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Dies ist eine Veröffentlichung des niederländischen Ministeriums für auswärtige
Angelegenheiten.
FAQ PROSTITUTION 2005
Fragen und Antworten zur Rechtslage in den Niederlanden
1 Ist Prostitution in den Niederlanden legal?
2 Was regelt Artikel 273a Strafgesetzbuch?
3 Welche Strafen werden verhängt?
4 Wie sieht die Praxis aus?
5 Warum wurde das Bordellverbot aufgehoben?
6 Hat sich die Situation der Prostituierten nach der Aufhebung des
Bordellverbots verbessert?
7 Wer kontrolliert die Einhaltung der Genehmigungsauflagen?
8 Kann eine Gemeinde Prostitutionsbetriebe verbieten?
9 Darf die Polizei eine Liste aller ihr bekannten Prostituierten anlegen?
10 Was wird auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes getan?
11 Welche Formen von Prostitution gibt es?
12 Wie viele Prostituierte arbeiten in den Niederlanden und aus welchen
Ländern stammen sie?
13 Welche arbeitsrechtlichen Folgen hat die Legalisierung?
14 Welche Folgen hat die Legalisierung für die soziale Sicherheit?
15 Wie werden die Steuern und Sozialabgaben erhoben?
16 Inwiefern unterstützt die niederländische Prostitutionspolitik die
Bekämpfung des Menschenhandels?
17 Welche ausländischen Prostituierten arbeiten legal und welche illegal?
18 Erhalten Opfer von Menschenhandel Hilfe?
19 Welche Interessenorganisationen und sonstigen Einrichtungen befassen sich
mit Fragen der Prostitution?
Einleitung
Warum werden Bordelle in den Niederlanden unter bestimmten Voraussetzungen
geduldet? Wie geht der niederländische Staat ganz allgemein mit dem Phänomen
Prostitution um? Diese Publikation vermittelt anhand von neunzehn Fragen und
Antworten sowie nützlicher Hintergrundinformationen ein Bild von der
niederländischen Politik auf diesem Gebiet.
Der Text dieser Publikation wird auf der Website des niederländischen
Außenministeriums (
www.minbuza.nl/english
) auch noch in anderen
Sprachen angeboten.
1 Ist Prostitution in den Niederlanden legal?
Prostitution als solche war und ist in den Niederlanden nicht strafbar.
Zwangsprostitution steht dagegen sehr wohl unter Strafe. Früher war auch
der Betrieb eines Bordells strafbar. Das hat sich mit dem Inkrafttreten einer
entsprechendenGesetzesänderung am 1. Oktober 2000 geändert. Kern der
Neuregelung war die Streichung der Artikel250bis und 432
Strafgesetzbuch und damit die Aufhebung des generellen Bordellverbots
und des Verbots der Zuhälterei. Seitdem ist der Betrieb von
Sexunternehmen, in denenvolljährige Prostituierte freiwillig ihrem
Gewerbe nachgehen, nicht mehr strafbar, wenn der Betreiber eine
Genehmigung besitzt (sofern diese vorgeschrieben ist) und die geltenden
Bestimmungen beachtet. Das bedeutet, dass Sexclubs, Fensterprostitution,
Privatclubs und Escortagenturen legal sind, solange die von der Gemeinde
vorgegebenen Auflagen erfüllt werden. Infolge dieser Legalisierung sind
die Niederlande eines der ersten Länder, in denen die freiwillige
Prostitution Volljähriger formell als reguläre Beschäftigung angesehen
wird.
2 Was regelt Artikel 273a Strafgesetzbuch?
Artikel 273a Strafgesetzbuch stellt Ausbeutung von Personen durch
Prostitution und andere Formen sexueller Ausbeutung unter Strafe.
Außerdem sind danach strafbar:
• Zwangs- und Pflichtarbeit bzw. -dienstleistungen
• Sklaverei
• mit Sklaverei oder Leibeigenschaft vergleichbare Praktiken
• Organhandel
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Dies ist eine Veröffentlichung des niederländischen Ministeriums für auswärtige
Angelegenheiten.
3 Welche Strafen werden verhängt?
Mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 6 Jahren (und/oder einer Geldstrafe)
muss rechnen, wer
• eine andere Person zwingt, der Prostitution nachzugehen;
• eine minderjährige Person der Prostitution zuführt;
• eine Person anwirbt, mitnimmt oder entführt, um sie in einem anderen
Land der Prostitution zuzuführen (analog zu dem Verbot nachdem
1933 in Genf geschlossenen Übereinkommen zur Unterdrückung des
Handels mit volljährigen Frauen);
• aus Zwangsprostitution oder aus der Prostitution Minderjähriger Profit
zieht;
• eine andere Person zwingt, ihm aus dem Ertrag der Prostitution Vorteile
zu verschaffen.
Beistraferschwerenden Umständenkann das Strafmaß auf 8 bzw. 10 Jahre
erhöht werden. Solche Umstände liegen vor, wenn das Opfer minderjährig
ist oder die Straftat von zwei oder mehr Personen begangen wird.
Beischwerer Körperverletzung oder Lebensgefahr wird das Strafmaß auf
bis zu 12 Jahre und bei Todesfolge auf bis zu 15 Jahre festgesetzt.
4 Wie sieht die Praxis aus?
Zwar wurde in den Niederlanden zum 1. Oktober 2000 das allgemeine
Bordellverbot aufgehoben, es wurde jedoch kein landesweit geltendes
Prostitutionsgesetz eingeführt. Die Formulierung und Umsetzung der
Prostitutionspolitik wurde bewusst den Kommunen überlassen, damit
jeweils den örtlichen Gegebenheiten Rechnung getragen werden kann. Die
Kommunen legen die Voraussetzungen fest, unter denen Bordelle in ihrem
Gebiet genehmigt werden können. Der Verband Niederländischer
Gemeinden VNG hat hierzu eine Modellsatzung für Bordelle, Sexshops,
Straßenprostitution usw. erarbeitet.
Durch entsprechende Vorgaben, u. a. im Rahmen der Bauleitplanung,
können die Gemeinden auch Einfluss auf den Standort von Bordellen
nehmen. Ein Bordell darf sich nicht störend auf das Wohn- und
Lebensumfeld in dem betreffenden Viertel auswirken.
Bei den Vorschriften über die Einrichtung eines Bordells geht es um Dinge
wie die Mindestgröße der Zimmer, Brandschutz, Sicherheit (Notruf) und
Hygiene (so müssen in den Zimmern Waschgelegenheiten mit fließendem
warmem und kaltem Wasser vorhanden sein und Kondome zur Verfügung
stehen).
Die Vorschriften in Bezug auf die Betriebsführung betreffen die
Rechtsstellung und den Status der Prostituierten (Schutz der körperlichen
und geistigen Unversehrtheit, kein Zwang, keine minderjährigen
Prostituierten oder Prostituierten ohne gültigen Aufenthaltstitel) und sollen
dafür sorgen, dass die Anwohner nicht unzumutbar belästigt werden.
5 Warum wurde das Bordellverbot aufgehoben?
1911 wurde in den Niederlanden das Bordellverbot eingeführt. Hauptziel
war es, die Prostituierten vor Ausbeutung zu schützen. In den letzten 50
Jahren hatte der niederländische Staat die Ausübung dieses Gewerbes
immer offener geduldet. So wurde nicht gegen Bordelle und Sexclubs
vorgegangen, solange dort keine kriminellen Handlungen stattfanden und
die öffentliche Ordnung nicht gestört wurde.
Die Niederlande haben sich dafür entschieden, den Buchstaben des
Gesetzes der Wirklichkeit anzupassen, um die Missstände in der
Prostitution behebenzu können. Das Führen eines Betriebes, in dem
Volljährige freiwillig der Prostitution nachgehen, wurde legalisiert,
während die strafrechtlichen Maßnahmen gegen die Ausbeutung von
Prostituierten verschärft wurden. Durch Entkriminalisierung der
Prostitution erhalten die Behörden mehr Möglichkeiten, das
Prostitutionsgewerbe insgesamt in den Griff zu bekommen und zu sanieren.
Zugleich wird gegen Missstände härter vorgegangen. Dank regelmäßiger
Kontrollen können Hinweise auf Menschenhandel – sowohl in der
regulierten als auch in der nicht regulierten Prostitution – frühzeitig erkannt
werden. Dies dient nicht nur der Bekämpfung von Menschenhandel,
sexueller Nötigung und sexuellem Missbrauch Minderjähriger, sondern
liegt auch im Interesse der Prostituierten.
Mit der Einführung des neuen Gesetzes wurden mehrere Ziele verfolgt:
1. Kontrolle und Regulierung der wirtschaftlichen Ausnutzung der
Prostitution (Einführung eines Genehmigungssystems durch die
Gemeinden)
2. Schutz der Rechtsstellung von Prostituierten
3. bessere Bekämpfung der Zwangsprostitution
4. Schutz von Minderjährigen vor sexuellem Missbrauch
5. Reduzierung der Zahl Prostituierter ohne gültigen Aufenthaltstitel
6. Trennung von Prostitution und Kriminalität
6 Hat sich die Situation der Prostituierten nach der Aufhebung
des Bordellverbots verbessert?
Mit der Aufhebung des Bordellverbots wurde in mehrerer Hinsicht auch die
Position der Prostituierten gestärkt. Die Gemeinden sorgen im Rahmen
ihrer Aufsichtsfunktion für die Verbesserung der Sicherheit der
Prostituierten, der hygienischen Verhältnisse und der Arbeitsbedingungen
in Prostitutionsbetrieben.
Sie können unter anderem folgende Bedingungen stellen: Die Prostituierten
dürfen nicht gezwungen werden, mit den Freiern alkoholische Getränke zu
konsumieren, ungeschützten Sex zu praktizieren oder bestimmte sexuelle
Handlungen vorzunehmen, Gesundheitsdienste und Interessenvertretungen
müssen ungehinderten Zugang zu dem Betrieb haben.
Eine mit der Aufhebung des Bordellverbots einhergehende wichtige
Änderung ist die offizielle Anerkennung der Prostitution als
Erwerbstätigkeit. Das bedeutet, dass die Prostituierten dieselben Rechte und
Pflichten haben wie alle erwerbstätigen Bürger. Aufgrund des jahrelangen
Verbots und der Duldung durch den Staat haben sich die
Arbeitsverhältnisse im Prostitutionsgewerbe anders entwickelt als in
anderen Bereichen. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Betreiber und den
Prostituierten muss schriftlich niedergelegt werden. Dies ist Sache der
Beteiligten; der Staat kann darauf nur sehr begrenzt Einfluss nehmen. Viele
Betreiber verzichten lieber auf Arbeitsverträge und sehen sich als Betrieb,
der lediglich seine Einrichtung zur Verfügung stellt. Prostituierte können
als Selbstständige die Räumlichkeiten anmieten; damit ist der Betreiber
nicht verpflichtet, Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abzuführen.
Der Staat kann allerdings überprüfen, ob tatsächlich kein
Beschäftigungsverhältnis vorliegt, und so gegen Scheinselbstständigkeit
vorgehen.
Da für die Prostitution nun Regelungen gelten, die auch in anderen
Branchen üblich sind, besteht auch mehr Klarheit über die Rechte der
Prostituierten. Betreiber, die als Arbeitgeber auftreten, müssen sich an die
Vorschriften des Arbeitsrechts und die Vorschriften im Zusammenhang mit
Lohnsteuer und Sozialabgabenhalten. Der Staat hat für Betreiber und
Prostituierte Broschüren herausgegeben, die unter anderem Informationen
zu den Sozialversicherungen enthalten. Damit soll den Betroffenen die
Entscheidung zwischen Selbstständigkeit und Beschäftigungsverhältnis
erleichtert werden. Rechte und Pflichten beider Arbeitsformen werden
detailliert erläutert.
Zwei Jahre nach der Aufhebung des Bordellverbots fand eine Evaluierung
statt. Dabei hat sich gezeigt, dass sich die tatsächlichen Auswirkungen der
Gesetzesänderung noch nicht abschließend bewerten lassen. Klar ist aber,
dass die Legalisierung eines Sektors, der fast hundert Jahre lang illegal war,
nicht mit einer einfachen Gesetzesänderung und einer neuen Politik zu
bewerkstelligen ist. Es besteht noch große Unklarheit über die Rechte und
Pflichten von Prostituierten und Betreibern und über die
Arbeitsverhältnisse. Außerdem muss die Kommunikation mit der Branche
verbessert werden. Auch was die Position der Prostituierten angeht, sind
noch viele Probleme zu lösen. Die Empfehlungen im Evaluierungsbericht
sind eine gute Grundlage für die weitere Gestaltung des
Legalisierungsprozesses.
7 Wer kontrolliert die Einhaltung der Genehmigungsauflagen?
Es ist Sache der Gemeindeverwaltung, festzulegen, wer die Einhaltung der
Genehmigungsauflagen zu überwachen hat. In der Praxis nimmt oft die
Polizei diese Aufgabe im Auftrag der Gemeinde wahr. Die Richtlinien
dafür werden im Rahmen der regelmäßigen Beratungen zwischen dem
Bürgermeister, der Staatsanwaltschaft und dem Polizeichef der Gemeinde
ausgearbeitet und schriftlich festgelegt.
Werden die Auflagen nicht eingehalten, kann dies Sanktionen wie die
Verhängung von Zwangsgeldern, die Einziehung der Genehmigung oder
die Schließung des Bordells und sogar strafrechtliche Verfolgung aufgrund
von Artikel 250a Strafgesetzbuch nach sich ziehen, wenn es sich um
illegale Formen von Prostitution bzw. sexueller Dienstleistung handelt
(siehe auch Frage 2).
8 Kann eine Gemeinde Prostitutionsbetriebe verbieten?
Die Gemeinden nehmen Einfluss auf die Ansiedlung und den Standort von
Prostitutionsbetrieben. So können sie eine Genehmigung für die Ansiedlung
eines Prostitutionsbetriebs oder bestimmter Formen der Prostitution, etwa
der Fensterprostitution, verweigern oder einziehen, wenn
• der Lebenswandel des Betreibers zweifelhaft ist (ihm also von der
Gemeinde kein einwandfreies Führungszeugnis ausgestellt werden
kann),
• die Ansiedlung nicht mit dem Flächennutzungsplan vereinbar ist,
• es Anhaltspunkte für Zwangsprostitution, Minderjährigenprostitution
oder Prostitution von Personen gibt, die sich illegal in den Niederlanden
aufhalten,
• die Verweigerung der Genehmigung im Interesse der öffentlichen
Ordnung liegt,
• das Wohn- und Lebensumfeld beeinträchtigt wird.
Ein Verbot aus moralischen oder ethischen Gründen ist nicht möglich.
9 Darf die Polizei eine Liste aller ihr bekannten Prostituierten
anlegen?
Nein, denn dies würde verschiedenen Gesetzen zuwiderlaufen, die den
Schutz personenbezogener Daten garantieren. Allerdings darf im
Zusammenhang mit einer konkreten Tätigkeit der Polizei zeitweise eine
solche Liste geführt werden, etwa zur Aufdeckung von Menschenhandel.
Dies muss dann aber bei der Datenschutzbehörde angemeldet werden.
10 Was wird auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes getan?
Es ist Aufgabe der Gemeinden, dafür zu sorgen, dass die Prostituierten
freien Zugang zu den Einrichtungen des Gesundheitswesens haben. Im
Vordergrund stehen dabei Niedrigschwelligkeit und die Vermeidung
jeglichen Zwangs. Zuallererst ist es natürlich an den Prostituierten selbst,
an ihren Interessenvertretungen und an den jeweiligen Betreibern der
Etablissements, für gute und gesundheitlich unbedenkliche
Arbeitsbedingungen zu sorgen. Die Gemeinden haben darauf zu achten,
dass die Betreiber ihrer Verantwortung nachkommen. Sie können in diesem
Zusammenhang unter anderem in den Genehmigungsauflagen festlegen,
dass bestimmte Präventivmaßnahmen getroffen werden müssen und dass
ihre Einhaltung regelmäßig überprüft wird.
Pflicht der Betreiber ist es zum Beispiel, auf „Safer Sex“ zu achten,
Gelegenheit für Aufklärungsaktivitäten zu bieten und die Prostituierten
dazu anzuhalten, sich regelmäßig auf Krankheiten untersuchen zu lassen,
die auf sexuellem Wege übertragen werden können. Die Stiftung zur
Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten (siehe auch Frage 19) hat
Richtlinien für solche Untersuchungen durch Ärzte und Fachärzte
aufgestellt.
Es wurden bewusst keine obligatorischen medizinischen Untersuchungen
für Prostituierte eingeführt. Die Prostituierten würden dann weiterhin als
potenzielle Ansteckungsquelle betrachtet und stigmatisiert. Außerdem
könnten Freier eine gesetzlich vorgeschriebene medizinische Untersuchung
als Vorwand für ungeschützten Sex anführen. Im Normalfall sollten die
Untersuchungen vierteljährlich durchgeführt werden, auf freiwilliger Basis.
Sie werden im Allgemeinen akzeptiert, da die Prostituierten ihre
Notwendigkeit einsehen. In den größeren Städten gibt es Polikliniken, in
denen sich Prostituierte anonym und kostenlos untersuchen lassen können.
Safer Sex und gezielte Aufklärung für Prostituierte und Freier bieten den
besten Schutz vor Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten.
11 Welche Formen von Prostitution gibt es?
Es gibt verschiedene Formen von Prostitution. Die bekanntesten sind die
Prostitution in Sexclubs und die Fensterprostitution. In diesem Bereich sind
25 % der Prostituierten tätig. Außerdem gibt es Prostitution in Hotels und
Bars, bei Escortagenturen usw.
Straßenprostitution ist in vielen Gemeinden wegen der Störung der
öffentlichen Ordnung und der Belästigungen, die dadurch entstehen
können, untersagt. Einige Kommunen haben offiziell genehmigte
Straßenstriche eingeführt, auf denen Prostituierte zu bestimmten
(nächtlichen) Stunden arbeiten dürfen. In diesen parkplatzähnlichen Zonen
gibt es auch Räumlichkeiten, in denen die Prostituierten Kondome
bekommen, eine Tasse Kaffee trinken, warm duschen oder Hilfe in
Anspruch nehmen können. Dank dieser offiziellen Striche hat sich die
Sicherheit in der Straßenprostitution in den vergangenen Jahren erheblich
verbessert und die Anwohner werden weniger oder gar nicht mehr belästigt.
Fensterprostitution gibt es in den meisten großen und mittelgroßen Städten.
Zum Zeitpunkt der Aufhebung des allgemeinen Bordellverbots sah die
prozentuale Verteilung auf die einzelnen Prostitutionsformen
folgendermaßen aus:
Prostitutionsform
Anteil
Fensterprostitution
20 %
Straßenprostitution
5 %
Sexclubs und Privatclubs
45 %
Escortagenturen
15 %
Heimprostitution
5 %
Andere Formen*
10 %
Insgesamt
100 %
* Prostitution in Hotels, Bars, Massagesalons usw.
Die Aufhebung des allgemeinen Bordellverbots hat zu einer Veränderung
im Prostitutionsangebot und zu einer prozentualen Verschiebung bei den
verschiedenen Formen der Prostitution geführt. Die neue Verteilung soll
2005 untersucht werden.
12 Wie viele Prostituierte arbeiten in den Niederlanden und aus
welchen Ländern stammen sie?
Schätzungen zufolge gab es in den Niederlanden zum Zeitpunkt der
Aufhebung des allgemeinen Bordellverbots 25 000 Prostituierte – darunter
viele Migranten –, von denen täglich 12 500 an insgesamt 6000 Orten
arbeiteten. In den Siebzigerjahren stammten die ausländischen
Prostituierten überwiegend aus Südostasien (Thailand und Philippinen).
Dies änderte sich im Lauf der Achtzigerjahre, als viele Prostituierte aus
Lateinamerika und der Karibik in die Niederlande kamen, um hier zu
arbeiten. Ende der Achtzigerjahre – nach dem Mauerfall – folgte eine
Migrationswelle von Prostituierten aus Mittel- und Osteuropa.
1999 ergab eine Untersuchung, dass nur ein Drittel der Prostituierten die
niederländische Staatsangehörigkeit hatte. Insgesamt wurden 45
Nationalitäten gezählt. Die meisten stammten aus der Dominikanischen
Republik, Kolumbien, Tschechien, Rumänien und Polen. Über die Zahl der
illegalen Prostituierten war nichts bekannt.
Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren etwa 5 % der Prostituierten
männlich; weitere 5 % waren transsexuell. Auch diese Gruppe bestand zum
größten Teil aus Migranten.
10 % der Prostituierten waren drogenabhängig. Von den drogenabhängigen
Prostituierten besaßen die meisten die niederländische Staatsangehörigkeit.
Zurzeit liegen keine aktuelleren Angaben vor, es scheint jedoch, dass die
Zahl vor allem der illegalen Prostituierten nach der Aufhebung des
Bordellverbots infolge der regelmäßigen Kontrollen unter anderem der
Polizei und des Finanzamts im legalisierten Bereich zurückgegangen ist.
13 Welche arbeitsrechtlichen Folgen hat die Legalisierung?
Mit der Aufhebung des Bordellverbots wurden die Bestimmungen des
Privatrechts, und damit auch arbeitsrechtliche Bestimmungen, auf das
Verhältnis zwischen den Prostituierten und den Bordellbetreibern
anwendbar. Wichtig dabei ist, dass der oder die Prostituierte selbst entscheiden
kann, ob und wie er oder sie der Prostitution nachgeht, und das
Arbeitsverhältnis auch selbst beenden kann.
Die Vorschriften, die für die Privatwirtschaft im Allgemeinen gelten,
darunter das Arbeitsschutzgesetz, gelten im Prinzip auch für das legalisierte
Prostitutionsgewerbe.
Die Gewerbeaufsichtsbehörde hat eine Broschüre für Bordellbetreiber,
Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Arbeitsschutzdienste und Kommunen
herausgegeben, die über die Anwendung des Arbeitsschutzgesetzes in der
Prostitution informiert.
14 Welche Folgen hat die Legalisierung für die soziale Sicherheit?
Prostituierte, die als abhängig Beschäftigte in der Prostitution tätig waren
und ohne eigenes Verschulden arbeitslos geworden sind, haben Anspruch
auf Arbeitslosengeld. Wie für alle anderen Arbeitslosengeldempfänger gilt
auch für sie eine Bewerbungspflicht; sie müssen sich der
Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen und bereit sein, eine zumutbare
Beschäftigung auszuüben. Allerdings kann niemand gezwungen werden,
eine Arbeit in der Prostitutionsbranche anzunehmen. Die Prostitution wird
als Arbeit anerkannt, sie gilt jedoch nicht als zumutbare Arbeit. Die
Arbeitsämter vermitteln daher auch keine entsprechenden
Beschäftigungsverhältnisse.
Prostituierte, die nicht mehr selbstständig oder als abhängig Beschäftigte in
der Prostitution tätig sein wollen, haben keinen Anspruch auf
Arbeitslosengeld. Sie haben ihre Beschäftigung schließlich freiwillig
aufgegeben und können sich als Arbeitssuchende beim Arbeitsamt
registrieren lassen.
Arbeitslose Prostituierte können Anspruch auf Leistungen nach dem
Erwerbsunfähigkeitsgesetz erheben, wenn sie als abhängig Beschäftigte in
einem Bordellbetrieb tätig waren. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sie
nicht mehr in der Lage sind, ihre Tätigkeit oder eine andere zumutbare
Tätigkeit auszuüben.
All diese Regelungen gelten im Übrigen nicht nur für Prostituierte und
Bordellbetreiber, sondern für alle, die in den Niederlanden erwerbstätig
sind oder waren.
15 Wie werden die Steuern und Sozialabgaben erhoben?
Prostituierte und Bordellbetreiber sind steuerpflichtig, auch in dieser
Hinsicht gibt es keine Ausnahme. Die niederländischen Finanzämter
wenden landesweit einheitliche zielgruppenspezifische Kriterien an, nach
denen – je nach Arbeitsverhältnis zwischen Bordellbetreibern und
Prostituierten – die Verantwortung für die steuerlichen Pflichten verteilt
wird.
Bordellbetreiber, die Prostituierte beschäftigen, müssen Beiträge zu den
Arbeitnehmerversicherungen abführen, bis zum 31. Dezember 2005 an die
für deren Durchführung zuständige Instanz, danach an das Finanzamt.
16 Inwiefern unterstützt die niederländische Prostitutionspolitik
die Bekämpfung des Menschenhandels?
Das wichtigste Ziel der niederländischen Prostitutionspolitik ist die
Bekämpfung des Menschenhandels und damit auch von Ausbeutung,
Zwang und Gewalt. Durch die Anerkennung der Prostitution als Arbeit im
Zuge der Aufhebung des Bordellverbots bekamen die Prostituierten die
gleichen Arbeitsrechte und genießen den gleichen Arbeitsschutz wie die
Beschäftigten in anderen Sektoren. Auch im Prostitutionsgewerbe ist das
Arbeitsrecht das geeignetste Mittel gegen Ausbeutung, Gewalt und Zwang.
Ein ähnlicher Gedanke liegt auch der niederländischen Strategie gegen
sexuelle Gewalt zugrunde: Die Position der Frauen zu stärken ist die beste
Art, sexuelle Gewalt zu bekämpfen. Eventuelle Missstände können in einer
legalen und transparenten Sexindustrie leichter aufgedeckt werden als in
einem undurchsichtigen kriminellen Milieu.
Mit der Einführung des Genehmigungssystems hat die Polizei (soweit sie
von der Gemeinde dazu beauftragt wurde) ein effektives Instrument zur
Überwachung des Geschehens in Prostitutionsbetrieben gemeinsam mit den
anderen zuständigen Stellen an die Hand bekommen. Die bei den
Kontrollen gewonnenen Informationen ermöglichen der Polizei eine
schnelle Aufdeckung und Verfolgung von Menschenhandel, sowohl im
regulierten als auch im nicht regulierten Sektor. Zu diesem Zweck wurde
auch eine landesweit gültige Rufnummer eingerichtet, unter der anonyme
Hinweise auf Menschenhandel entgegengenommen werden.
Die Ausbeutung von Prostituierten und der damit zusammenhängende
Menschenhandel sind strafbar nach Artikel 250a Strafgesetzbuch. Es wird
aktiv dagegen ermittelt und strafrechtlich vorgegangen.
Die Bekämpfung des Menschenhandels und anderer Formen der
Ausbeutung von Prostituierten sowie der Beschäftigung minderjähriger
Prostituierter hat bei der niederländischen Polizei und Justiz hohe Priorität.
Nicht nur in den Niederlanden werden Projekte zur Verhinderung und zur
Bekämpfung von Menschenhandel durchgeführt. Auch auf europäischer
Ebene hat das Thema hohe Priorität. So wurde im Jahre 2003 ein EU-
Expertenteam für Menschenhandel zusammengestellt, und in den
Herkunftsländern der Opfer organisierte die EU Informationskampagnen.
Europol unterstützt operative Maßnahmen und Forschungsprojekte in den
EU-Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet und untersucht, welche polizeilichen
Methoden die größten Erfolge versprechen.
Als eines von wenigen EU-Ländern haben die Niederlande seit 2000 einen
unabhängigen Berichterstatter für Menschenhandel, der die Regierung
jährlich über Art und Umfang des Menschenhandels in den Niederlanden
informiert.
17 Welche ausländischen Prostituierten arbeiten legal und welche
illegal?
Personen aus Nicht-EU- bzw. Nicht-EWR-Staaten, die nicht über einen
gültigen Aufenthaltstitel verfügen, der es ihnen erlauben würde, in den
Niederlanden einer bezahlten Arbeit nachzugehen, dürfen sich hier
selbstverständlich auch nicht prostituieren. Zu denken ist dabei etwa an
Personen mit einem Touristenvisum oder aus nicht visumpflichtigen
Ländern, die sich maximal drei Monate in den Niederlanden aufhalten
dürfen.
Bürger – also auch Prostituierte – aus Ländern, die ein
Assoziierungsabkommen mit der EU geschlossen haben (Bulgarien und
Rumänien), können sich als selbstständige Unternehmer in den
Niederlanden niederlassen, wenn sie die Bestimmungen erfüllen, die auch
für alle anderen Unternehmer gelten (Eigenkapital, Unternehmensplan,
persönliche Kenntnisse und Fähigkeiten u. Ä.), und über eine
entsprechende Genehmigung verfügen. Auf keinen Fall darf ein
Beschäftigungsverhältnis vorliegen.
Das Gesetz über die Arbeit von Ausländern untersagt es Prostituierten, die
nicht aus den 15 „alten“ EU-Ländern stammen (Belgien, Dänemark,
Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland,
Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und
Spanien), Beschäftigungsverhältnisse einzugehen. Für Prostituierte aus
Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und
Slowenien (im Mai 2004 der EU beigetreten) gilt mindestens bis zum 30.
April 2006 eine Übergangsregelung. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen
Prostituierte aus diesen Ländern nicht als abhängig Beschäftigte in der
Prostitution tätig sein.
Prostituierte aus EU- bzw. EWR-Staaten dürfen in den Niederlanden
sowohl als Selbstständige wie auch als abhängig Beschäftigte tätig sein.
Durch ihre Erwerbstätigkeit erhalten sie Anspruch auf einen
Aufenthaltstitel.
Die Bekämpfung der illegalen Prostitution hat in den Niederlanden hohe
Priorität. Viele Kommunen sind auf diesem Gebiet sehr aktiv und führen
beispielsweise intensive Kontrollen zur Aufdeckung von
Scheinkonstruktionen durch. Ausländer, die sich illegal in den
Niederlanden aufhalten, müssen das Land nach dem Ausländergesetz
verlassen und können abgeschoben werden.
18 Erhalten Opfer von Menschenhandel Hilfe?
Prostituierte, die sich illegal in den Niederlanden aufhalten und Opfer von
Menschenhändlern sind, haben Anspruch auf Hilfe. Sie erhalten, wenn sie
Anzeige wegen Menschenhandels erstatten, für die Dauer des Verfahrens
eine Aufenthaltsgenehmigung. Diese Regelung dient dem Schutz der Opfer
und der Zeugen eines solchen Verbrechens. Nach Ablauf des Verfahrens
kann ihnen auch eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung aus
humanitären Gründen erteilt werden, wenn ihre persönlichen Umstände
dazu Anlass geben. Noch ist es nicht erlaubt, mit einer solchen
Aufenthaltsgenehmigung in den Niederlanden zu arbeiten, doch das soll
sich demnächst ändern.
Opfer von Menschenhandel haben eine Bedenkzeit von drei Monaten, in
der sie entscheiden können, ob sie Anzeige erstatten möchten. Während
dieser Zeit halten sie sich legal in den Niederlanden auf und haben unter
anderem Anspruch auf Betreuung, medizinische Versorgung sowie
finanziellen und juristischen Beistand.
19 Welche Interessenorganisationen und sonstigen Einrichtungen
befassen sich mit Fragen der Prostitution?
In den Niederlanden kümmern sich außer den Interessenvertretungen der
Prostituierten auch noch zahlreiche andere Organisationen um Fragen im
Zusammenhang mit der Prostitution. Nachfolgend sind einige davon
aufgeführt:
Die 1961 gegründete Mr. A. de Graaf Stichting befasst sich mit
unterschiedlichen Problemen der Prostitution in den Niederlanden. Sie berät
in Fragen der Prostitutionspolitik, regt Diskussionen an, führt
wissenschaftliche Untersuchungen durch, realisiert Projekte im Auftrag
Dritter und verfügt außerdem über ein großes Informations- und
Dokumentationszentrum.
Die Stiftung zur Bekämpfung sexuell übertragbarer KrankheitenSoa Aids
Nederland koordiniert die Aufklärung über Aids und andere sexuell
übertragbare Krankheiten im Prostitutionssektor. Die Informationen sind in
erster Linie für bestimmte Zielgruppen gedacht, z. B. zugewanderte,
drogenabhängige und transsexuelle Prostituierte.
Die landesweit tätige Organisation De Rode Draad vertritt die Interessen
von aktiven und ehemaligen Prostituierten. Sie fordert die Anerkennung der
Prostitution als Beruf mit allen damit verbundenen Rechten für die
Prostituierten und arbeitet auch mit dem Gewerkschaftsbund FNV
zusammen.
Die Stiftung gegen FrauenhandelSTV fungiert als zentrale Meldestelle für
Frauenhandel und bietet Opfern Unterstützung an.