Türkei: Ex-Prostituierte will ins türkische Parlament

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Alena
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Türkei: Ex-Prostituierte will ins türkische Parlament

Beitrag von Alena »

Wahlkampfauftakt in einem Bordell von Istanbul

Ex-Prostituierte will ins türkische Parlament, um für die Rechte von "Sex-Sklavinnen" zu streiten

VON GERD HÖHLER



Ayse Tükrükcü will ins türkische Parlament - nicht auf die Besuchertribüne sondern auf einen der 550 roten Ledersessel für die Abgeordneten. Die 40-jährige bewirbt sich bei der Parlamentswahl am 22. Juli um ein Mandat. Sie ist eine von 764 unabhängigen Bewerbern, die ohne Unterstützung einer politischen Partei kandidieren. "Mich will keine Partei", sagt Tükrükcü.

Sie ist eine ehemalige Prostituierte. Das war kein freiwillig gewählter Beruf. Ihr Ex-Ehemann zwang sie zum bezahlten Sex mit anderen Männern und kassierte ab. Gemeinsam mit der ehemaligen Berufskollegin Saliha Ermez will Ayse bald in der Großen Nationalversammlung auf die Lebensbedingungen der Zwangsprostituierten aufmerksam machen und für die Rechte der "Sex-Sklavinnen", wie sie sagt, zu streiten.


Ihren Wahlkampf begannen die Frauen vor einem Istanbuler Bordell. Sie posierten mit einem großen Plakat. "Wir laden die Führer der politischen Parteien zu einem Besuch im Bordell ein", stand darauf. "Wir wollten den Parteivorsitzenden zeigen, unter welch schlimmen Bedingungen Prostituierte leben", erklärt Tükrükcü. Die Führer der vier größten Parteien habe sie persönlich eingeladen, darunter auch Ministerpräsident Tayyip Erdogan.

Aber gekommen ist natürlich keiner. Deshalb überlegen Tükrükcü und Ermez jetzt, ob sie nicht gemeinsam mit einigen Prostituierten die Parteivorsitzenden aufsuchen sollen. Für Ayse Tükrükcü war das Ausbleiben der Parteichefs nicht die einzige Enttäuschung. Vor zehn Tagen entschied der Istanbuler Wahlleiter, dass sie nicht kandidieren dürfe. Der Grund: eine Vorstrafe aus dem Jahr 1993. Damals hatte Tükrükcü wegen illegaler Prostitution 22 Tage im Gefängnis verbringen müssen. Die Entscheidung fand sie empörend: "Einerseits hat der Staat mich als Prostituierte registriert und Steuern von mir kassiert, andererseits heißt es nun, meine Kandidatur bringe Schande über die Türkische Republik".

Tükrükcü legte Beschwerde ein. Unterstützt wird sie von der Organisation Pembe Hayat (Rosa Leben), die sich für die Rechte der Prostituierten einsetzt. "In diesem Land gibt es tausende Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden, und keiner kümmert sich um ihre Rechte", sagt Buse Kilickaya, die Vorsitzende von Pembe Hayat. Ayse Tükrükcü kündigte an, sie werde "notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen", um sich das Recht auf eine Kandidatur fürs Parlament zu erkämpfen. Doch das wird nicht nötig sein: Der oberste Wahlrat (YSK) entschied jetzt, dass Ayse Tükrükcü für die Nationalversammlung kandidieren darf.

Quelle: Frankfurter Rundschau FR-Online v. 25.06.07