Polizei und Gesundheitsamt fragen nach Telefonnummer???

Abgesehen vom Fehlen der nötigen Hilfsinstitutionen für Sexworker findet hier auch alles Platz, was ihr an bestehenden Einrichtungen auszusetzen habt oder loben wollt
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Zwerg
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Polizei und Gesundheitsamt fragen nach Telefonnummer???

Beitrag von Zwerg »

Da wieder gehäuft verunsicherte SexarbeiterInnen bei uns anrufen, frage ich mal öffentlich....

Warum fragt die (uniformierte) Polizei bei einer Kontrolle SexarbeiterInnen nach Mailadresse und Telefonnummer???
Warum fragt das Gesundheitsamt bei jedem Termin ebenso nach diesen (doch sehr persönlichen) Daten???
Wo und warum - und vor Allem:
Auf Grund von welcher rechtlicher Basis werden hier Daten gesammelt
und wer garantiert, dass diese nicht missbraucht werden?

Auf Nachfrage von SexarbeiterInnen erhält man zumeist ein Schulterzucken und Kommentare "das müssen wir fragen" - oder manchmal auch eine Erklärung, welche auch wieder hinterfragenswert ist! Die Erklärung lautet:"Damit wir sie erreichen, wenn bei ihrer Untersuchung was nicht stimmig ist..."

Und jetzt spätestens beginne ich mir Sorgen zu machen! Wer garantiert, dass die Mails, welche das Gesundheitsamt durch die Lande schickt, tatsächlich nur von der betroffenen SexarbeiterIn gelesen werden? Auch wenn der Text unverfänglich sein sollte, so ist er doch immer noch verfänglich genug. Man stelle sich vor, dass jemand Unbefugter zu lesen bekommt "Sehr geehrte Frau Sowieso, melden Sie sich umgehend beim STD-Ambulatorium!!! Genauso ist eine SMS nicht sicher genug um derartige Infos auf diesem Weg zu übertragen!

Ich denke, dass die Verantwortlichen endlich einmal begreifen, wie sehr ihr tun sich auf das Leben Anderer negativ auswirken kann! Wenn es gesetzlich gedeckt sein sollte (was ich mir nicht wirklich vorstellen kann), so ist der Gesetzgeber gefordert! Wenn es (wieder einmal) eine Eigeninitiative von Jemand sein sollte, der diesen Schritt veranlasst hat, so sollte er an die gesetzlichen Bestimmungen bzgl. sorgfältigen Umgang mit Daten und deren Schutz einhalten!

Schön langsam ist es nicht mehr auszuhalten, was sich da abspielt! Wenn mich ein Polizist bei einer Verkehrskontrolle nach meiner Telefonnummer oder Mailadresse fragen sollte, so würde ich ihn wahrscheinlich fragen, ob er seine Tabletten genommen hat. Das sind persönliche Daten, welche nicht so einfach abgefragt werden können.

christian knappik
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deernhh
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Re: Polizei und Gesundheitsamt fragen nach Telefonnummer???

Beitrag von deernhh »

Da rege ich mich furchtbar auf!
Da wird mit Holzhammermethode den Sexworker* innnen noch zusaetzlich Angst gemacht.
Die Behoerden denken, wir SW sind rechtlich nicht gut informiert und fragen uns nach intimsten Daten und wir sollen vor ihnen sprichwoertlich die Hosen runterlassen.

Wozu muessen wir z. B. bei Behoerdenterminen, um einen Hurenausweis zu bekommen, eine Meldeadresse vorweisen, mit Bestaetigung vom Einwohnermeldeamt, das nicht alter als 3 Monate zu sein hat?
Ich habe damals vorsichtshalber zusaetzlich meinen Mietvertrag mitgenommen. Genau danach hat die Beamtin auch gefragt.

Liebe SW: Wenn ihr nach Telefonnummer und Mailadresse gefragt werdet, dann sagt einfach:

"Sie sind rechtlich nicht befugt, sich danach zu erkundigen. Ich habe meine Post- und Meldeadresse hinterlassen. Bei Fragen etc. schreiben Sie mir einen Brief. Jede andere Behoerde, auch z.B. eine Verkehrsbehoerde macht das genauso."

Ich glaube, sie wollen unsere Telefonnummer, um uns im Internet bei unseren Werbeanzeigen hinterher forschen und kontrollieren zu koennen und uns dann als angebliche Scheinkunden besuchen.

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deernhh
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Re: Polizei und Gesundheitsamt fragen nach Telefonnummer???

Beitrag von deernhh »

Uebrigens darf die Polizei nicht kontrollieren, sondern nur noch die Beamten, die die Hurenausweise ausstellen bzw. ausgestellt haben!

Ich glaube zudem auch, dass momentan "Kompetenzgerangel" zwischen der Polizei und den Behoerden, die die Hurenausweise ausstellen, besteht, also was Macht, Befugnisse usw. anbetrifft, also wer darf was, wer darf was nicht. Die Grenzen werden bei uns Sexworker*innen gerne ueberschritten.

Schlimm!

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Re: Polizei und Gesundheitsamt fragen nach Telefonnummer???

Beitrag von Mondfrau »

@Christian - wäre ich noch aktiv und auf Diskretion bedacht, wäre mir persönlich eine Mail oder SMS deutlich lieber als Post in Briefform. Meiner Ansicht nach kann da noch viel mehr schiefgehen. Partner, Kinder, neugierige Nachbarn.... dann lieber ein diskreter Anruf oder eine Mail, denn auf meinen Mailaccount oder zu meinem Handy haben weniger Leute Zugang als zu meinem Briefkasten. Sorry, ich denke eher, dass das ein Versuch ist, genau diese geforderte Diskretion zu gewährleisten. Alternative wäre ein hochoffizieller Brief (womöglich per Einschreiben) oder gar ein Hausbesuch mit gerichtlicher Überstellung (bei Verkehrsdelikten in D gar nicht so unüblich, weil Du das Beispiel brachtest). Ich denke, dass diese Art der Datenabfrage dazu gedacht ist, die Dinge zu vereinfachen und zu beschleunigen - für alle Beteiligten. Natürlich kann man auf dem Postweg bestehen. Bleibt die Frage, ob damit irgendwem geholfen ist?

Grüßerle!
Michaela
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Re: Polizei und Gesundheitsamt fragen nach Telefonnummer???

Beitrag von Zwerg »

deernhh hat geschrieben:
30.06.2018, 07:08
Uebrigens darf die Polizei nicht kontrollieren, sondern nur noch die Beamten, die die Hurenausweise ausstellen bzw. ausgestellt haben!
In Österreich ist die Polizei das kontrollierende Organ für "Kontrollprostituierte" (Amtsausdruck für registrierte SexarbeiterInnen.
Mondfrau hat geschrieben:
30.06.2018, 08:30
@Christian - wäre ich noch aktiv und auf Diskretion bedacht, wäre mir persönlich eine Mail oder SMS deutlich lieber als Post in Briefform.
Kann ich mir auch gut vorstellen - jedoch geht es mir in erster Linie darum, dass hier wieder einmal "Sonderbehandlungen" eingesetzt werden, welche bei anderen StaatsbürgerInnen undenkbar sind. Im Wiener Prostitutionsgesetz ist zum Beispiel verankert, dass die Polizei beim Verdacht der illegalen Prostitution Zutritt zu Gebäuden und Teilen von Gebäuden mit Gewalt durchsetzen kann. Wir befinden uns in Österreich beim Delikt der "Geheimprostitution", im Verwaltungsrecht - und Teile von Gebäuden heißt im Klartext "Privatwohnungen"

Bei jeder anderen Bevölkerungsgruppe würde man aufheulen, da dies eine eindeutige Verletzung der Privatsphäre beim einem schwammigen Verdacht darstellt. Und das kann es eben nicht sein. Sexarbeit ist, obwohl sie gegen Entgelt ausgeführt wird, immer noch eine höchst intime Angelegenheit zwischen (in der Regel) 2 Personen, welche einvernehmlich Sex haben. Eine Sittenpolizei mit Sonderbefugnissen, die zu jeder Zeit in Wohnungen eindrigen kann. ist mir ein Graus!

Um wieder auf Telefonnummer und Mail zurückzukommen: Die Frage ist: Dürfen die denn das? Und dürfen sie es bei Allen, oder ist es wieder eine Sondermaßnahme gegen SexarbeiterInnen? Und genau hier liegt die Diskriminierung begraben.

Liebe Grüße

christian

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Re: Polizei und Gesundheitsamt fragen nach Telefonnummer???

Beitrag von Mondfrau »

Und dürfen sie es bei Allen, oder ist es wieder eine Sondermaßnahme gegen SexarbeiterInnen? Und genau hier liegt die Diskriminierung begraben.
Ich persönlich bin dahingehend informiert, dass sie zwar fragen dürfen (klar, fragen darf man immer), aber in D kein Anspruch auf Herausgabe von Daten besteht, die der allgemeinen Meldepflicht nicht unterliegen. Man muss eine ladungsfähige Wohnadresse angeben, alles was darüber hinausgeht ist freiwillig. Wobei "freiwillig" auch nur so lange gilt, wie die Mitarbeiter der Behörde korrekt sind und betreffender Person keine Schwierigkeiten machen. So ein Sittenwächter kann einem ja auch ganz schönen Ärger an den Haaren herbeiziehen.

Wobei in diesem speziellen Falle, ich mich frage, ist das eine Diskriminierung oder eher ein Serviceangebot? So könnte man das ja auch interpretieren. Ich könnte mir vorstellen, dass die Sittenwächter sich auch mit den Frauen unterhalten und nicht alle von denen sind Är****. Die, die keine sind, könnten durchaus schon öfter die Befürchtungen zu hören bekommen haben, dass Post, die im Briefkasten liegt, eher als unangenehm empfunden wird, weil..... Womöglich ist daraufhin einer dieser Leute auf die Idee gekommen nach besagten Alternativdaten zu fragen und es hat sich bewährt.

Will meinen, Gesetze sind das Eine, Praxis das Andere. Das sieht man ja auch am neuen Schutzgesetz.

Liebe Grüße zurück. :-)
Michaela
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Re: Polizei und Gesundheitsamt fragen nach Telefonnummer???

Beitrag von Zwerg »

Mondfrau hat geschrieben:
30.06.2018, 12:49
Womöglich ist daraufhin einer dieser Leute auf die Idee gekommen nach besagten Alternativdaten zu fragen und es hat sich bewährt.

Will meinen, Gesetze sind das Eine, Praxis das Andere. Das sieht man ja auch am neuen Schutzgesetz.
Selbst wenn wir sagen, PolizistInnen sollen ihre eigenen Ideen bei Amtshandlungen (Kontrolle von Prostituierten) einbringen, sich selbst also über das Gesetz stellen - schon damit kann ich absolut nicht leben und die SexarbeiterInnen welche deshalb bei uns anrufen auch nicht - so bleibt immer noch die Frage, wer diese Daten sieht, bewahrt, verarbeitet bzw. an das Gesundheitsamt weiterleitet. Ob die Daten dann (bei der Polizeistation) vernichtet werden, oder etwa archiviert?

Nach den Berichten zu schließen, werden die Telefonnummern bzw. Mailadressen auf einem Zettel (Block) aufgeschrieben. Das sind höchst sensible Daten - aus welchen direkt der Zusammenhang zwischen privater Telefonnummer (genau danach fragen sie) und dem Kampfnamen bzw. Arbeitsort der SexarbeiterIn herzustellen ist! Und genau dieser Kampfname wird auch notiert! Bei einer normalen Kontrolle geschieht das nicht.

Gerade in Zeiten in welchen über Datenschutz und der missbräuchlichen Verwendung besondere Bedeutung zugemessen wird, sollte dies auch für SexarbeiterInnen gelten. Wie gesagt: Wer würde sich das bei einer Verkehrskontrolle bieten lassen, dass der/die amtshandelnde PolizistIn auf einem Schmierzettel einen Spitznamen und eine private Telefonnummer oder Mailadresse notiert?

Wobei: Ich glaube nicht, dass da PolizistInnen wirklich der Vorwurf zu machen ist - ich denke, dass die Sache "von oben konzertiert wird", dass es also eine Weisung gibt - und genau die möchte ich hinterfragen.

Ein Mitgrund für mein jetziges Unwohlsein in der Sache: Vor einigen Wochen gab es von einem hochrangigen Polizeibeamten (der für Prostitution zuständig ist) "Einladungen zu einem persönlichen Gespräch" (welche man unter Umständen auch als Vorladung sehen könnte) zu InternetportalbetreiberInnen (sexworker.at war - wem wundert es - nicht betroffen und dies nicht nur, weil wir keine Werbung schalten). In diesem Schreiben ging es sinngemäß um die Strafbarkeit von InternetportalbetreiberInnen (vorwiegend Annoncenplattform) wenn sie nicht überprüfen, ob die Anzeigen welche auf der Webseite des/der Jenigen erscheinen, legale Angebote (von SexarbeiterInnen - also ob registriert oder nicht, oder Bordellbewilligung vorhanden) beinhalten.

Soweit ich weiß, wurden die Treffen aber kurzfristig, mit dem Hinweis (der Drohung) versehen, man würde bzgl. der möglichen Strafbarkeit sich im Herbst nochmals melden.

Nunmehr das Problem: Diese Plattformen bieten zum Teil die Möglichkeit anonym (kostenlos) zu annoncieren - und dies betrifft jetzt nicht ausschließlich SexarbeiterInnen - viele große Anbieter haben alle möglichen Angebote und unter Anderem auch "Erotikrubriken" - die obige Vorgehensweise (Jemand unter Strafverdacht zu stellen, der nur am Rande mit Sexarbeit zu tun hat) ist ein Rückschritt in eine Zeit wo jegliche Unterstützung sexueller Dienstleistungen als "Zuhälterei" oder Ähnliches gesehen wurde. Jetzt gibt es zwei Mögichkeiten: In die Knie gehen und versuchen "Kopien der Hurenausweise (Deckel, Gesundheitsbuch) zu erhalten. Wird, davon abgesehen, dass es wieder einmal höchst sensible Daten sind - nicht funktionieren. Oder eben die Rubrik Erotik entfernen. Beide Fälle schädigen in erster Linie SexarbeiterInnen.... Und jetzt wieder, wie schon so oft in diesem Thread die Frage nach der rechtlichen Deckung dieser Geschichte. Im Gesetz finde ich eine derartige "Amtshandlung" nicht - ich bin aber kein Jurist, also frage ich danach, weil ich mir das als Staatsbürger dieses Landes nicht vorstellen kann - und auch nicht will.

Ein weiterer Punkt, der meine persönliche Einstellung unterstreicht: Ich sehe Jeden der eine App macht, oder auch eine Webseite bzw. Werbung gegen Entgelt umsetzt, als BetreiberIn UND habe absolut kein Problem damit. Nur wenn eben genau diese Personen "im Namen des Staates" am Gesetz vorbei Kontrollpflichten oder auch Kontrollbefugnisse bekommen, so ist das in meinen Augen heikel. Abgesehen von LokalbetreiberInnen welche ihre Konzession verlieren (auch diese Verknüpfung ist bereits bedenklich), so sind WebseitenbetreiberInnen weder geeignet noch qualifiziert mit sensiblen Daten konfrontiert zu werden - und schon gar nicht als staatlich gezwungen Kontrollore. Wenn man hier nicht jetzt nachfragt, so sind wir wieder an diesem Punkt, wo jede Zeitungsannonce oder auch ähnlich Lapidares zum Gefahrenpunkt wird.

Man darf nicht vergessen: Speziell das Wiener Prostitutionsgesetz verhindert (!) selbstbestimmtes Arbeiten ohne BetreiberIn.. Sämtliche Bereiche, welche in anderen Ländern durchaus problemlos funktionieren, sind hier in die Illegalität gedrängt. Hier ist nur der Straßenstrich (an 2 Orten in Wien welche ungeeigneter nicht sein können) erlaubt. Und das Arbeiten in ca. 400 konzessionierten Bordellen. Dem stehen aber mehr als 3 300 registrierte SexarbeiterInnen gegenüber. Die meisten Lokale in Wien bieten 2 oder 3 Zimmer. Dann sind da noch ca 10 mittelgroße Laufhäuser und das war es dann schon. Das geht sich nicht aus - kann sich nicht ausgehen, Alle anderen Bereiche der Sexarbeit (Wohnung, Escort, Sexualbegleitung, Tantra und noch Vieles mehr) sind illegalisiert.

Für die Sicherheit aller SexarbeiterInnen wäre es anzuraten an eine Ausweitung der Möglichkeiten zu denken - Manche wollen oder können nicht mit BetreiberInnen zusammen arbeiten. Wollen nicht, dass wer mitverdient (vielleicht weil sie nur 2 bis 3 Jobs im Monat machen - da kenne ich Einige). Und genau diese Gruppe (welche auf Grund der gesetzlichen Lage weitaus größer ist) treibt man mit solchen Ansinnen (Webportale überprüfen den Deckel) noch weiter in die Illegalität - und gefährdet sie somit. Wer keine Recht hat ist leichter auszubeuten. Wer die Möglichkeit hat im legalen Bereich zu arbeiten, kann sich im Falle eines Übergriffes an die Behörde wenden.

Ich bin der Letzte der sagt "Vurschrift is Vurschrift" - aber gerade bei diesem Thema sollten wir nicht die Vorgehensweise, sondern die Vorschrift (und deren Gesetzmäßigkeit oder auch das Gesetz selbst) hinterfragen.

christian
Zuletzt geändert von Zwerg am 30.06.2018, 13:46, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Polizei und Gesundheitsamt fragen nach Telefonnummer???

Beitrag von Lucille »

In Deutschland wurde mit dem Schikaniergesetz ProstSchG gleichzeitig auch die Mitführpflicht des Personalausweises, resp. Reisepaß plus Aufenthaltspapiere, nach dem Schwararbeitsgesetz eingeführt. Mehr geht auch eine kontrollberechtigte Person bei einer legalen Kontrolle nicht an.
Wenn ich als Staatsbürger mit einer Dienststelle einen Termin vereinbare, dann ist es immernoch meine Entscheidung ob ich dieser eine zeitsparende Kontaktalternative wie eine Telefonnummer für eventuelle Terminänderungen anbiete.
Wenn ich das aus eigener Bequemlichkeit tun möchte, dann gebe ich garantiert keinerlei Nummern, E-Mailadressen oder sonstiges mit meinem Arbeitsnamen verbundenes an sondern maximal die mit meiner Paß-Identität verbundene.

Ob ich nun als Chantal oder Petra oder Raupe Nimmersatt werbe und Männern den Kopf verdrehe - das geht Staatsdiener nun wirklich nichts an … ( und ich biete denen auch keine kostenlose Wichsvorlagen).

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Re: Polizei und Gesundheitsamt fragen nach Telefonnummer???

Beitrag von Mondfrau »

Christian, wie gesagt, soweit ich weiß, ist die Herausgabe von Daten, die über die reine Meldeadresse/Personalienaufnahme hinausgehen, in D freiwillig. Insofern fällt es meiner Ansicht nach unter Eigenverantwortung eines SW, sich zu informieren und ggf. auf stur zu schalten, mit dem Hinweis auf die Rechtslage und der Aufforderung, dass betreffende Amtspersonen sich gerne postalisch rühren können. Fertig. Ich sehe da weder Diskriminierung noch sonst irgendwas. Die Polizei hat mich schon öfter nach meinen virtuellen und telefonischen Kontaktdaten gefragt und zwar ohne zu wissen, dass ich mal Prostituierte war. Sei es, wenn ich eine Anzeige aufgab (um den Ablauf zu beschleunigen) oder als Zeugin für etwas. Natürlich ist man nicht verpflichtet diese heraus zu geben. Dann sagt man das und bekommt ggf. Post.

Ich kann hier kein Problem erkennen, nur eine schlichte Frage, die man nicht beantworten muss. Hier eine Ungleichbehandlung zu konstruieren halte ich nicht für dienlich. Was ist denn mit den SW, die froh sind über diese Möglichkeit? Will man denen das kaputtmachen, nur wegen der Gleichbehandlung? Ich zumindest käme mir da bevormundet vor. Und die Polizei, die lediglich fragt, stellt sich nicht über das Gesetz, sondern nutzt den gesunden Menschenverstand, um ggf. für bessere und schnellere Abläufe zu sorgen (Praxistauglichkeit vs. Amtsschimmel). Das kann man als SW nutzen oder eben nicht; das entscheidet man schließlich selbst. Schließlich ist man mündig (sollte es sein) und somit über seine Rechte informiert.

Liebe Grüße!
Michaela

edit zu Deinen weiteren Ausführungen: Ich kann in den weiterreichenden Punkten nicht mitreden, daher lasse ich das auch. Lediglich auf die Fragerei bezogen habe ich eine Ansicht s. o.
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Re: Polizei und Gesundheitsamt fragen nach Telefonnummer???

Beitrag von Zwerg »

Mondfrau hat geschrieben:
30.06.2018, 14:18
Christian, wie gesagt, soweit ich weiß, ist die Herausgabe von Daten, die über die reine Meldeadresse/Personalienaufnahme hinausgehen, in D freiwillig. Insofern fällt es meiner Ansicht nach unter Eigenverantwortung eines SW, sich zu informieren und ggf. auf stur zu schalten, mit dem Hinweis auf die Rechtslage und der Aufforderung, dass betreffende Amtspersonen sich gerne postalisch rühren können.
Es handelt sich nicht um ein freundliches ungezwungenes Gespräch bei dem nebenbei höflich gefragt wird "würden Sie mir auch ihre Telefonnummer und Mailadresse geben wollen" - Es handelt sich um eine polizeiliche Kontrolle (bisweilen in Uniform im Lokal), welche bei allem Einfühlungsvermögen der durchführenden Beamten trotzdem eine gewisse Unsicherheit bei SexarbeiterInnen auslösen kann. Manche empfinden dies nicht - viele Andere hingegen schon.

Wer das nicht so sieht, hat natürlich von seiner Warte auch das Recht darauf - NUR: Hier melden sich. telefonisch oder auch bei unseren Einsätzen vor Ort immer mehr SexarbeiterInnen welche ihr Unwohlsein zum Ausdruck bringen - einfach verunsichert sind). Und da diese Vorgehensweise bei keinen anderen Kontrollen vorkommt, sondern ausschließlich bei SexarbeiterInnen, so ist dies eine Diskriminierung. Und auf das Recht "nicht diskriminiert zu werden" kann Niemand - speziell im Namen von Anderen - verzichten. Es bleibt Jedem überlassen, ob er/sie bei einer Polizeikontrolle dem amtshandelnden Polizisten eine private Visitenkarte zustecken möchte. Die Mehrzahl der SexarbeiterInnen, mit welchen ich/wir zu tun habe(n) werden dies nicht tun und wollen auch nicht danach gefragt werden.

Beim Verfassen dieses Beitrages höre ich gerade eine Melodie aus dem Radio, welche ich Euch nicht vorenthalten will...



passt irgendwie ein wenig dazu (und ich meine es nicht provokant) -

Es ist Zeit, dass wir (welche für die Sache der SexarbeiterInnen eintreten) einen Wechsel einläuten und die Dinge hinterfragen welche manche von uns mehr betreffen - nur in Solidarität mit den KollegInnen kann es eine Bewegung geben

Only Rights can stop the Wrongs!

christian

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Re: Polizei und Gesundheitsamt fragen nach Telefonnummer???

Beitrag von Mondfrau »

Ich finde es gut, Christian, wenn Du Dich engagierst. Sicherlich kann ich nicht beurteilen was Du täglich erlebst, insofern werde ich mir auch kein Urteil darüber erlauben. Ich habe lediglich ein persönliches Empfinden und nach diesem empfinde ich eine Frage, egal ob in Uniform oder ohne, nicht als problematisch. Mir scheint eher problematisch, dass viele SW sich scheinbar aufgrund von Uniformen/Berufskleidung (das gibt es ja auch in anderen Sparten, weiße Kittel sind da ein weiteres Beispiel) verunsichern lassen. Dieses Problem ist eines mit der Selbstsicherheit und dem Selbstbewusstsein, das sich meiner Erfahrung nach nicht damit lösen lässt, die Polizei zu begrenzen, schließlich ist eine Frage nicht rechtswidrig, sondern vielmehr darin, den SW mehr Selbstwertgefühl und damit Selbstsicherheit zu vermitteln.

Just my 2 Cent.

LG
Michaela
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Re: Polizei und Gesundheitsamt fragen nach Telefonnummer???

Beitrag von deernhh »

Wir SW haben bei saemtlichen Behoerden alle Hosen runtergelassen.
Ganz besonders perfide in Oesterreich bei den Gesundheitsuntersuchungen.

Bei schikanisierenden Kontrollen, und leider nur bei uns SW und nicht bei anderen normalen Kontrollen anderer Leute wie z.B. Verkehrskontrolle, wollen wir SW wenigstens noch ein bisschen Wuerde haben und nicht mehr, nachdem wir SW bereits im Vorfeld saemtliche Hosen runter lassen mussten, diskriminiert werden und noch mehr private, intime Auskunft wie Telefonnummer und Mail-Adressen, abgeben.

Wir SW sind die staendigen Gaengeleien der Behoerde und Polizei leid und machen verstaendlicherweise unsere Schotten dann dicht.
Wir fuehren ja schon saemtliche Dokumente wie Hurenpass, Gesundheitsausweis, Personalausweis, Reisepass usw. staendig mit und zeigen sie auf Verlangen.

Liebe Behoerde und Polizei:
Lasst uns SW unsere Wuerde!