Quelle:
http://www.wienweb.at/content.aspx?id=9 ... el=2&typ=0
Report
Frauenhandel - Straffreier Missbrauch
Sie wurden auf Bestellung missbraucht. Angesehene Manager und Anwälte freuten sich, ihnen "alle Löcher stopfen" zu können. Minderjährige Mädchen aus Osteuropa wurden von Menschenhändlern im Raum Wien verkauft. Ihre "Kunden" gingen zunächst straffrei aus. Ein Blick auf Frauenhandel in Österreich und die Rechte der Opfer.
von Denise Riedlinger
Als die Stadtzeitung Falter Ende August von der Sprengung eines Menschenhändler-Rings ohne Folgen für die "Kunden" berichtete, war das nur ein mikroskopisch kleiner Ausschnitt des Gesamtbildes. Unter den Kunden der "angesehenen Wiener Begleitagentur" waren, wie Lauschangriffe der Polizei aufdeckten, auch Anwälte, Richter und ein Parlaments-Mitarbeiter. Die Händler erhielten Haftstrafen von einigen Monaten. Die Freier, die sich die Mädchen im Schulalter per Limousine liefern ließen, kamen mit dem Argument davon, sie hätten von deren Alter nichts gewusst. Nach dem medialen Aufschrei ist das Justizministerium in der Defensive. Sektionschef Werner Pürstl versichert gegenüber wienweb.at, die Aufträge für weitere Ermittlungen seien bereits bei der Staatsanwaltschaft Korneuburg eingelangt. Solange handle es sich aber um nichts als "Behauptungen".
Die Opfer sind keine Prostituierten
Frauenhandel ist nicht Prostitution. Frauenhandel bedeutet die vorsätzliche Ausbeutung von Frauen unter sklavenartigen Bedingungen. Trotzdem taucht bei der Justiz und in den Medien immer wieder der Begriff der "illegalen Prostitution" auf. Die Kunden von Menschenhändlern werden als "Freier" tituliert. Die Opfer wurden in der Vergangenheit immer wieder abgeschoben.
Für die Opferberatungsstelle IBF (Interventionsstelle für die Betroffenen von Frauenhandel) ist das ein wiederholtes Ärgernis: "Die Vermischung der Begriffe Frauenhandel und Prostitution verhindert die strafrechtliche Verfolgung der Täter. Frauenhandel ist eine international anerkanntes Delikt. Dagegen gibt es klar formulierte Gesetzte", betont IBF-Leiterin Evelyn Probst. Das IBF betreut etwa 170 Frauen und Mädchen jährlich. Sie alle sind "nur die Spitze des Eisbergs". Konkrete Zahlen, wie viele Frauen in Österreich durch Sexarbeit ausgebeutet werden, gibt es nicht. Fest steht nur eines: Der käufliche sexuelle Missbrauch bringt den Zuhältern und Schleppern Milliarden Euro an Umsätzen. Und das nicht nur in Österreich, sondern weltweit.
Gesetze gegen Anarchie
Der Frauenhandel ist auch ein Symbol für die Ohnmacht großer Verwaltungsapparate. Das Phänomen des organisierten Handels zwischen Osteuropa und dem Westen ist seit Mitte der achtziger Jahre bekannt. Im Jahr 2000 haben immerhin 80 Staaten die UN-Konvention gegen grenzüberschreitenden organisierten Menschenhandel unterzeichnet. Die Mitgliedsländer der EU sind erst seit dem Jahr 2002 gezwungen, Gesetze gegen Menschenhandel ins Strafrecht zu integrieren. Eines bedeutet das unerklärlicherweise immer noch nicht: Dass die Gesetze vom jeweiligen Justizapparat auch angewandt werden.
So auch im Fall des Callgirl-Rings. Probst dazu: "Prostitution unter 18 Jahren ist illegal. Paragraf 207b, sexueller Missbrauch von Jugendlichen, bietet der Justiz die Möglichkeit, Kunden von minderjährigen Prostituierten zu verurteilen. Aber die Gesetze wurden auch in den kürzlich aufgedeckten Fällen nicht angewandt." Die Justiz als Spiegel der Gesellschaft wirft damit auch die Frage auf, wieviel das Wohl von Menschen - meist sind es Frauen und Mädchen - im Vergleich zu Delikten, bei denen materieller Schaden entsteht, wiegt.
Und was kommt danach?
Rechtlich gesehen muss aber jede Frau, die in Österreich systematisch ausgebeutet wird, Betreuung von der IBF erhalten. Ein Aufenthaltsrecht haben die Opfer, unabhängig von ihrem psychischen und körperlichen Zustand, dann aber immer noch nicht. Das muss erst vom Innenministerium erteilt werden. "Schlimm ist, dass wir einer schwerst traumatisierten Frau selbst nach ihrer Befreiung nicht versichern können, dass sie sich jetzt erst einmal erholen kann", so Probst. Die Aufenthaltsbewilligung wird zwar in Fällen, die von der IBF betreute werden, meist erteilt. In der Zwischenzeit sind die Frauen aber nicht krankenversichert. Und das, obwohl jede von ihnen sofortige medizinische Betreuung benötigen würde.
Weitere Links zum Artikel:
http://www.wienweb.at/content.aspx?id=9 ... &channel=2 (Frauenhandel - Fakten und Entwicklungen)
http://www.wienweb.at/content.aspx?id=9 ... &channel=2 (Gegenwehr - Maßnahmen und Organisationen)
http://www.wienweb.at/content.aspx?id=9 ... &channel=2 (IBF - Opferbetreuerin Evelyn Probst)
http://www.wienweb.at/content.aspx?id=9 ... &channel=2 (Probst - Opfer schämen sich)
Sobald der Geist auf ein Ziel gerichtet ist, kommt ihm vieles entgegen.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832)