Gerade im TV auf 3 Sat....

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Gerade im TV auf 3 Sat....

Beitrag von ETMC »

http://www.3sat.de/delta/

Sex sells
Das lukrative Geschäft mit der Prostitution



Sex sells - aber wer kauft schon Sex? Angeblich so gut wie niemand. Tatsächlich aber nehmen täglich über eine Million deutscher Männer die Dienste professioneller sexueller Triebabfuhr in Anspruch. Die rund 400.000 Prostituierten, die in Deutschland arbeiten, tragen dabei nach Auskunft von Psychologen nicht unerheblich zur Entspannung des sozialen Klimas bei. Das hat eine traurige Tradition: Bereits im Dritten Reich nutzte Heinrich Himmler die Prostitution als Mittel zur Motivation und Leistungssteigerung.

Heute erwirtschaften die deutschen Prostituierten, die in der Gewerkschaft Verdi als besondere Dienstleisterinnen organisiert sind, rund sechs Milliarden Euro pro Jahr. Seit 2002 regelt in Deutschland das Prostitutionsgesetz sexuelle Dienstleistungen. Faktisch sind die Arbeitsbedingungen der Prostituierten jedoch höchst unterschiedlich und ein einheitlicher gesetzlicher Schutz ist kaum gewährleistet. Die Frauen arbeiten als Selbstständige und Angestellte, als Wander- und Gelegenheitsprostituierte sowie als so genannte "Edelhuren“. Kaum einzuschätzen sind Anzahl und Arbeitsbedingungen der aus ihrer Heimat verschleppten Zwangsprostituierten. Und mit schlechten Arbeitsbedingungen, Gewalt und Krankheiten sind Prostituierte nicht nur in Dritte-Welt-Ländern oder Kriegsgebieten konfrontiert. Das Gesetz stellt zwar eine erste Verbesserung dar, doch nun müssen weitere Schritte folgen.

delta beschäftigt sich mit dem aktuellen Status Quo, der Gesetzeslage, Dunkelziffern und Abhängigkeiten sowie den bestehenden Probleme im Zusammenhang mit Prostitution in Deutschland und Europa. Wie gut wurden die angestrebten Verbesserungen angenommen? Wem nutzen die Dienste von Prostituierten? Was suchen Männer - denn nur selten handelt es sich um Frauen - bei Prostituierten, das sie im sonstigen Leben nicht finden? Und welches Selbstverständnis haben die Sexdienstleisterinnen von ihrer Arbeit?

Die Gäste der Sendung

Sabine Grenz, Genderforscherin, Graduiertenkolleg Humboldt-Universität
Valentin Landmann, Anwalt, Autor und Kenner des Milieus
Lisa Moos, Ex-Prostituierte und Autorin

Die Themen der Sendung

Einblicke ins Milieu
Wenn die Geschäfte schließen, erwacht in vielen deutschen Großstädten das Gewerbe der Prostitution erst richtig zum Leben. Etwa eine Million Männer sind es jeden Tag, die nicht brav zu Bett gehen



Lieber anonym bleiben
Die Reeperbahn im Hamburger Rotlichtviertel St. Pauli ist ein Anziehungspunkt für Touristen und Freier. Nach Schätzungen arbeiten hier 2300 bis 6000 Prostituierte. Der tägliche Umsatz liegt bei zirka 800.000 Euro


Brauchen Männer ein Ventil?
Die Prostitution gilt als das älteste Gewerbe der Welt, ein weltweiter Wirtschaftszweig, der immer Konjunktur hat. Huren gab es schon in Antike und Mittelalter und jahrtausendelang wurden Bordelle von Angehörigen aller Stände aufgesucht
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Einblicke ins Milieu

Beitrag von ETMC »

Einblicke ins Milieu
Das Geschäft läuft ab wie eh und je



Wenn die Geschäfte schließen, erwacht in vielen deutschen Großstädten das Gewerbe der Prostitution erst richtig zum Leben. Etwa eine Million Männer sind es jeden Tag, die nicht brav zu Bett gehen, sondern die käufliche Liebe in Anspruch nehmen. Bordelle, Clubs und den Straßenstrich - ein Gewerbe, dass der Ex-Zuhälter Andreas Marquardt noch gut kennt.

Das Geschäft läuft ab wie eh und je, erklärt Andreas Marquardt, der inzwischen Buchautor und solide geworden ist. "Die Damen stehen an der Straße und warten auf die schnelle Nummer", so Marquardt: "Freier halten, verhandeln und fragen nach Zeit, Preis und Ort. Im Auto geht es natürlich schnell, für zirka 50 Euro ist es in zehn, maximal 15 Minuten passiert." Etwa 400.000 Frauen gehen dem Gewerbe in Deutschland nach, zum Teil freiwillig, aber auch unter Zwang oder für Drogen. Drogen hat Marquardt bei seinen Frauen nie geduldet. Eine dieser Frauen ist Marion, die fast zehn Jahre für ihn gearbeitet hat. Sie ist erfahren und weiß meist schnell, was ein Freier erwartet. Auf die Frage, was für ein Typ Mann ein Freier ist, sagt sie: "Es gibt keine bestimmte Alters- oder Berufsgruppe. Von jung bis alt, vom Arbeiter bis zum Angestellten, Rechtsanwalt oder Ingenieur ist alles dabei. Gesucht wird in erster Linie der schnelle Sex. Nur manchmal suchen Männer ein Gespräch, sind frustriert oder wollen einfach etwas Zeit rumbringen."

Es sind nicht immer nur die Triebe
Doch das Straßengeschäft mag nicht jeder, denn das älteste Gewerbe der Welt ist immer noch mit vielen Tabus behaftet, so dass man nicht unbedingt im Rotlichtmilieu gesehen werden will. Wer die Öffentlichkeit meiden will und eine intimere Atmosphäre sucht, der geht in einen Club. Dazu ein Club-Gast: "Ich gehe sechs bis acht mal im Monat in einen Club, um Sexphantasien auszuleben, die mir zu Hause verwehrt bleiben. Dabei hat man immer ein bisschen die Befürchtung, dass man gesehen wird." Ein schlechtes Gewissen hat der Gast nicht. "Ich bin seit 15 Jahren glücklich verheiratet und trenne zwischen Sex und Liebe", sagt er. Auf den üblichen Sekt und eine kurze Verhandlung folgt der Gang auf das Zimmer der ausgewählten Dame. Dabei sind es nicht immer nur die Triebe, die Männer dorthin führen. "Viele Männer sind aus Einsamkeit hier, würden das aber nie zugeben", sagt eine Barfrau: "Aber wir sind ja zugewandte Wesen, und wenden uns gerne zu." Manche der zugewandten Wesen haben triftige Gründe, in einem Club oder einer Bar zu arbeiten. Und es hat Vorteile, denn die Frauen bekommen ein Mindestgehalt pro Stunde, unabhängig vom Gang aufs Zimmer und der Anzahl der Gäste. So zieht eine Club-Dame ihre Kinder, zwei und acht Jahre, ohne Vater auf, und ist auf den Verdienst angewiesen. Nach der Arbeit schläft sie etwa drei Stunden und steht dann auf, um ihre Kinder für Schule und Kindergarten fertig zu machen. Ein hartes Leben.

Angebot und Nachfrage
Auch der Konkurrenzkampf zwischen den Etablissements ist hart, denn alle versuchen, etwas Besonderes zu bieten. So gibt es zum Beispiel in Friedrichshafen am Bodensee ein Etablissement mit einem All-Inclusive-Angebot. Für 99 Euro kann der Gast hier alle halbe Stunde mit einer anderen Dame aufs Zimmer gehen, Verkehr und französisch inbegriffen. Zehn Stunden kann ein Gast im Hause verbringen - wenn er will. Auch Essen und nicht-alkoholische Getränke gehören zum Angebot dazu. Nur etwas Zeit muss sein. Wem Zeit und Muße fehlen, der kann sich im sogenannten Laufhaus umsehen. Hier warten die Frauen vor ihren Zimmern auf Kunden, und auch der Preis wird direkt an der Tür verhandelt. Zeit und Leistung bestimmen den Preis, besondere Wünsche kosten etwas mehr. Und nicht selten wird vom Freier die Peitsche verlangt. Eine Prostituierte bestätigt das und fügt hinzu: "Sado-masochistische Praktiken, Ketten, Halsbänder - hier findet jeder Kunde was er sucht." Je nach Wochentag sind die Besucher ältere Herren oder volljährige Buben. Allen gemein ist aber vor allem eins: Sie suchen garantierten Sex. Und der ist in so einer Bar auf jeden Fall gewährleistet.

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Beitrag von ETMC »

Lieber anonym bleiben
Das Prostitutionsgesetz und die Auswirkungen


Die Reeperbahn im Rotlichtviertel St. Pauli

Die Reeperbahn im Hamburger Rotlichtviertel St. Pauli ist ein Anziehungspunkt für vergnügungssüchtige Touristen und Freier. Nach Schätzungen arbeiten hier 2300 bis 6000 Prostituierte. Der tägliche Umsatz liegt bei zirka 800.000 Euro. Es ist ein lukratives Geschäft, das sich immer am Rande der Legalität bewegt. Auch fünf Jahre nach der Einführung des Prostitutionsgesetzes leben Prostituierte sozial und rechtlich immer noch in einer Grauzone und sind gesellschaftlich nicht anerkannt.

Arbeitsverträge für Sexarbeiterinnen?
Die Absicht, dass Sexarbeiterinnen Arbeitsverträge abschließen können, sich damit sozialversicherungspflichtig melden oder bei Bedarf Rechte einklagen können, hat sich nicht durchgesetzt. Prostituierte können diese Möglichkeiten kaum in Anspruch nehmen, selbst wenn sie es wollten. Die Sozialwissenschaftlerin Emilija Mitrović sagt: "Es gibt keine einheitliche Umsetzung in den Ländern und dadurch auch keine Rechtssicherheit, weder für die Bordellbetreiber, die zum Beispiel als Unternehmer ein Angestelltenverhältnis mit Prostituierten eingehen könnten, noch für die Prostituierten. Auch konnte das Gesetz die über Jahrtausende gewachsene Doppelmoral nicht beseitigen.“ Die Folgen dieser Doppelmoral: Will eine Prostituierte oder ein Bordellbesitzer einen Arbeitsvertrag abschließen, muss ein Gewerbeschein vorliegen, der von den Gemeinden vergeben wird. Doch ein zentraler Punkt des Gesetzes, die Aufhebung der Sittenwidrigkeit, wird im Gewerbe- und Gaststättenrecht nicht überall angewandt. Davon hängt aber die Vergabe von Gewerbescheinen ab. Erschwerend hinzu kommt, dass die Arbeitsverträge auf Niedriglohnbasis ausgelegt sind, das macht sie wenig attraktiv. Denn es ist häufig der finanzielle Anreiz, der viele der Frauen in die Prostitution treibt. Das führt dazu, dass Prostituierte lieber weiterhin anonym arbeiten wollen.

Hohe Ziele - wenig Erfolg
Wirtschaftlich gesehen ist der Prostitutionssektor erheblich bedeutender als bisher angenommen und könnte auch für den Staat von Interesse sein. Etwa 14,5 Milliarden Euro Gesamtumsatz werden jährlich in Deutschland erzielt, wovon unter anderem Hotel-, Gaststättengewerbe und Immobilienbranche profitieren. "Die dort Tätigen wollen in der Schattenwirtschaft arbeiten und entsprechend Steuern sparen", sagt der Ökonom Richard Reichel: "Es müsste ein Verfahren geben, beispielsweise einen Pauschalsteuerabzug beim Arbeitgeber, durch das Steuern eingenommen werden können. Dafür muss aber der ganze Sektor erfassbar gemacht werden, was nur geht, wenn man ihn legalisiert." Das Gesetz hat viele Ziele, aber nur wenige konnten erreicht werden. Bisher gibt es zum Beispiel auch keine Hinweise darauf, dass die Kriminalität zurückgegangen ist. Auch der Ausstieg aus der Prostitution, der stärker unterstützt werden sollte, gestaltet sich nach wie vor schwierig. Um die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, sind niedrigschwellige Ausstiegsprogramme erforderlich. Doch davon gibt es zu wenig. "Es gibt ein Qualifizierungsprojekt von 'Madonna' in Bochum zusammen mit der Mitternachtsmission in Dortmund", sagt Emilija Mitrović: "Aber sonst wurden alle Ausstiegsprogramme eingestellt, wegen fehlender Gelder. Auf der Ebene haben sowohl Bund, Länder und Gemeinden versagt.“

Widersprüchliche Gesetzeslage
Bleibt die Frage, welches Gesamtkonzept hinter dem Gesetz steht. Sperrgebietsverordnungen, mit denen Länder und Kommunen das Gesetz aushebeln können, oder das Verbot, für sexuelle Dienste zu werben, gibt es nach wie vor. Inwiefern diese Verbote mit dem Prostitutionsgesetz zu vereinbaren sind, wäre zu prüfen. Kritiker werfen dem Gesetz außerdem vor, es fördere Zwangsprostitution und Menschenhandel. Wie viele Zwangsprostituierte in Deutschland unter unwürdigen Bedingungen arbeiten, ist ungewiss. Sexarbeiterinnen, die als Migrantinnen illegal tätig sind, bräuchten ein Bleiberecht, wenn sie gegen gewalttätige Zuhälter aussagen wollen. Zudem müssten sie besser - auch in ihrer Muttersprache - über ihre Rechte aufgeklärt werden. Auf die Zwangsprostitution hat das Gesetz allerdings kaum Auswirkungen. "Die Zwangsprostitution muss auf strafrechtlicher Ebene bekämpft werden. Legalisierung von Prostitution richtet sich nur an die Sexarbeiterinnen, die freiwillig tätig sind“, sagt Emilija Mitrović.

Profitabler Prostitutionssektor
Der Prostitutionssektor ist ein Markt, der hohe Gewinne abwirft. Besonders in den von ihm abhängigen Wirtschaftszweigen. Auf dem Wohnungsmarkt beispielsweise sind die im Prostitutionssektor eingenommenen Mieten weitaus höher als in anderen Bereichen, denn es ist das Privileg der Vermieter, das wirtschaftliche Risiko durch entsprechend hohe Mieten zu kompensieren. Die nicht gewünschten Gewinne von Nutznießern der Prostitution sind daher nur schwer zu verhindern. "Man kann sie nur dann vermeiden, wenn man sie nach legaler Entstehung besteuert", so Richard Reichel. Doch auch hier bleibt die Frage, ob mit einem entsprechenden Gesetz die immer noch vorherrschende Doppelmoral und die Probleme des illegalen Marktes aufgehoben werden können. Bislang hat das Gesetz mehr Diskussionen entfacht, als Probleme gelöst. Der Gesetzgeber plant Nachbesserungen, zum Beispiel sollen Freier von Zwangsprostituierten und Minderjährigen strafrechtlich verfolgt werden. Ob das die richtigen Schlussfolgerungen aus dem bisherigen Scheitern des Gesetzes sind, bleibt abzuwarten.


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Brauchen Männer ein Ventil?

Beitrag von ETMC »

Brauchen Männer ein Ventil?
Formen der sexuellen Triebäußerungen


Die Prostitution gilt als das älteste Gewerbe der Welt, ein weltweiter Wirtschaftszweig, der immer Konjunktur hat. Huren gab es schon in Antike und Mittelalter und jahrtausendelang wurden Bordelle von Angehörigen aller Stände aufgesucht. Trotzdem galt und gilt die Prostituierte immer als gesellschaftliche Randfigur und der käufliche Sex als moralisches Problem.

Im Mittelalter entschuldigte die katholische Kirche unmoralisches Treiben mit der These, die Prostitution sei wie die Kloake in einem Palast: Keiner mag eine Kloake, so Thomas von Aquin, aber ohne sie, wäre das ganze Gebäude verseucht. Bis heute glauben viele, die Prostitution wirke wie eine Art Ventil, durch das sich ein Druck entlade, der sonst die Gesellschaft sprengen würde.

Züchtige Frau - triebgesteuerter Mann?
Diese These, so der Historiker Martin Lücke, ist so wirkungsmächtig, weil sie so simpel ist. "Ventilfunktion hieße, dass die Vorstellungen von männlicher, sehr triebhafter Sexualität gerade in der Prostitution ein Medium finden, um ausgelebt zu werden. Das ist heute sehr umstritten", sagt Martin Lücke: "Denn man kann Prostitution auch einfach als normales Angebot sexueller Dienstleistung verstehen - ohne die einhergehende Vorstellung einer Ventilfunktion oder der Sichtweise als Form sexueller Gewalt, beziehungsweise patriarchaler Unterdrückung von Sexualität." Die Prostituierte als selbstbewusste Sexarbeiterin oder als Opfer männlicher Machtstrukturen: Das sind Deutungsmuster, die die klassische abwertende Vorstellung von der Prostitution als notwendiges Übel ins Wanken bringen. Bequem war dagegen die an Freud angelehnte Vorstellung vom Trieb, der sich seinen Weg bahnen muss, um Krankheit oder Verbrechen zu verhindern. Doch wenn Huren nötig wären, damit die ehrbaren Frauen geschützt sind, müssten männliche und weibliche Sexualität sich prinzipiell unterscheiden: hier die züchtige Frau, dort der triebgesteuerte Mann. Doch so groß sind die Unterschiede gar nicht. "Betrachtet man die biologische Grundlage, die psychologischen Faktoren und die Einbettung in die Kultur, lässt sich feststellen, dass die Unterschiede bei allen Formen der sexuellen Triebäußerung bei Männer und Frauen tatsächlich nur sehr gering sind", sagt Lücke.

Bordelle folgen der Spur des Krieges
Dagegen spricht allerdings, dass Prostitution vor allem in gewalttätigen Zeiten die männliche Triebabfuhr regelt. Im Vietnamkrieg gingen schätzungsweise 200.000 Frauen auf den Strich - eine gigantische Sex-Industrie, gefördert durch die GIs. Auch heute noch folgen die Bordelle der Spur des Krieges. Fern der Heimat und nicht mehr eingebunden in die gewohnten Systeme sozialer Kontrolle finden sich die Soldaten in einer Ausnahmesituation wieder, in der ihnen die Freizeitangebote der Kneipen und Spielhallen offensichtlich nicht ausreichen. Als im ehemaligen Jugoslawien der Frauenhandel immer schlimmere Ausmaße annahm, forderten hierzulande einzelne Abgeordnete sogar offizielle Soldatenbordelle, um die illegale, brutale Ausbeutung von Zwangsprostituierten, wie sie bei Razzien immer wieder aufgedeckt wurde, einzudämmen. "Das Militär ist eine rein männliche Angelegenheit, und deshalb werden plötzlich Bordelle für Soldaten gefordert, um sexuelle Gewalt zu verhindern“, so Lücke: "Da scheint noch mal sehr schön diese Ventilsfunktionsthese durch." Mit der Ventilfunktionsthese wurden immer wieder grausame Exzesse der Gewalt gegen Frauen gerechtfertigt. Im zweiten Weltkrieg verschleppten die Japaner bis zu 300.000 sogenannte Trostfrauen, meist aus Korea, in ihre Militärbordelle.

Zeit für ehrlichere Erklärungsmodelle
In Deutschland war Heinrich Himmler verantwortlich für Zwangsprostitution im Konzentrationslager. Die Arbeitsmotivation der Häftlinge müsse durch Huren verbessert werden, forderte er: "Für notwendig halte ich allerdings, dass in der freiesten Form den fleißig arbeitenden Gefangenen Weiber in Bordellen zugeführt werden." In zahlreichen Lagern wurden Bordellbaracken errichtet. Ein Großteil der Frauen wurde mit dem Versprechen geködert, nach sechs Monaten Bordell in die Freiheit entlassen zu werden. Versprechen, die nie gehalten wurden. Die meisten Zwangsprostituierten wurden im Lager Ravensbrück rekrutiert. Bis zu 40 Männer am Tag mussten sie bedienen. Schwangere mussten sich brutalen Abtreibungen unterziehen oder wurden exekutiert. Als Ventil wirkten diese Bordelle mit Sehschlitzen für die Aufseher nicht. "Es gab bestimmte Regeln, zum Beispiel durfte beim Geschlechtsverkehr nicht gesprochen werden", sagt Martin Lücke: "Und aus den wenigen Zeugnissen, die von den Männern vorhanden sind, die das in Anspruch genommen haben, ist schnell zu sehen, dass die es nicht als Form sexueller Befreiung oder Entlohnung empfunden haben, sondern als Teil dieser sehr perfiden Herrschaftslogik der Konzentrationslager." Das Phänomen Prostitution ist vielschichtig, und mit dem simplen Ventilmodell wird man dem sicher nicht gerecht. Es ist Zeit, dass wir nach ehrlicheren Erklärungen dafür suchen, warum es Prostitution gibt - und was sie über unsere Gesellschaft aussagt.

oder web TV

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Wiederholung

Beitrag von ETMC »

wiederholung nächsten Sonntag ZDF Dokukanal
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Beitrag von Zwerg »

Besten Dank für die Info!!!

Liebe Grüße

Christian

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Beitrag von ETMC »

BITTE gerne, bin beim zappen drübergestolpert, cool finde ich besonders die web streems - sind genau so lange wie die sendung also kann mann/frau das gleich im web sehen

bemerkenswert die runde :
imposant die aussagen des anwaltes und auch der anderen anwesenden

ich habe noch NIE so eine vorurteilsfreie diskussion wie diese gesehen.....

und noch nie wurde das Thema (meiner bescheidenen meinung nach) so professionell in einer talkrunde aufbereitet....

einfach selbst die webstreams anschauen (link unter jedem Beitrag) und selbst ein Bild machen

oh wär das land des Donaustromes schon sooo weit wie die schwyzer und die germanen
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Beitrag von ETMC »

Beruf Hure
Eine ehemalige Prostituierte rechnet ab


Prostituierte in der Hamburger Herbertstraße

Seit der Reform des Prostituiertengesetzes vor drei Jahren ist dieser Beruf "ein Beruf wie jeder andere". Man könnte sagen, das war eine der wenigen "gelungenen" Reformen von Rot-Grün. Lisa Moos hat alle Höhen und Tiefen des Hurenlebens kennen gelernt und den Absprung geschafft. In ihrem Buch "Das erste Mal und immer wieder" rechnet sie ab.

Sex als Ware - bei Huren ist Liebe käuflich. 400.000 gibt es allein in Deutschland - ohne die Zwangsprostituierten aus dem Osten. Mehr als eine Million Mal täglich nehmen die Männer ihre Dienste in Anspruch. Jeder zweite war schon einmal bei einer. Trotzdem wird das älteste Gewerbe der Welt von der Gesellschaft totgeschwiegen. "Es hat immer noch mit der Frage zu tun, wie empfinde ich das, dass eine Frau so eine Arbeit tut", sagt Katharina Cetin, Sprecherin der Hurenorganisation Hydra. "Ist sie da tatsächlich freiwillig drin. Es wird sehr häufig in den Medien transportiert, dass das alles arme Opfer sind, was nicht der Fall ist."

Puffmutter und Domina
Als Opfer sieht sich die Ex-Prostituierte Lisa Moos nicht. Sie sagt, es wäre zu einfach, alles mit ihrem Stiefopa zu erklären, der sie als Elfjährige missbrauchte. 20 Jahre lang ging die heute 37-Jährige anschaffen: Sie war Hure in teuren Clubs und billigen Bars, Puffmutter und Domina. Sie hatte 6000 Mal Sex jeder Couleur. Vor vier Jahren stieg sie aus - vor zwei Jahren hat sie alles aufgeschrieben. Herausgekommen ist eine gut geschriebene, ehrliche Abrechnung mit dem "Milieu". Kein Klagelied auf die Prostitution, denn Lisa Moos weiß, das Milieu bietet auch Freundschaft und Geborgenheit.

Katharina Cetin gibt zu Bedenken: "Allerdings ist dieses Buch auch wie die Prostitution selber facettenreich. Sie hat sehr gute Erfahrungen gemacht, aber auch sehr schlechte - das muss auch benannt werden. Das finde ich sehr positiv." Cetin arbeitet für Hydra, eine Selbsthilfeorganisation für Huren, die 1980 in Berlin gegründet wurde.

Prostituierte haben sich organisiert
Die Idee, sich zu organisieren, hatten französische Huren. Fünf Jahre zuvor besetzten sie Frankreichs Kirchen, um für ihre Rechte zu kämpfen und auf ihre unhaltbaren Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen. Die so genannten Anständigen sollten nicht weiter wegschauen. Hydra feiert ihr 25-jähriges Bestehen mit einer Ausstellung: Vorurteile sollen abgebaut und die Neugierde soll befriedigt werden.

Hydra berät Frauen - sowohl beim Einstieg in das Gewerbe, als auch beim Ausstieg, bietet Krisenberatung und Gesundheitsaufklärung. Letzteres vor allem in den 80er Jahren, als Aids aufkam. Mit dem 2002 eingeführten Prostitutionsgesetz, für das Hydra lange gekämpft hatte, wurde die Sittenwidrigkeit abgeschafft. Dadurch können Prostituierte ihren Lohn einklagen und sich kranken- und rentenversichern.

Bei Hydra will man allen Frauen helfen - unabhängig davon, ob sie in der Prostitution arbeiten müssen oder wollen. Lisa Moos will nicht mehr. Sie versuchte schon viele Male vorher auszusteigen, aber erst jetzt fühlt sie sich stark genug, nicht mehr zurückzukehren. Prostitution sei ein faires Geschäft Geld gegen Sex, meint sie. So viele Ehen existierten in der "seriösen Welt" mit finanziellen und emotionalen Abhängigkeiten. Sie sei eine gute Hure gewesen, habe manche Ehe gerettet. Sie glaubt, dass Frauen wie sie einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Ihr Buch soll die Sicht der Gesellschaft auf das Milieu verändern.


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http://www.3sat.de/dynamic/webtv/webtv_ ... 24_moos.rm
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Beitrag von ETMC »

denke das wäre was für die zeitung......
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Beitrag von Zwerg »

Danke - ja ich habe auch daran gedacht, wie ich die Beiträge gelesen habe - nur sitze ich zur Zeit zwischen 3 Computern und setze ein Laptop auf (ich siedle von meinem alten Schlepptop mit 8 Mailadressen und ca. 40 FTP-Accounts und noch einigem mehr um.... - also wird es wahrscheinlich Morgen werden, bis ich auf der Zeitung was reinstelle (sollte mich bis dahin nicht der Um- Schlag getroffen haben)

Christian

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annainga
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Beitrag von annainga »

@ETMC

sehr interessante artikel und sendung! du hast recht, wenig vorurteile, gelassene atmosphäre, in der sich wissenschaftler und moderator mit (leider nur) einer und das auch nicht mehr tätigen sexarbeiterin auseinandersetzen.

auch wenn keine sexarbeiterin an dem gespräch teilnahm, sind doch einige sehr spannende themen in meinen augen sehr passend dargestellt worden.

z.b. hat valentin landmann verstehbar und logisch erklärt, warum eine freierbestrafung zwangsprositution und preisverfall fördert.

für mich nicht verständlich lehnt die ex-sexarbeiterin lisa moos gesetze ab. sie glaubt nicht, gesellschaftliche akzeptanz damit zu erreichen. ich weiß, sie irrt sich damit sehr. ich erlebe im umgang mit behörden genau dieses. deren (gesetzlich erzwungene akzeptanz) überträgt sich auf die gesellschaft.

auch für mich ein spannendes thema: wieso nutzen männer käuflichen sex und nicht frauen? triebhaftigkeit, bewegungsmöglichkeiten (finanzieller und zeitlicher art), biologische gründe wurden hier unter anderem genannt.

also jede menge themen für neue diskussionen!

danke @ETMC und liebe grüße von annainga