Mondfrau hat geschrieben: ↑30.06.2018, 12:49
Womöglich ist daraufhin einer dieser Leute auf die Idee gekommen nach besagten Alternativdaten zu fragen und es hat sich bewährt.
Will meinen, Gesetze sind das Eine, Praxis das Andere. Das sieht man ja auch am neuen Schutzgesetz.
Selbst wenn wir sagen, PolizistInnen sollen ihre eigenen Ideen bei Amtshandlungen (Kontrolle von Prostituierten) einbringen, sich selbst also über das Gesetz stellen - schon damit kann ich absolut nicht leben und die SexarbeiterInnen welche deshalb bei uns anrufen auch nicht - so bleibt immer noch die Frage, wer diese Daten sieht, bewahrt, verarbeitet bzw. an das Gesundheitsamt weiterleitet. Ob die Daten dann (bei der Polizeistation) vernichtet werden, oder etwa archiviert?
Nach den Berichten zu schließen, werden die Telefonnummern bzw. Mailadressen auf einem Zettel (Block) aufgeschrieben. Das sind höchst sensible Daten - aus welchen direkt der Zusammenhang zwischen privater Telefonnummer (genau danach fragen sie) und dem Kampfnamen bzw. Arbeitsort der SexarbeiterIn herzustellen ist! Und genau dieser Kampfname wird auch notiert! Bei einer normalen Kontrolle geschieht das nicht.
Gerade in Zeiten in welchen über Datenschutz und der missbräuchlichen Verwendung besondere Bedeutung zugemessen wird, sollte dies auch für SexarbeiterInnen gelten. Wie gesagt: Wer würde sich das bei einer Verkehrskontrolle bieten lassen, dass der/die amtshandelnde PolizistIn auf einem Schmierzettel einen Spitznamen und eine private Telefonnummer oder Mailadresse notiert?
Wobei: Ich glaube nicht, dass da PolizistInnen wirklich der Vorwurf zu machen ist - ich denke, dass die Sache "von oben konzertiert wird", dass es also eine Weisung gibt - und genau die möchte ich hinterfragen.
Ein Mitgrund für mein jetziges Unwohlsein in der Sache: Vor einigen Wochen gab es von einem hochrangigen Polizeibeamten (der für Prostitution zuständig ist) "Einladungen zu einem persönlichen Gespräch" (welche man unter Umständen auch als Vorladung sehen könnte) zu InternetportalbetreiberInnen (sexworker.at war - wem wundert es - nicht betroffen und dies nicht nur, weil wir keine Werbung schalten). In diesem Schreiben ging es sinngemäß um die Strafbarkeit von InternetportalbetreiberInnen (vorwiegend Annoncenplattform) wenn sie nicht überprüfen, ob die Anzeigen welche auf der Webseite des/der Jenigen erscheinen, legale Angebote (von SexarbeiterInnen - also ob registriert oder nicht, oder Bordellbewilligung vorhanden) beinhalten.
Soweit ich weiß, wurden die Treffen aber kurzfristig, mit dem Hinweis (der Drohung) versehen, man würde bzgl. der möglichen Strafbarkeit sich im Herbst nochmals melden.
Nunmehr das Problem: Diese Plattformen bieten zum Teil die Möglichkeit anonym (kostenlos) zu annoncieren - und dies betrifft jetzt nicht ausschließlich SexarbeiterInnen - viele große Anbieter haben alle möglichen Angebote und unter Anderem auch "Erotikrubriken" - die obige Vorgehensweise (Jemand unter Strafverdacht zu stellen, der nur am Rande mit Sexarbeit zu tun hat) ist ein Rückschritt in eine Zeit wo jegliche Unterstützung sexueller Dienstleistungen als "Zuhälterei" oder Ähnliches gesehen wurde. Jetzt gibt es zwei Mögichkeiten: In die Knie gehen und versuchen "Kopien der Hurenausweise (Deckel, Gesundheitsbuch) zu erhalten. Wird, davon abgesehen, dass es wieder einmal höchst sensible Daten sind - nicht funktionieren. Oder eben die Rubrik Erotik entfernen. Beide Fälle schädigen in erster Linie SexarbeiterInnen.... Und jetzt wieder, wie schon so oft in diesem Thread die Frage nach der rechtlichen Deckung dieser Geschichte. Im Gesetz finde ich eine derartige "Amtshandlung" nicht - ich bin aber kein Jurist, also frage ich danach, weil ich mir das als Staatsbürger dieses Landes nicht vorstellen kann - und auch nicht will.
Ein weiterer Punkt, der meine persönliche Einstellung unterstreicht: Ich sehe Jeden der eine App macht, oder auch eine Webseite bzw. Werbung gegen Entgelt umsetzt, als BetreiberIn UND habe absolut kein Problem damit. Nur wenn eben genau diese Personen "im Namen des Staates" am Gesetz vorbei Kontrollpflichten oder auch Kontrollbefugnisse bekommen, so ist das in meinen Augen heikel. Abgesehen von LokalbetreiberInnen welche ihre Konzession verlieren (auch diese Verknüpfung ist bereits bedenklich), so sind WebseitenbetreiberInnen weder geeignet noch qualifiziert mit sensiblen Daten konfrontiert zu werden - und schon gar nicht als staatlich gezwungen Kontrollore. Wenn man hier nicht jetzt nachfragt, so sind wir wieder an diesem Punkt, wo jede Zeitungsannonce oder auch ähnlich Lapidares zum Gefahrenpunkt wird.
Man darf nicht vergessen: Speziell das Wiener Prostitutionsgesetz verhindert (!) selbstbestimmtes Arbeiten ohne BetreiberIn.. Sämtliche Bereiche, welche in anderen Ländern durchaus problemlos funktionieren, sind hier in die Illegalität gedrängt. Hier ist nur der Straßenstrich (an 2 Orten in Wien welche ungeeigneter nicht sein können) erlaubt. Und das Arbeiten in ca. 400 konzessionierten Bordellen. Dem stehen aber mehr als 3 300 registrierte SexarbeiterInnen gegenüber. Die meisten Lokale in Wien bieten 2 oder 3 Zimmer. Dann sind da noch ca 10 mittelgroße Laufhäuser und das war es dann schon. Das geht sich nicht aus - kann sich nicht ausgehen, Alle anderen Bereiche der Sexarbeit (Wohnung, Escort, Sexualbegleitung, Tantra und noch Vieles mehr) sind illegalisiert.
Für die Sicherheit aller SexarbeiterInnen wäre es anzuraten an eine Ausweitung der Möglichkeiten zu denken - Manche wollen oder können nicht mit BetreiberInnen zusammen arbeiten. Wollen nicht, dass wer mitverdient (vielleicht weil sie nur 2 bis 3 Jobs im Monat machen - da kenne ich Einige). Und genau diese Gruppe (welche auf Grund der gesetzlichen Lage weitaus größer ist) treibt man mit solchen Ansinnen (Webportale überprüfen den Deckel) noch weiter in die Illegalität - und gefährdet sie somit. Wer keine Recht hat ist leichter auszubeuten. Wer die Möglichkeit hat im legalen Bereich zu arbeiten, kann sich im Falle eines Übergriffes an die Behörde wenden.
Ich bin der Letzte der sagt "Vurschrift is Vurschrift" -
aber gerade bei diesem Thema sollten wir nicht die Vorgehensweise, sondern die Vorschrift (und deren Gesetzmäßigkeit oder auch das Gesetz selbst) hinterfragen.
christian