y=njw.root





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Marc of Frankfurt
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Prostitutionsverbot für unter 18jährige Menschen

#44

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Sexuelle Kontakte zwischen Jugendlichen werden nicht kriminalisiert

Der Rahmenbeschluss hat zum Ziel, Kinder und Jugendliche vor dem Abgleiten in die Prostitution zu schützen.


Sexuelle Kontakte zwischen Jugendlichen bleiben grundsätzlich straflos - wie heute schon. Mit dieser Klarstellung hat Bundesjustizministerin Zypries auf unzutreffende Äußerungen vom Wochenende im Zusammenhang mit einem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern reagiert, der in dieser Woche vom Deutschen Bundestag verabschiedet werden soll.


„Der Gesetzentwurf stellt nicht unter Strafe, wenn zwei Jugendliche eine sexuelle Beziehung miteinander haben. Daher ist die Aussage von Herrn Abgeordneten Montag in der heutigen Ausgabe der BILD-Zeitung schlicht falsch. Kein Jugendlicher muss befürchten bestraft zu werden, wenn er einen anderen ins Kino einlädt und hofft, dass es zum Austausch von Zärtlichkeiten oder sexuellen Berührungen kommt“ erklärte Brigitte Zypries.



Mit dem Gesetzentwurf folgt die Bundesregierung ihrer europarechtlichen Pflicht, die Vorgaben eines Rahmenbeschlusses der Europäischen Union in nationales Recht umzusetzen.



Der Rahmenbeschluss hat zum Ziel, Kinder und Jugendliche vor dem Abgleiten in die Prostitution zu schützen. Deshalb muss die Vornahme sexueller Handlungen mit einem Kind, also mit einer Person unter 18 Jahren, unter Strafe gestellt werden, wenn dafür Geld oder sonstige Gegenleistungen geboten werden. Bislang wurde eine Person über achtzehn bestraft, wenn sie an einer Person unter sechzehn sexuelle Handlungen vorgenommen und dafür bezahlt hat. Künftig wird – aufgrund der europarechtlichen Vorgaben - das Schutzalter für Opfer von sechzehn auf achtzehn angehoben. Gleichzeitig verlangt der Rahmenbeschluss, dass der Täterkreis auch auf Personen unter achtzehn ausgedehnt wird.



„Schutzzweck unseres Gesetzes ist es, ein Abgleiten von Kindern und Jugendlichen in die Prostitution verhindern. Es ist absurd, wenn behauptet wird, dass ein geschenktes Kaugummi oder ein Kinobesuch sexuelle Beziehungen zwischen Jugendlichen strafbar machen. Es ist verantwortungslos, unsere redlichen Bemühungen, Kinder vor Prostitution zu schützen, durch gezielte Falschinformationen zu diskreditieren“, betonte Zypries.



Mit dem Gesetz soll ein sexueller Missbrauch von Jugendlichen und die Gefahr der Prostitution von Kindern und Jugendlichen vermieden werden. Nach diesem Sinn und Zweck müssen die Strafverfolgungsbehörden die gesetzlichen Regelungen auslegen und anwenden. So versteht es sich von selbst, dass einvernehmliche sexuelle Kontakte zwischen Jugendlichen nach einer Kinoeinladung nicht vom Gesetz erfasst werden.

Voraussetzung für eine Strafbarkeit ist vielmehr, dass die sexuellen Handlungen tatsächlich als Gegenleistung für das Entgelt erfolgen. Der Eingeladene muss also die sexuellen Kontakte nur deshalb zulassen, weil er dafür Geld oder einen sonstigen Vorteil bekommt.




Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des
Bundesministeriums der Justiz
Verantwortlich: Eva Schmierer; Redaktion: Dr. Henning Plöger, Dr. Isabel Jahn, Johannes Ferguson, Ulrich Staudigl
Mohrenstr. 37, 10117 Berlin
Telefon 01888 580-9030
Telefax 01888 580-9046
presse@bmj.bund.de




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Gesetzentwurf erweitert Schutz Minderjähriger / Umsetzung von EU-Vorgaben

Kinderpornografie im Visier


Berlin. Der Bundestag will noch vor Weihnachten mit einem deutlich schärferen Gesetz gegen Kinderpornografie vorgehen.

Der Rahmenbeschluss habe das Ziel, Kinder und Jugendliche vor dem Abgleiten in die Prostitution zu schützen, teilte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) gestern in Berlin mit. Mit dem bereits im August 2006 vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf wird eine Vorgabe der Europäischen Union (EU) in nationales Recht umgesetzt. Am Donnerstag steht die Verabschiedung auf der Tagesordnung des Bundestages.

Künftig soll nicht nur die direkte Darstellung von Kindesmissbrauch unter Strafe stehen, sondern auch das Posing, das aufreizende Zur-Schau-Stellen von Genitalien oder des Schambereichs der Kinder. Auch soll die Prostitution von 16- oder 17-Jährigen für den „Kunden“ strafbar werden. Dazu wird die Schutzaltersgrenze für sexuellen Missbrauch von 16 auf 18 Jahre erhöht.

„Sexueller Missbrauch von Jugendlichen“ setzt bisher voraus, dass der Täter mindestens 18 und das Opfer unter 16 Jahre alt ist, und damit ein Altersunterschied von mindestens zwei Jahren besteht. Doch nach den EU-Vorgaben macht sich nun auch strafbar, wer eine 16- oder 17-Jährige „missbraucht“: Das, sagen Kritiker der Zypries-Pläne aus der Opposition, wäre schon der Fall, wenn ein Oberstufen-Schüler eine Bekannte ins Kino einlädt, in der Hoffnung, sie zum Knutschen oder anderen sexuellen Handlungen zu bewegen. Die Einladung könnte dann als „Entgelt“, als Bezahlung gelten – auch wenn sie bereitwillig mitmacht. Nach dem Willen der EU würde schon der „Versuch“ künftig unter Strafe stehen.

Zypries wies die Kritik zurück. Sexuelle Kontakte zwischen Jugendlichen würden mit der Gesetzesverschärfung nicht kriminalisiert. „Kein Jugendlicher muss befürchten, bestraft zu werden, wenn er einen anderen ins Kino einlädt und hofft, dass es zum Austausch von Zärtlichkeiten oder sexuellen Berührungen kommt“, betonte Zypries. Schutzzweck des Gesetzes sei, ein Abgleiten von Kindern und Jugendlichen in die Prostitution zu verhindern.

(dpa/Eig. Ber./has)

http://www.lr-online.de/nachrichten/LR- ... 66,1869690



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Sexualstrafrecht

Ein Gesetz zum Fummeln


Die Regierung will ein schärferes Sexualstrafrecht für Jugendliche. Warum ist dieser Plan so umstritten?

Die Bundesregierung hat eine Abstimmung über die Verschärfung des Sexualstrafrechts, die für den morgigen Donnerstag vorgesehen war, überraschend abgesetzt. Eine Begründung wollte das Bundesjustizministerium dazu auch auf Nachfrage nicht abgeben. Offenbar soll das Gesetz nachgebessert werden, wie es aus Kreisen der Unionsfraktion im Bundestag heißt. Oppositionspolitiker vermuten, dass Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) den Gesetzentwurf nach massiver Kritik von Sexualwissenschaftlern und Juristen überarbeiten will. Anfang nächsten Jahres könnte dann im Bundestag doch noch über einen geänderten Entwurf abgestimmt werden.



Warum will die Bundesregierung das Sexualstrafrecht für Jugendliche verschärfen?

Mit dem Gesetzentwurf folgt die Bundesregierung einem Rahmenbeschluss der EU. Die Regelung soll Kinder und Jugendliche vor dem Abgleiten in die Prostitution schützen. Deshalb sollen in Deutschland die Strafrechtsparagrafen 182 (Sexueller Missbrauch von Jugendlichen) und 184 (Verbreitung pornografischer Schriften) verschärft werden. 16- und 17-Jährige würden dann rechtlich nicht mehr als Jugendliche behandelt. Stattdessen sollen alle Personen unter 18 Jahren juristisch als Kinder eingestuft werden. Sexuelle Handlungen mit Personen unter 18 Jahren würden künftig grundsätzlich bestraft, sofern dafür Geld oder sonstige Gegenleistungen geboten werden.



Wie genau soll das neue Gesetz aussehen?

Bisher wurden nur Personen über 18 Jahren bestraft, wenn sie mit einem Jugendlichen unter 16 Jahren Sex hatten und dafür Gegenleistungen angeboten haben. Künftig soll das Schutzalter für Opfer von 16 auf 18 Jahre angehoben werden. Gleichzeitig wird der Täterkreis auch auf Personen unter 18 Jahren ausgedehnt. „Als Opfer werden Jugendliche mit unmündigen Kindern gleichgesetzt, als Täter werden sie dagegen wie Erwachsene behandelt“, kritisieren in diesem Zusammenhang Juristen. Die Regelung sei zu ungenau, das Gesetz könne sich zum Beispiel gegen zwei Jugendliche richten, wenn der eine den anderen vor dem Liebesspiel zum Abendessen eingeladen hat. Eine „Kriminalisierung von sexuell aktiven Jugendlichen“ befürchtet der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele. Fortan könne immer dann gegen einen 16-Jährigen ermittelt werden, wenn dieser seine gleichaltrige Freundin mit der Hoffnung ins Kino einlädt, später mit ihr Sex zu haben. „Zweck des Gesetzes ist es, ein Abgleiten von Kindern und Jugendlichen in die Prostitution zu verhindern. Es ist absurd, wenn behauptet wird, dass ein Kinobesuch sexuelle Beziehungen zwischen Jugendlichen strafbar macht“, entgegnet Ministerin Zypries.

Oppositionspolitiker kritisieren außerdem, die Verschärfung des Pornografieparagrafen: Im Gesetzentwurf wird angekündigt, bei „aufreizendem Zur-Schau- Stellen der Genitalien oder der Schamgegend“ zu ermitteln. Dadurch sollen Fotos geahndet werden, die zwar keine sexuelle Handlung von Jugendlichen zeigen, die jedoch für die Betrachter zur Stimulation geeignet sind. In einer Stellungnahme für den Bundestagsrechtsausschuss bemängelt der österreichische Jurist Helmut Graupner, dass sich diese Definition von Kinderpornografie nicht am EU-Rahmenbeschluss orientiere, sondern am „Federal Criminal Code“ der USA. Dort werde dieser Paragraf massenhaft angewandt.



Welche Folgen hätte die Änderung?

Experten weisen darauf hin, dass sich ein 16-jähriger Junge künftig selbst dann strafbar machen könnte, wenn er erotische Bilder seiner 17-jährigen Freundin mit deren ausdrücklichem Einverständnis einem Dritten zeigt – auch wenn diese auf den Aufnahmen bekleidet ist. Je nachdem, ob es um Besitz oder um die Verbreitung solcher Bilder geht, drohen Geld- oder Haftstrafe. Ein 17-jähriges Mädchen, das Nacktfotos von sich selbst in ein Internetforum stellt, könnte künftig wegen „Verbreitung von Kinderpornografie“ verfolgt werden. Wenn die Gesetzesänderung wie bisher geplant durchkäme, könnten Zeitschriften wie „Bravo“ mit ihren Aufklärungsberichten und freizügigen Abbildungen der Zensur zum Opfer fallen. Die geplante Neubestimmung von sexuellem Missbrauch hebe die bei diesen Delikten bisher getroffene Unterscheidung zwischen Kindern und Jugendlichen auf, sagen Kritiker. Künftig müsse man damit rechnen, dass besorgte Eltern gerade nach dem Scheitern einer Beziehung ihres Kindes vorschnell Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs stellen.

Bisher habe sich der Staat aus der sexuellen Entwicklung junger Menschen weitestgehend herausgehalten, sagt der FDP- Rechtsexperte Jörg van Essen. Der ehemalige Oberstaatsanwalt bezeichnet die Gesetzesnovelle deshalb als „dramatischen Rückschritt“.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 12.12.2007)

http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Frag ... 93,2437578




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Umstrittenes Sexualstrafrecht

Erste Liebe weiter straflos


Von Reinhard Müller

12. Dezember 2007 Sind bald alle Marco W.? Am Freitag gibt es in der Türkei eine neue Anhörung zu dem scheinbar endlosen Fall eines Vergewaltigungsvorwurfs. Auch in Deutschland wird es, so behauptet mancher, nach dem Willen der Bundesregierung bald leichter sein, den Staatsanwalt nicht nur in Hotel- sondern auch in Kinderzimmer zu schicken. Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren machen sich nach den Plänen der Regierung künftig strafbar, wenn sie sexuelle Handlungen an Minderjährigen unter 16 Jahren „unter Ausnutzung einer Zwangslage oder gegen Entgelt vornehmen“.

Bisher mussten nur Achtzehnjährige mit einer Bestrafung rechnen. Zudem wird die Strafbarkeit der Verbreitung, des Erwerbs und Besitzes von (kinder-)pornografischen Schriften ausgedehnt: Solche Schriften sollen auch strafbar sein, wenn sie sexuelle Handlungen von Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren zeigen.

Im Kino darf weiter geschmust werden

Auf den ersten Blick hört sich das vernünftig an. Wer wollte nicht den sexuellen Missbrauch von Kindern möglichst umfassend und streng bestrafen? Aber die Idee birgt Gefahren. Schon in der Gesetzesbegründung weist die Regierung darauf hin, es könne „mehr Aufwand bei den Strafverfolgungsbehörden entstehen, dessen Umfang zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht hinreichend genau abzuschätzen ist“. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) beeilt sich zu versichern: „Der Gesetzentwurf stellt nicht unter Strafe, wenn zwei Jugendliche eine sexuelle Beziehung miteinander haben.“

Und: „Kein Jugendlicher muss befürchten bestraft zu werden, wenn er einen anderen ins Kino einlädt und hofft, dass es zum Austausch von Zärtlichkeiten oder sexuellen Berührungen kommt.“ Die Justizministerin hebt das Ziel des Entwurfs hervor, nämlich Kinder und Jugendliche vor dem Abgleiten in die Prostitution zu bewahren. „Es ist absurd, wenn behauptet wird, dass ein geschenktes Kaugummi oder ein Kinobesuch sexuelle Beziehungen zwischen Jugendlichen strafbar machen“, sagt Frau Zypries.

Wird Sexualität nun kriminalisiert?

Tatsächlich ist „sozialadäquates Verhalten“ nicht strafbar. Es fällt gleichsam von vornherein aus dem Schutzzweck der Norm. Zweifellos wird es künftig potentiell mehr Fälle gebe, die zur Strafverfolgung taugen. Doch darf nicht übersehen werden, dass sich in der Substanz nicht viel ändert. Schon bisher war es strafbar, jemanden zur Vornahme von sexuellen Handlungen zu nötigen. Wenn Jugendliche einander einladen, kann das jedenfalls nach dem Zweck des Gesetzes nicht strafbar sein, selbst wenn damit die Hoffnung auf sexuelle Handlungen verbunden ist.

Die Regelung setzt auf ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung von Prostitution - sexuelle Handlungen als Gegenleistung für Geld oder einen sonstigen Vorteil - im weiteren Sinn. Das ist nicht ohne Risiko. Fachleute warnten schon Ende Juni vor einer gefährlichen Kriminalisierung der Sexualität Jugendlicher und einer pauschalen Ausdehung der Strafbarkeit.

Europa gibt die Linie vor

Aber ist überhaupt eine Neuregelung notwendig? Die Regierung weist auf Europa. Und wie fast immer, wenn das der Fall ist, zeigt sie damit auch auf sich selbst. Tatsächlich gibt es einen Rahmenbeschluss des Rates der EU zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie. Hingewiesen wird auf die im EU-Vertrag vorgesehen „schrittweise Annahme von Maßnahmen zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen in den Bereichen organisierte Kriminalität, Terrorismus und illegaler Drogenhandel“.

Mit dem Gesetzentwurf folgt die Bundesregierung, wie sie mitteilt, „ ihrer europarechtlichen Pflicht, die Vorgaben eines Rahmenbeschlusses der Europäischen Union in nationales Recht umzusetzen.“ Und im Rahmenbeschuss der EU steht die Standardformel, der Beschluss beschränke sich „im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ auf das erforderliche Minimum. Organisierte Kriminalität gibt es auch bei sexueller Ausbeutung und Kinderpornografie. Aber wie kann damit diese Ausdehnung der Strafbarkeit gerechtfertigt werden?

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: CINETEXT

Link: faz.net




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Bundestag

Koalition verschiebt neues Sexualstrafrecht


Der Bundestag wird das heftig kritisierte verschärfte Sexualstrafrecht an diesem Donnerstag doch noch nicht verabschieden. Grund sei aber nur eine Detailfrage, heißt es aus der Koalition.

"Die Oppositionskritik geht völlig ins Leere“, sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Joachim Stünker, am Dienstag. Die Entscheidung über das Gesetz sei jedoch in das neue Jahr verschoben worden. Stünker begründete dies mit der Klärung einer Detailfrage und wies Vorwürfe, das Gesetz solle Jugendsex unter Strafe stellen, als abenteuerlich und unzutreffend zurück. Die Struktur des Gesetzes werde nicht geändert.

Die FDP begrüßte die Absetzung. „Die berechtigten Warnungen von Opposition und Sachverständigen haben offensichtlich Wirkung gezeigt“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP- Fraktion, Jörg van Essen. Es gebe keinerlei Anlass über die Vorgaben des EU-Rahmenbeschlusses hinaus auch 14- bis 17-Jährige zu Tätern zu machen. Auch im Bereich der Pornografie sollte der vernünftige Unterschied zwischen kinder- und jugendpornografischen Schutzvorschriften weiter bestehen bleiben.

Entwurf schon im August 2006 verabschiedet

Laut Stünker bezieht sich der Beratungsbedarf lediglich auf eine zusätzliche Änderung des Strafgesetzbuchs. Bei der neu in den Entwurf aufgenommenen Regelung gehe es um Sexbilder, die Jugendliche im Einvernehmen von sich machten. Zu klären sei die Frage, ob ein Dritter, an den diese Bilder weitergegeben würden, sich allein schon durch den Besitz strafbar mache.

Mit dem Gesetz setzt die Koalition einen Rahmenbeschluss der Europäischen Union (EU) um. Die Frist für die Umsetzung ist bereits verstrichen. Der Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) wurde bereits am 29. August 2006 vom Bundeskabinett verabschiedet. Mit dem Gesetz sollen Kinder und Jugendliche vor dem Abgleiten in die Prostitution geschützt werden. Künftig soll nicht nur die direkte Darstellung von Kindesmissbrauch unter Strafe stehen, sondern auch das sogenannte Posing, das aufreizende Zur-Schau-Stellen des Schambereichs der Kinder. Auch soll die Prostitution von 16- oder 17-Jährigen für den Freier strafbar werden. Dazu wird die sogenannte Schutzaltersgrenze für sexuellen Missbrauch von 16 auf 18 Jahre erhöht.
nb/dpa

http://www.focus.de/politik/deutschland ... 29053.html




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Deutsches Sexualstrafrecht soll strenger werden

Strafalter soll von 18 auf 14 Jahre gesenkt werden - Maßnahmen sollen Abgleiten in Prostitution verhindern



Nach dem derzeit geltenden Paragraf 182 des Strafgesetzbuches werden bisher Erwachsene bestraft, die Jugendliche unter 16 Jahren missbrauchen. Nun wird das Strafalter von 18 auf 14 Jahre herabgesetzt, wodurch auch mehr jugendliche Täter erfasst werden können. Zudem sollen alle sexuellen Leistungen mit Jugendlichen, die gegen Entgelt stattfinden, bestraft werden.



Kritik

Der Gesetzesentwurf, der auf einen Rahmenbeschluss der Europäischen Union zurückgeht, hätte am Dienstag beschlossen werden sollen, wurde jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben: Kritiker wehren sich gegen das Gesetz, das aus ihrer Sicht auch "normales Sexualverhaltens" unter Strafe stelle. So wähnen die Kritiker, dass selbst ein Jugendlicher, der seiner Freundin die Kinokarte bezahle, für den anschließenden Sex bestraft werden könnte, da bereits hier von "Entgelt" gesprochen werden könne.

Das deutsche Bundesjustizministerium hält derartige Befürchtungen für völlig überzogen. Bei der Auslegung eines Gesetzes müssten Staatsanwälte und Richter "immer den Sinn und Zweck der Vorschrift beachten", betonte ein Sprecher von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). Das Beispiel mit der Kino-Karte als Honorar für sexuelle Handlungen sei deshalb auch realitätsfern, denn in der Praxis würde da kein Staatsanwalt "den Finger rühren".



Verbot aufreizender Bilder

Die Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses will zudem Pornografie verbieten, wenn darin sexuelle Handlungen Jugendlicher unter 18 Jahren thematisiert werden. Stellt etwa eine 17-Jährige ein aufreizendes Bild von sich ins Internet, macht sich dann auch jeder 14-Jährige wegen Besitzes von Jugendpornografie strafbar, der das Bild auf seinen Rechner lädt oder an andere weitermailt. Problematisch wären dann etwa auch freizügige Berichte und Bilder von Jugendlichen über ihre sexuellen Erfahrungen in Jugendmagazinen oder Chat-Foren im Internet. (APA/AFP)

http://derstandard.at/?id=3146397
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Wie/Vor Prostitution schützen? Sexualstrafrecht verschärfen?

#45

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Pressemitteilung Jerzy Montag (MdB)

Jugendliche Sexualkontakte nicht kriminalisieren!

Berlin / München, den 11.12.07

Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung der sexuellen
Ausbeutung von Kindern und zur Stellungnahme des
Bundesjustizministeriums vom 10.12.2007 erklärt Jerzy Montag,
rechtspolitischer Sprecher von Bündnis 90 / Die Grünen und
Wahlkreisabgeordneter München-Süd:

"Die Koalition hat ein missratenes und die Sexualität junger Menschen
bevormundendes Gesetz gemacht. Daran ändert auch die beschönigende und
vernebelnde Presseerklärung des Bundesjustizministeriums vom 10.12.2007
nichts.

Niemand bestreitet, dass Kinder vor dem Abgleiten in die Prostitution
geschützt werden müssen. Doch damit haben die neuen Strafvorschriften so
gut wie nichts zu tun.
Bisher machten sich erwachsene Menschen strafbar, die Jugendliche unter
16 Jahren mit Vorteilen und Geschenken zu sexuellen Handlungen verführten.
Nach dem nun vorliegenden Gesetzentwurf der Koalition werden sich auch
gerade 14 Jahre gewordene Jugendliche strafbar machen, wenn sie
Streicheln, Küssen, Petting oder andere sexuelle Handlungen mit bis zu
18-Jährigen mit einem Kinobesuch oder einem Essen ,honorieren'. Und
sogar der misslungene Versuch, einen sexuellen Kontakt mit einem anderen
Jugendlichen durch irgendwelche materiellen Vorteile zu erreichen, soll
unter Strafe gestellt werden.

Darüber hinaus will die Koalition auch das Herstellen oder Besitzen von
Fotos, Filmen und sogar Texten (!) unter Strafe stellen, wenn diese
Streicheln, Küssen, Petting oder andere sexuelle Handlungen bei unter
18-Jährigen zum Inhalt haben. Auch hier kann jeder Jugendliche ab 14
Jahren zum Straftäter werden. Bisher war lediglich -- und zu Recht --
die Darstellung des sexuellen Missbrauchs von Kindern bis zu 14 Jahren
verboten.

Auf diese unglaublichen Ausweitungen des Sexualstrafrechts nicht
hinzuweisen, sondern sie schlicht zu beschönigen und zu vernebeln, ist
fahrlässig und unverantwortlich. ,Frau Bundesjustizministerin Zypries,
von Ihnen hätte ich mehr Klarheit und Wahrheit bei diesem sehr sensiblen
Thema erwartet!'

Nicht die Kritiker des neuen Sexualstrafrechts sind verantwortungslos.
Mit einem Finger auf die Opposition zu zeigen, heißt immer auch, mit
drei anderen Fingern auf sich selbst zurückzuzeigen."


********************************
Münchner Bundestagsbüro
Jerzy Montag, MdB
Bündnis 90/Die Grünen
Sendlinger Str. 47/II
80331 München
fon: (089) 23 68 44 50
fax: (089) 23 68 44 52
mail: jerzy.montag@wk.bundestag.de
web: www.jerzy-montag.de

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Gesetzesnovelle aufgeschoben

#46

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Verschärfung des Sexualstrafrechts verschoben ist nicht aufgehoben


http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26870/1.html

http://www.carechild.de/news/politik/pa ... 412_1.html





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Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 19.12.2007, 18:56, insgesamt 2-mal geändert.

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Dein AbgeordneteR in den neuen Medien

#47

Beitrag von Marc of Frankfurt »

"In den Dialog mit Politikern treten" leicht gemacht
AbgeordnetenWatch

Am Bsp. Sexualstrafrecht und Prostitution



www.abgeordnetenwatch.de/christine_lamb ... frage85058

www.abgeordnetenWatch.de





Nachträge:

Politikern wird der öffentliche Dialog zu aufwendig und sie ziehen sich mit kreativen Ausreden zurück:
http://das-kleine-nachtbuechlein.blog.d ... t-8243402/

Positionen politischer Parteien zur Wahl in D:
viewtopic.php?t=4604

Sexworker-Reaktion auf Anträge der Parteijugend die Grünen:
viewtopic.php?t=5346

Sexworker-Protest auf Papier von EU Politikern:
viewtopic.php?t=1508
http://www.sexworker.at/protest





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Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 28.03.2010, 15:46, insgesamt 2-mal geändert.

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Focus-Leitartikel

#48

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Beruf Prostituierte

Das verleugnete Lustobjekt


Noch bis vor sechs Jahren galt Prostitution in Deutschland als „sittenwidrig“. Anfang 2002 hat der Gesetzgeber die rechtliche Situation von Prostituieren, die freiwillig in diesem Beruf arbeiten, gestärkt. Doch an der gesellschaftlichen Doppelmoral hat sich seither wenig geändert.

Von FOCUS-Online-Autorin Sabine Schrader





In Deutschland arbeiten schätzungweise 400 000 Prostituierte

Ihre Stimme klingt rau und ein wenig melancholisch. „Ich bin eher ein menschlicher Typ“, sagt Natalie über sich, die privat und beruflich ganz anders heißt. Mit 21 begann sie, als Prostituierte zu arbeiten. „Ich habe gern mit Menschen zu tun. Müsste ich am Schreibtisch sitzen oder am Band stehen, würde ich verrückt werden.“

Damals hatte sie gerade ihre Ausbildung abgebrochen, war alleinerziehend, verschuldet und ohne familiären Rückhalt. Manchmal stimmen Klischee und Wirklichkeit hart überein. Die Arbeit im Milieu ermöglichte ihr, mit ihrem Kind halbwegs gut und schuldenfrei leben zu können. Zwischendrin war sie immer wieder in einem „soliden“ Gewerbe tätig: als Empfangsdame, bei einer Security-Firma, bei einem Taxiservice.



Psychologische Schwerstarbeit

Heute ist Natalie 36 Jahre und hat manche Höhen und Tiefen im Milieu miterlebt. Früher ging es tatsächlich um Erotik. Heute sei die Arbeit oft mit „psychologischem Kopfstress“ verbunden, wie sie sagt. Nicht wenige Freier seien voll mit Problemen oder mit ihrer Existenz am Ende. Der Job wird zur empathischen Schwerstarbeit.

„Wenn eine Prostituierte eine Stunde lang voll und ganz auf einen Freier und seine oftmals ausgefallenen Wünsche eingegangen ist, hat sie mehr gearbeitet als manch ein anderer nach einem normalen Acht-Stunden-Tag“, findet Natalie. Einige der Männer, die sie im Bordell trifft, bräuchten den Kick, eine andere Frau zu haben, andere seien schlicht und ergreifend allein. Und dann gäbe es noch die „notorischen Puffgänger“. „Eine Prostituierte muss sich in ein Rollenspiel begeben und wie eine Schauspielerin sein“, beschreibt sie die Anforderungen an den Beruf, „mal lieb und zärtlich, mal dominant.“



Gewerbe mit hoher Fluktuation

Im ältesten Gewerbe der Welt sind alle gesellschaftlichen Gruppen vertreten
Die Berliner Hurenorganisation Hydra schätzte die Zahl der Frauen, die bundesweit der Prostitution nachgehen, in den 1980er-Jahren auf 400 000. Seitdem wird diese Zahl immer wieder zitiert. Doch exakte Aussagen bleiben schwierig.

„Prostitution ist ein fluktuatives Gewerbe“, erklärt Hydra-Mitarbeiterin Katharina Cetin. „Zudem gibt es Frauen, die nur einmal im Monat arbeiten, andere arbeiten nur alle drei Monate.“ Wiederum andere böten ihre Dienstleistungen sieben Tage die Woche an. Fest steht, dass mehr als die Hälfte der Sexarbeiterinnen hierzulande inzwischen aus dem Ausland stammen.



Von Studentin bis Hartz-IV-Empfängerin

Im ältesten Gewerbe der Welt sind alle gesellschaftlichen Gruppen vertreten. „Angefangen bei der Studentin über die Lehrerin, die nach einer sexuellen Sensation sucht, bis hin zur Hartz-IV-Empfängerin, die etwas dazuverdienen möchte, damit die Kinder mit auf Klassenreise gehen können“, so die Hydra-Mitarbeiterin.

Die Vorstellung, in der Prostitution das große Geld zu machen, erweist sich jedoch meist als Illusion. „Die Edelhure, die in einer Nacht 1000 Euro verdient, ist eine absolute Randerscheinung. Das Gros der Frauen kommt gerade über die Runden – ohne Mercedes-S-Klasse oder Eigentumswohnung“, führt Cetin aus. „Die Geschäftslage ist zurückgegangen“, weiß auch Natalie. Es könne durchaus vorkommen, dass die Mädchen zwei Tage ohne eine einzige Einnahme im Bordell auf Freier warteten.



Mehr Rechte für Sexarbeiterinnen

Seit der Gesetzgeber die Rechte der Prostituierten gestärkt hat, können sie sich kranken- und rentenversichern, Arbeitsverträge abschließen und ihren Lohn notfalls einklagen. „Die Zahl der Frauen, die beim Finanzamt eine Steuernummer beantragt, sich um die Altersvorsorge kümmert und eine Krankenversicherung abschließt, nimmt seitdem zu“, beobachtet Katharina Cetin. Doch rosig ist die Situation noch immer nicht. „Bei den Krankenkassen müssen die Frauen hohe Beiträge zahlen, weil sie als Risikogruppe eingestuft werden.“ Oftmals müssten sie dafür mehr als die Hälfte ihres Verdienstes aufbringen.

„Das Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung – auch wenn die Situation von Stadt zu Stadt verschieden ist“, sagt Emilija Mitrovic von Ver.di. Da sich Sexarbeiterinnen seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes auch gewerkschaftlich organisieren können, befasst sich nun auch die Dienstleistungsgewerkschaft intensiver mit ihrer Situation.



Angebote zum Aus- und Umstieg fehlen

Prostituierte brauchen ein hohes Maß an Bewusstsein über die eigenen Grenzen
Erst im Frühjahr diesen Jahres hat das Bundesfamilienministerium einen Bericht zu den Auswirkungen des neuen Prostitutionsgesetzes vorgestellt. Nur ein Prozent aller Sexarbeiterinnen verfügt demnach über einen Arbeitsvertrag.

Krankenversichert sind immerhin 87 Prozent, ein Drittel davon jedoch als Familienangehörige und nicht unter ihrer Berufsbezeichnung. Nach Ansicht von Familienministerin Ursula von der Leyen soll ohnehin der Ausstieg wichtigstes Ziel sein. Dabei fehlt es bundesweit an Möglichkeiten. „Es gibt nicht ein einziges Projekt, das den Frauen unter akzeptablen Bedingungen durch berufliche Weiterbildung einen Aus- und Umstieg ermöglicht“, kritisiert Emilija Mitrovic. „Viele Frauen sagen, dass sie in zwei oder drei Jahren aussteigen wollen“, so die Gewerkschafterin. Doch das läge nicht an der Arbeit an sich. Der Grund sei, dass es sich nach wie vor um einen gesellschaftlich nicht geachteten Bereich handelt.



Die Grenzen kennen

„Die Tätigkeit erfordert ein hohes Maß an Bewusstsein über die eigenen Grenzen und viel Selbstwert“, sagt Katharina Cetin. Wenn die Frauen ihre Arbeit nicht wertschätzen und gesellschaftliche Wertungen übernehmen, könne dies zu psychischen Problemen führen.

Branchenkennerin Natalie arbeitet mittlerweile als Türdame in verschiedenen Bordellen. Spätestens mit 40 möchte sie endgültig aus dem Milieu aussteigen. Ihr Traum ist es, im Ausland etwas ganz anderes zu machen. Die Chance, in Deutschland jemals eine andere Beschäftigung zu finden, schätzt sie hingegen pessimistisch ein. „Es sind einfach zu viele Jahre, für die ich nichts vorzuweisen habe“, sagt sie.

http://www.focus.de/jobs/branchen/beruf ... 30135.html





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Schutzgut wird Freibrief?

#49

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Was wird benötigt:
Jugendschutz oder SexarbeiterInnenschutz


Ein Fall aus der Provinz
Express: Aachen- Randale im Bordell


Junge (15!) mit Huren-Dienst unzufrieden
Angeblich sah der Junge viel älter aus!

Weil er mit dem Liebesdienst einer Prostituierten nicht einverstanden war, hat am Dienstagnachmittag ein 15-Jähriger in einem Bordell auf Aachens Puff-Meile "im Sträßchen" heftig randaliert.

Zuvor hatte das frühreife Früchtchen noch bezahlt, dann beklagte er sich über die Leistungen. Der 15-Jährige wurde immer aggressiver - da alarmierte die Dame die Polizei.

Selbst die Beamten hatte Probleme, den Knirps zu stoppen. Erst auf der Wache stellten die Ermittler fest: Der Junge ist erst 15!

Der Jüngling wohnt in einem Kinderheim und wurde am Abend seinem Betreuer übergeben. Der staunte nicht schlecht…

http://www.express.de/servlet/Satellite ... 5300927149





Umbedingt im Zeifelsfall vorher einen Ausweis zeigen lassen - auch wenn das sonst kein Prostitutionskunde gewohnt ist. So hat sich die angegriffene Sexarbeiterin sogar noch strafbar gemacht. Wußte der jugendliche 'Trieb-Täter' um diese Rechtslage und hat sein Schutzrecht bewust ausgenutzt gegen die Sexarbeiterin (vgl. Dealer und Diebe, die auch auf den Minderjährigenschutz setzen)? Wird so ein evt. überprüfungsbedürftiger Jugendschutz zum Freibrief für immer frühreifere Aggression?




__________________





16 jähriger Schüler raubte Sexarbeiterin aus:

viewtopic.php?p=34476#34476




_________________





Jugendlicher aus präkarisierenden Verhältnissen incl. Prostitution und Drogen. Der Karriere hat es nicht geschadet. Jugendselbstschutz durch Realitätserfahrung:

Luzerner Zeitung: Leonardo DiCaprio erzählt aus der Jugendzeit


Leonardo DiCaprio (33) verlebte seine Kindheit in Los Angeles nicht gerade auf Rosen gebettet. Nach der Scheidung seiner Eltern lebte er mit seiner Mutter für einige Zeit in einer Gegend, in der Drogen- und Prostitution an der Tagesordnung waren.

"Es war ziemlich beängstigend. Ich wurde oft verprügelt. Ich habe sogar Leute gesehen, die auf der Strasse Sex hatten. Ich erinnere mich, dass ich mit fünf Jahren von einem Typen im Trenchcoat, der Nadeln und Crack dabei hatte, bedroht wurde", sagte DiCaprio laut Onlineausgabe des "Mirror".

Das Elend in dem Viertel habe ihn dazu gebracht, von Drogen die Finger zu lassen und mit den Füssen auf dem Teppich zu bleiben, so der "Titanic"-Star. "Ich lebe kein extravagantes Leben. Ich fliege keine Privatflugzeuge, ich habe keine Bodyguards und kaufe auch keine verrückten Dinge."

sda
Link: zisch.ch





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Telefonsex nicht sittenwidrig

#50

Beitrag von Zwerg »

Telefonsex nicht sittenwidrig

Offene Rechnungen beim Telefonsex dürfen nicht einfach unter Berufung auf die Sittenwidrigkeit einer solchen Dienstleistung unbezahlt bleiben. Wenn für die Ausübung der “klassischen” Prostitution zu Recht Geld verlangt werden kann, müsse das auch für die technischen Dienstleistungen beim Telefonsex gelten, hat jetzt der Bundesgerichtshof (Az. III ZR 102/07) betont.

Wie die telefonische Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline (www.anwaltshotline.de) berichtet, ging es bei der gerichtlichen Auseinandersetzung nicht um einen Telefonkunden, der die Dienste einer Sex-Hotline in Anspruch nahm und hinterher nicht zahlen wollte. Vielmehr hatte die Sex-Anbieterin Zahlungsrückstände in Höhe von 15.164,99 Euro bei ihrem Provider. Die ergaben sich aus den für die Nutzung der technischen Ausrüstung vereinbarten Minuten-Anteilen sowie der Vergütung des Vermarkters für von ihm in Rechnung gestellte „Beratungsleistungen”. Wobei letztere allerdings nie erbracht worden sein sollen.

Der komplizierten gerichtlichen Auseinandersetzung hätten die Richter einfach aus dem Weg gehen können, wenn sie die Verträge der streitenden Parteien von Anfang an für nichtig erklärt hätten. Das wäre bei einem sittenwidrigen Charakter der sie zum Gegenstand habenden Dienstleistungen der Fall gewesen. Doch dieser Versuchung erlag weder das Berufungsgericht noch der zur Revision angerufene Bundesgerichtshof. Anzuwenden sei das im Jahre 2002 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten, welches ein Entgelt für die Erbringung von Telefonsexdienstleistungen sowie für deren Vermarktung und Vermittlung zulässt, urteilten sie.

“Zwar wird dort nur die Bezahlung für die Vornahme sexueller Handlungen geregelt, doch nach Auffassung der Richter handelt es sich beim Sex per Telefon mangels unmittelbaren körperlichen Kontakts der Beteiligten sogar um weniger anstößige Vorgänge als bei der Prostitution im klassischen Sinne”, erklärt Rechtsanwalt Peter Koblenz (telefonische Rechtsberatung unter 0900/1867800-0 für 1,99 Euro pro Minute). Kann für die Ausübung der „klassischen” Prostitution ein Entgelt gefordert werden, müsse dies für den Telefonsex und die in diesem Zusammenhang zu erbringenden Vermarktungs- und technischen Dienstleistungen erst recht gelten.


URL zum Artikel: http://www.marlaktuell.de/?p=20016

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Telefonsex-Anbieterin bekommt nach Jahren doch ihr Geld!

#51

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Urteil des Bundesgerichtshofs
vom 8. November 2007
Aktenzeichen Az. III ZR 102/07:

Link: juris.bundesgerichtshof.de
(PDF 12 Seiten)

oder hier:
http://www.iww.de/index.cfm?pid=1307&opv=073833

Leitsatz:
  • "Entgeltforderungen für die Erbringung, Vermittlung und Vermarktung von so-genannten Telefonsexdienstleistungen kann seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3983) nicht mehr mit Erfolg der Einwand der Sittenwidrigkeit entgegengehalten werden."



Der Sachverhalt ist komplex. Aber die obige Formulierung "Vielmehr hatte die Sex-Anbieterin Zahlungsrückstände in Höhe von 15.164,99 Euro bei ihrem Provider" scheint falsch zu sein. Ist wohl selbst eine verkappte Werbung für 0900...

Aus dem Urteil lese ich:
Klägerin:
Telefonsex-Anbieterin und Telefonsexkontakt-Vermittlerin/Vermarkterin (Chefin von anderen Telefonsexanbieterinnen)
Beklagte:
Telekomvermittlungsunternehmen (Telefontechnik-Provider, 0190-Anbieter)

Die Klägerin hat in der 3. Instanz [Revision vor dem Bundesgerichtshof] Recht bekommen.

Die Beklagte hat mit der von ihr angestrengten Revision [3. Instanz] (und ihrer Berufung [2. Instanz]) also nicht Recht bekommen.

Die Beklagte muß also doch die ca. 6 TDM nebst Zinsen (8 % über dem Basiszinssatz von 2003 = ?) an die Klägerin/Telefonsexanbieterin zahlen. Verfahrenskosten werden geteilt.





Hier scheint also das ProstG einmal zugunsten einer professionellen, verbal-oralen SexarbeitIn als Schutzgesetz angewendet worden zu sein.

Und die in Berufung und Revision gegangene, "scheinheilige" Telkomdienstleistungsfirma (Beklagte) konnte sich nicht mit Verweis auf eine vermeintliche Sittenwidrigkeit vor der Zahlung der vereinbarten Einnahmeanteile (1,17 bis 1,22 eur/min) drücken.

...

Richtig so?





Golem: "Geldforderungen für Telefonsex sind nicht sittenwidrig"

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Telefonsex ist nicht sittenwidrig. Das Entgelt für diese Dienstleistung muss deshalb gezahlt werden. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.


In dem aktuellen, etwas ungewöhnlichen Fall stritten eine Anbieterin von Telefonsex-Dienstleistungen und eine Telefongesellschaft um die Zahlung einer Vergütung. Die Telefongesellschaft hatte die Anbieterin bei der Vermarktung unterstützt und sollte dafür eine Vergütung von rund 1,20 Euro pro Telefonminute erhalten.

Die Anbieterin verweigerte jedoch die Zahlung mit der Begründung, die Telefonsex-Dienstleistung sei sittenwidrig. Dieser Auffassung haben sich die Richter des III. Zivilsenats nicht angeschlossen. Sie urteilten stattdessen, "Entgeltforderungen für die Erbringung, Vermittlung und Vermarktung von sogenannten Telefonsexdienstleistungen" könne, seit im Jahr 2002 das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten in Kraft getreten sei, "nicht mehr mit Erfolg der Einwand der Sittenwidrigkeit entgegengehalten werden" (Urteil vom 08.11.2007, AZ III ZR 102/07).

Das Gesetz regelt, dass "für die Vornahme sexueller Handlungen" ein Entgelt verlangt werden dürfe, so die Richter. "Kann für die Ausübung der 'klassischen' Prostitution eine wirksame Entgeltforderung begründet werden, muss dies für den sogenannten Telefonsex und die in diesem Zusammenhang zu erbringenden Vermarktungs- und technischen Dienstleistungen erst recht gelten. Beim sogenannten Telefonsex handelt es sich mangels unmittelbaren körperlichen Kontakts der Beteiligten um weniger anstößige Vorgänge als bei der Prostitution im engeren Sinn." (wp)

golem.de/0802/57562.html





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Urteil nicht im Sinne des ProstG

#52

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Prostitution in Wohnanlage muss nicht geduldet werden

Zweibrücken/dpa. Wohnungseigentümer müssen es nicht dulden, dass in einer Wohnung ihres Hauses käuflicher Sex angeboten wird. Das hat das Pfälzische Oberlandesgericht in dritter Instanz entschieden (Az: 3 W 257/07).


Die Wohnungseigentümer eines Komplexes mit mehr als 150 Appartements in Kaiserslautern hatten gegen einen Mann geklagt, der in seiner Wohnung Prostituierte arbeiten ließ. Diese hatten dort via Internet unter anderem «Hausfrauensex» angeboten. Das muss nach der Entscheidung des OLG nun ein Ende haben.

Das OLG kam wie bereits zuvor das Landgericht Kaiserslautern zu dem Schluss: Auch wenn die Prostitution diskret ausgeübt werde, spreche sie sich unter Mitbewohnern, Nachbarschaft, Maklern, Wohnungsinteressenten und Kapitalanlegern erfahrungsgemäß schnell herum. Sei die Wohnanlage dann erst einmal in Verruf geraten, wirke sich dies negativ auf die Vermietbarkeit und Verkäuflichkeit der anderen Wohnungen aus. Dies bräuchten die anderen Wohnungseigentümer nicht hinnehmen.

Quelle





Es ist ein Urteil im Namen des Schutz des Eigentums und seiner Verwertbarkeit aufkosten der Berufsausübungsfreiheit von sogar diskret arbeitenden und mehrheitlich weiblichen Sexdienstleisterinnen (SDL).

Hinter der faktischen rechtlichen Ausgrenzung der Sexarbeiter (Gesetze sowie Urteile) steht oft die Moral. Die Moral ist die Instanz, die Ehe und Familie schützt. Die Ehe ist eine soziale Institution, die dem Mann die Fortpflanzungskontrolle auf von ihm erzeugten Nachwuchs sichert aber nicht ohne Opfer von Frauen zu fordern (z.B. nichtentlohnt reproduktive Arbeit zu leisten). Der Nachwuchs ist vorrangig der Erbe. Die Ehe ist mithin ein Sicherungsinstrument für vererbares Eigentum. Das sichert Produktivität und Vermögensbildung in Familien, die als archaische Keimzellen des Staates bevorzugt werden. Mit Moral und Gesetz sichern sich also produktive Männer gegenüber sexdienstleistenden Frauen ihren Besitz. Das ist die sogenannte kapitalistisch-sexistisch-patriachale Matrix, die mit diesem Urteil bedient wird.





Bisher noch nicht in der Justizdatenbank des Landes Rheinland Pfalz = nicht veröffentlichungswürdig?

http://cms.justiz.rlp.de/justiz/nav/704 ... b81ce4.htm





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Wichtiges Zitat mit Literaturhinweis

#53

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Bewertung des ProstG

Rechtslage der SexarbeiterInnen in Deutschland




RA. Dipl.-Kriminologin Christine M. Graebsch, Bremen 2007:

"Mit dem ProstG wurde eine Rechtskonstruktion geschaffen, mit der die Möglichkeit von Prostutierten sich selbst vertraglich zu binden, ähnlich gestaltet wurde wie bei in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkten Minderjährigen. Beide Personenkreise sollen zu ihrem eigenen Schutz zunächst keine bindenden Willenserklärungen abgeben können. Zwar entscheiden dort die Eltern, hier die Prostituierten selbst später über die entgültige Wirksamkeit der Willenserklärung, beiden wird aber in miteinander vergleichbarer Weise die Fähigkeit zu autonomer Entscheidung zu dem Zeitpunkt derselben abgesprochen."

in: Künzel, Temme (Hg.): "Täterinnen und/oder Opfer? Frauen in Gewaltstruturen" 2007, Seite 143.





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Re: Wichtiges Zitat mit Literaturhinweis

#54

Beitrag von Micha Ebner »

Marc of Frankfurt hat geschrieben:ähnlich gestaltet wurde wie bei in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkten Minderjährigen.
Das hat die Frau RA doch nun von sehr weit her geholt. Angelehnt ist die Rechtskonstruktion eher an einen Maklervertrag: Der muss auch keine Geschäfte vermitteln, aber wenn er es tut, muss man ihn bezahlen.

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Urteil

#55

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Judikative in den Massenmedien

Wie Sexarbeit beständig raffiniert diskriminiert wird



Leider habe ich das Urteil nicht vorliegen, sondern nur eine äußerst knappe Zusammenfassung aus einer i.A. nicht zitierwürdigen aber meinungsBILDenden Zeitung:


Abgelehntes Gnadengesuch eines Täters gegen eine Sexarbeiterin:
  • Sahayon S. (27) bedrohte eine Hure vom Schöneberger Straßenstrich, ließ sie nicht gehen, nahm ihr das Geld ab.

    Urteil: dreieinhalb Jahre Haft.

    Er will Gnade, um sich um seine kranke Frau zu kümmern.

    Einstimmig abgelehnt!
    Die Krankheit der Frau habe ihn ja auch nicht gehindert, zu einer Hure zu gehen...
Quelle:
bild.de/BILD/berlin/aktuell/2008/01/31/moerder/keine-gnade-fuer-s-ex-taeter,geo=3638634.html





Hier wird aus der Ablehnungsbegründung deutlich, WAS bestraft wird:
  • Bestraft wird hier das Fremdgehen zu einer Sexarbeiterin,
    und quasi strafverschärfend die Tatsache, dass seine eigene Frau krank ist.
  • Bestraft werden sollte aber doch wohl die sehr verwerfliche ursprüngliche Tat,
    nämlich der Raub (Bedrohung, Gewaltanwendung und Diebstahl) an einer Sexarbeiterin,
    die in einem der ausbeuterischsten Mileus, nämlich der Straße arbeitete.
Auch hier wird einmal mehr deutlich, wie Prostitution und Ehe in Beziehung stehen
und wie mit dem Hurenstigma das favorisierte Gesellschaftsmodell der Ehe stabilisiert werden soll.





Sollte man diesen Schluß nicht aus dem Urteil über das Gnadengesuch selbst herauslesen können, so ist es zumindest die Botschaft der meinungsBILDenden Zeitung. ;-(





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Gesundheit und Recht für SW

#56

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Gesetze die SexarbeiterInnen betreffen:

hier das Infektionsschutzgesetz (IfSG)


Gültig seit 2001.
Hat das Bundesseuchengesetz und das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten ersetzt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Infektionsschutzgesetz

Mit Einführung des IfSG wurde auch der Bock-Schein, die monatliche Zwangsuntersuchung auf Geschlechtskrankheiten abgeschafft. Prävention setzt auf Selbstverantwortung statt Zwang einseitig nur gegen Prostituierte (ohne die Freier zu untersuchen).

Um 1858 galten noch solche Regelungen wie uns ein Pappenheimer aufgeschrieben hat :-(
Handbuch der Sanitätspolizei, Berlin:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=30782#30782

Inhaltsverzeichnis des geltenden IfSG:
http://bundesrecht.juris.de/ifsg/index. ... E002601310

Das gesamte Gesetz als PDF:
http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/ifsg/gesamt.pdf
(47 Seiten)





Hier ein Beispiel für die Meldepflicht gemäß InfektionsSchutz-Gesetz (IfSG)

siehe dazu diese Glosse, die auf einem realen Fall vom Wettbewerb unter SexarbeiterInnen beruht.

Sexarbeiter-Zwangsuntersuchung:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=10962#10962
Verurteilung in Australien:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=32674#32674

Sentinel-Untersuchungen (wörtl.: Wächter (über Volksgesundh.)) (§ 13 IfSG)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=45455#45455

Liste der meldepflichtigen Krankheiten im § 6 IfSG:
http://bundesrecht.juris.de/ifsg/__6.html
(Siehe auch andere §§ indem du in der Adresse die Ziffer 6 gegen 8 und 9 austauschst.)

Unter den STDs sind anscheinend nur die Hepatitiden meldepflichtig.
http://de.wikipedia.org/wiki/Hepatitis

Die Meldung hat aber laut Gesetz namentlich zu erfolgen.

Doch die STD-Beratung und STI-Testung erfolgt anonym.
Wie geht es weiter bei positivem Befund?
Ein mir bisher nicht auflösbarer Widerspruch.

Hier das Behördenformular des städtischen Gesundheitsamtes gemäß §§ 6,8 u 9 IfSG:
www.frankfurt.de/sixcms/media.php/738/M ... 20Arzt.pdf
(1 Seite)

Die Rechtsfolgen und damit einhergehenden möglichen Grundrechtseinschränkungen beschreibt das IfSG in den §§ 25-31:
Ermittlungen, Durchführung, Schutzmaßnahmen, Quarantäne, Berufliches Tätigkeitsverbot
http://bundesrecht.juris.de/ifsg/__25.html
(Siehe auch anderen §§ indem du in der Adresse die Ziffern 25 weiterzählst bis 31.)

TBC-Kriminalfall:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=39193#39193


Aus gut unterrichteten Kreisen konnte ich lernen:

"Eine namentliche Meldepflicht gilt nur für eine akute Hepatitis B oder C. Bei uns wurde noch nie eine akute Infektion diagnostiziert, sondern chronische Infektionen. Natürlich können Infizierte Menschen ansteckend sein. Sie werden darüber umfangreich 'belehrt', heisst gut informiert, und unterschreiben (mit Künstlernamen) eine Bestätigung darüber, dass sie wissen, worauf sie achten müssen, um niemand anzustecken.

Selbstverständlich werden sie weiterhin auch darüber beraten, wie es weitergeht: zum Schwerpunktarzt, zur Hepatitishilfe bzw. AIDS-Hilfe etc."





Um eine Diskriminierung der Berufsgruppe der Sexarbeiter durch Sonderbestimmungen des IfSG zu verhindern, sind Schutzbestimmungen in ein zukünftiges Prostitutionsgesetz einzufügen.

Ferner wäre die Anerkennung spezifischer Berufskrankheiten im Rahmen von Versicherungs- oder Versorgungsansprüchen zu erstreiten, wenn Sexarbeit zur Berufsanerkennung gelangen soll.





Weil das IfSG dem Freistaat Bayern zu liberal war, wurde die landeseigene Hygieneverordnung verschärft und der Kondomzwang nur für Prostituierte (später für Prostitution) eingeführt:

Bayerische Kondomverordnung
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=22584#22584

In Bayern gibt es darüberhinaus ein Verbot für das bewerben von "tabulos" (ohne Kondom) angelehnt an § 73 IfSG [la muchacha Nr. 8 2011 Seite 26].





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Kommentar zu den Auswirkungen des ProstG

#57

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Nach dem Prostitutionsgesetz

Was wurde aus Arbeitsverträgen und sozialer Absicherung?
Teil 1


Arbeitsverträge im Prostitutionsgewerbe? - War da nicht was? Richtig! Das 2002 in Kraft getretene Prostitutionsgesetz sollte die Möglichkeit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse und damit den Frauen in der Prostitution den Zugang zur Sozialversicherung - sprich: Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung - gewährleisten.


Vor Einführung des Prostitutionsgesetzes hätte sich jeder Betreiber von Prostitutions-Etablissements, der sich zum "Arbeitgeber" erklärt hätte, wegen "Förderung der Prostitution" strafbar gemacht. Man hatte deshalb tunlichst die Finger davon gelassen.


Um diesen Zustand zu ändern, hat der Gesetzgeber mit dem Prostitutionsgesetz zwei Paragrafen im Strafrecht verändert: Der § 180a wurde dahingehend geändert, dass nicht mehr die Förderung, sondern fortan die auf Unfreiwilligkeit gegründete "Ausbeutung" von Prostituierten strafbar war. Leicht verändert wurde ferner der Absatz 2 des § 181 a (Zuhälterei). Damit glaubte der Gesetzgeber, seine Schuldigkeit getan zu haben. Massive Kritik daran, dass das völlig unzureichend sei, wurde damals von Rot-Grün in den Wind geschlagen. Nicht erst seit heute wissen wir: Das Prostitutionsgesetz ist ein Flop. Die erwarteten Verbesserungen konnten gar nicht eintreten. Es handelte sich um eine Mogelpackung.


Denn noch immer hängt das Strafrecht wie ein Damoklesschwert über den Betreibern von Prostitutions-Einrichtungen, da es nicht - wie für eine wirkliche Legalisierung von Prostitution notwendig - vollständig entrümpelt wurde.


Schauen wir noch einmal genau hin: Der §180a StGB richtet sich in seiner neuen Fassung nunmehr gegen die "Ausbeutung der Prostitution"! Sehr sonderbar. Warum gibt es eigentlich keine Strafrechtsparagrafen gegen Ausbeutung in Fabriken oder im Bankgewerbe? Keine andere Berufsgruppe - nur eben Prostituierte - bleiben gesetzlich vor Ausbeutung geschützt. Die gezielte Verbindung von "Prostitution" und "Ausbeutung" im Strafrecht ist an sich schon eine Diskriminierung, die auch nicht dadurch aus der Welt geschafft ist, dass es hier um eine ohnehin schwer fassbare "sexuelle" statt einer "wirtschaftlichen" Ausbeutung handelt.


"Ausbeutung" soll nach dem Wortlaut des geänderten Strafrechtsparagrafen übrigens dann vorliegen, wenn in einem Betrieb "Personen der Prostitution nachgehen und ... diese in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten werden". Das ist irrwitzig. Denn gerade die "persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit" zeichnet ja das abhängige Beschäftigungsverhältnis aus, das der Gesetzgeber angeblich mit seinem Gesetz ermöglichen wollte.


Laut Begründung des Prostitutionsgesetzes bleiben "Ausbeutung oder unzumutbare Beeinflussung bei der Ausübung der Prostitution ... weiterhin strafbar." Was aber ist eine "unzumutbare Beeinflussung"? Doch in erster Linie ein schwammiger und auslegungsfähiger Begriff, der Gerichten ein weites Betätigungsfeld schafft, wohl aber nicht zur Einführung von Arbeitsverträgen animiert.


Es durfte also bezweifelt werden, dass hier die üblichen Bedingungen eines jeden Beschäftigungsverhältnisses und das, was im StGB als "Ausbeutung von Prostituierten" bezeichnet wird, wirklich trennscharf auseinander gehalten werden.


Das gleiche Problem bei der Änderung des §181a StGB ("Zuhälterei"). Denn immer noch wird in dessen Absatz 1 unter Strafe gestellt, dass eine Person "seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt..."


Das ist in der Regel genau das, was in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis normalerweise stattfindet. Wiederum sollte eine Bemerkung in der Gesetzesbegründung aus der Patsche helfen: Die Strafbarkeit des "Bestimmens" sei nur dann gegeben, wenn es sich um ein "einseitiges Vorgehen" (der Bordellbetreiber) handelt: "Eine freiwillig getroffene Vereinbarung über Ort und Zeit der Prostitutionsausübung, also ein einvernehmlich begründetes rechtlich wirksames Beschäftigungsverhältnis, das Prostituierten eine jederzeitige Selbstbefreiung bzw. Loslösung aus dieser vertraglichen Beziehung ermöglicht", gilt somit nicht als Straftatbestand.


Die Zweifel, ob hier wirklich zwischen einem "Bestimmen" als "einseitigem Vorgehen" und einem Bestimmen im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses unterschieden werden kann, sind berechtigt.
Inzwischen hat eine vom Bundesfamilienministerium im vergangenen Jahr veröffentliche
Auswertung des Prostitutionsgesetzes bestätigt: Das Prostitutionsgesetz hat sich als Hindernis, nicht aber als Erleichterung für die Begründung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse in der Prostitution erwiesen.


Wie die durchaus interessanten Ergebnisse dieser Auswertung im Einzelnen aussehen, dazu
in Kürze mehr hier an dieser Stelle.



Ihre Rosina
vom Team Doña Carmen e.V.


(Tel./ Fax: 069-7675 2880 - Email: donacarmen@t-online.de - http://www.donacarmen.de)

Original:
kollegin.de/magazin/meldung.asp?AuftragsID=1751649





Wie das Sexuelle ökonomisch organisiert werden kann ist aber auch wirklich ein Kreuz für die bürgerliche Rechtsmoral :-((





Dienstvertragrecht statt Arbeitsvertragsrecht für Sexworker:

viewtopic.php?p=33135#33135





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Osnabrück: Urteil des Amtsgericht

#58

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Mietrecht und Sexdienstleistungen

Wie indirekt in Gesetzen zum Schutze und zur Nutzung von Eigentum
die Prostitution pauschal bewertet und diskriminiert wird,
ohne eine Einzelfallprüfung überhaupt für notwendig zu erachten.


Prostitution im Haus rechtfertigt fristlose Kündigung


Berlin/Osnabrück (dpa/tmn) - Mieter dürfen fristlos kündigen, wenn in einer anderen Wohnung des Hauses ein Bordell betrieben wird. Die übliche Frist von drei Monaten müssen Mieter in einem solchen Fall nicht einhalten, erläutert der Deutsche Mieterbund in Berlin.

Dabei beruft er sich auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Osnabrück (Az.: 83 C 186/07). In dem Fall stellte eine Mieterin unmittelbar nach ihrem Einzug in das zweite Obergeschoss eines Hauses fest, dass in den beiden Erdgeschosswohnungen ein «Wohnungsbordell» betrieben wurde.

Die Frau kündigte fristlos, zog aus und zahlte keine Miete mehr. Der Vermieter wollte das nicht hinnehmen. Die Frau handelte aber zurecht, wie die Richter entschieden. Denn bei einer polizeilichen Überprüfung wurden drei Prostituierte in der Erdgeschosswohnung angetroffen, und im Internet wurde das «Wohnungsbordell» konkret beworben, heißt es.

Es sei der Frau daher nicht zumutbar gewesen, das Mietverhältnis mit einer Frist von drei Monaten zu kündigen. Sie müsse auch nicht zuerst den Vermieter dazu anhalten, gegen die Prostitution im Haus vorzugehen. Denn laut Mieterbund besteht die «immanent drohende Gefahr einer Belästigung durch Freier». Außerdem sei in solchen Fällen nicht auszuschließen, dass weibliche Mieter als Prostituierte eingeschätzt werden.

all-in.de/anzeigen/immobilien/mietrechts-tipp/art223,305222





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Perspektivisches zur Prostitution

#59

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Umsetzung des ProstG auf Länderebene


Grüne im Landtag in NRW

Geplante öffentliche Anhörung
Rahmenbedingungen zur Umsetzung des Prostitutionsgesetzes in NRW schaffen!



Ausschuss für Frauenpolitik
Rahmenbedingungen zur Umsetzung des Prostitutionsgesetzes in NRW schaffen!

10.04.2008
10.00 Uhr
Raum: E 3 - D 01
landtag.nrw.de/portal/WWW/GB_I/I.1/Anhoerungen/Anhoerungen.jsp


http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/do ... 4-5220.pdf
(PDF - 3 Seiten)

I. Dargestellt wird die derzeitige von Widersprüchen gekennzeichnete Lage für Sexarbeiter.

Hier sind landesrechtliche Anpassungen in NRW gefordert. Dies
betrifft u. a. folgende Themen und Fragestellungen:

• Mögliche Einführung einer Erlaubnispflicht im Gewerberecht bei der Zulassung von Bordellbetrieben
(Bordelle, Anbahnungsbetriebe, Clubs) sowie Wohnungsprostitution („Bordell-
TÜV"), um z.B. bauliche Standards, Standards für die Ausstattung der Räumlichkeiten,
Hygiene und Arbeitsschutz und Sicherheitsstandards setzen zu können.

• Einführung einer freiwilligen Gewerbeanmeldung für Prostituierte und einer freiwilligen Reisegewerbekarte für Straßenprostituierte.
[M.E. eine illusorische Mißachtung der Lebensweisen von DrogengebraucherInnen.]

• Verbesserung des Zugangs zur Krankenversicherung für Migrantinnen.

• Prüfung der NRW-Sperrgebietsverordnung, welche negativen Auswirkungen diese auf die Arbeitsbedingungen der Prostituierten hat und wie diesen entgegen gewirkt werden
kann.


II. Modelle mit Vorbildcharakter gäbe es in Hannover, Frankfurt und Dortmund.


III. Forderungen

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

- einen interdisziplinären „Runden Tisch Prostitution NRW" auf Landesebene einzurichten,
der für den Bereich sexuelle Dienstleistungen ein kooperatives Handlungskonzept erarbeitet,
um die Intention des Prostitutionsgesetzes auf Grundlage der Evaluationsberichte
und der Dokumentationen der Bundesregierung in NRW mit Leben zu füllen. An diesem
Runden Tisch sollen insbesondere beteiligt sein:
die zuständigen Landesministerien, Beratungsstellen
für Prostituierte in autonomer und kirchlicher Trägerschaft sowie der Gesundheitsämter,
Prostituierte und BordellbetreiberInnen, die LAG Recht/Prostitution, Interessensvertretungen
der Prostituierten (Gewerkschaften, Bund sexueller Dienstleistungen,
Hurenorganisationen)
VertreterInnen der Polizei, der Ausländerbehörden, der Arbeitsagentur,
der Finanzbehörden und der Kommunalen Spitzenverbände

- das erarbeitete Handlungskonzept dem Landtag bis Dezember 2008 vorzulegen.





Fraglich in wieweit das eine Verkennung der Realität der Lebensweisen in der Sexarbeit ist.
Seit Jahrhunderten hat man Sexarbeitern die gewerbsmäßige Ausbeudung des Sexuellen zum Vorwurf gemacht,
um sie jetzt in das gewerberechtliche Instrumentarium pressen zu wollen?

Welcher freischaffende Künstler besitzt schon eine Gewerbeanmeldung?

Sollte nicht eher die Anerkennung der freiberuflichen Tätigkeit sowohl im Gewerberecht als auch Steuerrecht gemeinsames Ziel aller ent-kriminalisierender Überlegungen sein.
Immerhin handelt es sich bei der sexuellen Arbeit um eine höchstpersönlich und individuellst verschieden erbrachte Dienstleistung.

Sollte nicht zunächst einmal begleitend die Infrastruktur der Sexarbeit gestärkt werden, um mehr Sexarbeiter beraten zu können und um sie berufsbegleitend zu Qualifizieren. So kann die Arbeits-Qualität verbessert, mögliche Ausbeutung verringert und Selbstständigkeit vieler Frauen gefördert werden. Ebenfalls können so SexarbeiterInnen besser vor einem Zwang zum Verbleib in der Sexarbeit befreit werden.

Gebraucht werden Coming-out Gruppen für Sexarbeiter [und Freier(?)] in jeder Gemeinde, um der nach wie vor vorherrschenden Stigmatisierung entgegentreten zu können.





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Marc of Frankfurt
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Sexualkontrolle mal woanders betrachtet

#60

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Ein anderer Bereich des Sexualstrafrechts in dem auch die Prostitution geregelt wird: Das Inzest-Tabu



Stern: Inzest-Urteil

Moral bestraft Liebe


Das Geschwister-Liebespaar Patrick und Susan aus Leipzig. Inzest ist laut Bundesverfassungsgericht nicht mit dem Grundgesetz vereinbar

Eine Analyse von Holger Witzel



Das höchste deutsche Gericht hat entschieden: Inzest bleibt strafbar. Dieses Urteil ist fragwürdig, denn es beruht vor allem auf moralischen Argumenten. Den Geschwistern Patrick und Susan schadet das Urteil sogar mehr, als dass es nutzt.

Alles darf ich mit meiner erwachsenen Schwester machen: Schmusen und Petting, bis der Arzt kommt, wir dürfen Oralverkehr haben, ohne dass sich der Staat in unser Privatleben mischt, natürlich auch anal, wenn uns danach ist - selbst Kinder dürften wir per künstlicher Befruchtung miteinander haben. Nur den klassischen Beischlaf, egal ob mit oder ohne Kondom, verbietet uns das Strafgesetzbuch. Dafür droht leiblichen Geschwistern nach dem heutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (Aktenzeichen 2 BvR 392/07) auch in Zukunft eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren.

Sie wollen keine weiteren Einzelheiten von mir und meiner Schwester wissen? Es schüttelt Sie bei dem Gedanken? Mich auch. Wie die meisten Leute finde ich nahe Verwandte aus einem vermutlich evolutionären Instinkt heraus sexuell nicht besonders interessant und habe, davon abgesehen, nicht mal eine Schwester. Trotzdem braucht man genau diese Vorstellungskraft, um die Absurdität der aktuellen Entscheidung zu verstehen. Dann versteht man vielleicht auch den Fall der sächsischen Geschwister, die vier Kinder miteinander haben – aber eben nicht dafür verurteilt wurden, sondern allein dafür, dass sie sich mehr lieben, als es das gesunde Volksempfinden erlaubt, an dem sich auch die höchsten deutschen Richter orientiert haben.

Anders als bei anderen Paaren, bei denen Kinder als Beweise für die große Liebe gelten, sind die Kinder von Patrick und Susan lediglich lebendige Beweise für eine Straftat. Die Verfassungsbeschwerde ihrer Anwälte gegen die Strafurteile sächsischer Gerichte und den aus ihrer Sicht insgesamt nicht mehr zeitgemäßen - oder noch nie mit Rechtsgütern begründbaren - Paragrafen 173 des Strafgesetzbuches wurde zurückgewiesen, weil er die "Bewahrung der familiären Ordnung vor den schädigenden Wirkungen des Inzests unter Strafe stellt".



Das sexuelle Selbstbestimmungsrecht wurde nicht verletzt

Tatsächlich waren Patrick, 31, und Susan, 23, gerade dabei, eine Familie zu gründen, die sie vorher nie hatten. Getrennt voneinander und in zerrütteten Verhältnissen aufgewachsen war bei ihnen die geschwisterliche Hemmung voreinander nicht ausgeprägt. Sie haben sich nicht geschüttelt, sondern im vorliegenden Fall als zwei erwachsene Menschen freiwillig miteinander verkehrt. Das sexuelle Selbstbestimmungsrecht wurde von keinem verletzt – außer vom Staat. Mit dem Missbrauch von Kindern hat weder diese Liebesgeschichte noch der Paragraf 173 zu tun. Väter oder Onkel, ältere Brüder oder Vergewaltiger werden heutzutage zum Glück durch andere Paragrafen weitaus härter und klarer verfolgt und bestraft, wenn sie sich an Minderjährigen oder gegen deren Willen an Erwachsenen vergehen.

Als Patrick für sein Privatleben das erste Mal ins Gefängnis musste, hat er nicht mal gewusst, was man ihm eigentlich vorwarf. Nach der Geburt des dritten Kindes hat er sich sterilisieren lassen, als wäre ihm die Fortpflanzung verboten. Das vierte Kind war da schon unterwegs. Aber dass er nun keine weiteren Kinder mehr bekommen kann, ändert auch nichts daran: Wenn er mit seiner Schwester schläft, sind beide Kriminelle.



Eine moralisches Urteil

Vor drei Jahre habe ich die Geschwister kennen gelernt. Sie hatten in den ersten Strafverfahren nicht mal Anwälte und nie das intellektuelle Rüstzeug für ein Leben mit der Lüge wie viele andere heimliche Geschwisterpaare in Deutschland. Sie hätten zum Beispiel nur sagen müssen, es wäre im Frankreichurlaub passiert, in Spanien, der Türkei oder etlichen anderen Staaten, in denen Inzest längst nicht mehr unter Strafe steht. Die verräterische Befruchtung hätte indirekt in der gemeinsamen Badewanne stattgefunden haben können, per Mundraub in einer Besenkammer … Kein Staatsanwalt hätte ihnen Monate oder Jahre später etwas anderes beweisen können. Sie aber waren ehrlich. Warum sollten sie auch lügen? Schließlich liebten sie sich und lieben sich noch immer, wie sie immer wieder glaubwürdig beteuern. Dafür muss Patrick jetzt wahrscheinlich wieder ins Gefängnis, ein reueloser Wiederholungstäter, genau wie seine Schwester.

Warum mischt sich der Staat ein, wenn sich zwei Menschen lieben? Ausdrücklich wird in der Begründung der Entscheidung "das in der Gesellschaft verankerte Inzest-Tabu" erwähnt. Aus Mangel an anderen Rechtsgütern muss also die Moral herhalten, von der sich das Strafrecht in Deutschland eigentlich längst emanzipiert hatte. Nach und nach hat man den Ehebruch legalisiert, sogar die Homosexualität. Selbst "Unzucht mit Tieren" kann heutzutage straffrei treiben, wenn es dabei nicht zu einer Sachbeschädigung kommt oder man kann sich "außerehelichen Beischlaf erschleichen". Nur bei erwachsenen Geschwistern bleibt alles beim Alten.

"Der Beischlaf zwischen Geschwistern", so heißt es aus Karlsruhe, "betrifft nicht ausschließlich diese selbst, sondern kann in die Familie und die Gesellschaft hinein wirken und außerdem Folgen für aus der Verbindung hervorgehende Kinder haben." Wieso aber wird dann – aus Rücksicht auf Familie und Gesellschaft – das gleiche Vergehen zwischen gleichgeschlechtlichen Geschwistern, Stief-, Adoptions- oder Pflegegeschwistern nicht bestraft? Wieso nicht mein Fellatio mit meiner Schwester oder der Beischlaf mit meinem Bruder?



Das Sondervotum des Richters Hassemer

Die "Vermeidung von Erbschäden", von der im Gesetz nie die Rede war und die auch wissenschaftlich mehr als umstritten ist, kann es nicht sein. Denn dann müsste man aus "Gründen der Volksgesundheit" auch eine gesetzliche Altersgrenze zum Beispiel für Spätgebärende, den Beischlaf zwischen älteren Menschen überhaupt beziehungsweise zwischen solchen mit familiären Erbschäden oder Behinderungen bei Strafe verbieten, bei denen vererbbare Schäden erwiesenermaßen um ein Vielfaches wahrscheinlicher und schwerer vorkommen als bei Inzest.

Unter anderem auf diese Widersprüche weist auch der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer, in seinem Sondervotum hin, mit dem er sich gegen seine sieben Kollegen nicht durchsetzen konnte: Dabei geht es auch bei ihm weniger um Menschlichkeit oder um Gerechtigkeit für Patrick und Susan sondern natürlich nur um die Rechtspflege. Sein eigener Senat habe die strafrechtliche Rechtsgutslehre "nur mit spitzen Fingern" angefasst: "Eine nachträgliche Unterlegung eines Normzwecks, den der Gesetzgeber nicht verfolgt hat, verändert die Koordinaten der Verhältnismäßigkeit, ihre Konturen und Inhalte." Man könnte auch sagen: Liebe lässt sich nicht verbieten, da können wir uns aus historisch gewachsenen Tabus noch so schütteln. Und Patrick wird nach seiner Entlassung sofort wieder über Susan herfallen, beziehungsweise sie über ihn. Hoffentlich heimlich.

http://www.stern.de/politik/panorama/:I ... 14091.html





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